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KI stellt das Urheberrecht vor einzigartige Herausforderungen

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LLM-Modelle, wie ChaptGPT, werden auf menschlichen Inhalten trainiert. Copyright 2022 The Associated Press. All Rights Reserved.

Gesetzgeber und Gerichte auf der ganzen Welt bemühen sich um die Anwendung und Aktualisierung von Urheberrechtsschutzgesetzen, um der Bedrohung durch künstliche Intelligenz (KI) zu begegnen.

Das Schweizer Parlament debattiert derzeit über ein Gesetz, das Zeitungen, Zeitschriften, Rundfunkanstalten und andere Medienunternehmen des Landes vor dem Sammeln von KI-Daten schützen soll.

Die Gesetzgeber versuchen, den Schutz bestehender Urheberrechte mit dem Potenzial zum Aufbau neuer digitaler Systeme in Einklang zu bringen, die der Gesellschaft Vorteile bringen können.

Viele andere Länder kämpfen mit dem gleichen Problem und pröbeln an einem Flickwerk von Lösungen. Alle diese Versuche werden von der in Genf ansässigen Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) überwacht. Die Organisation der Vereinten Nationen fungiert als Forum für ihre 194 Mitgliedstaaten, um einen Konsens über die Regeln für geistiges Eigentum zu finden.

Die WIPO sagt über sich selbst, dass sie «den Innovatoren und Schöpfern der Welt dient und sicherstellt, dass ihre Ideen sicher auf den Markt gelangen und das Leben überall verbessern».

Die Urheberrechtsvorschriften müssen jedoch auch Raum für technologische Innovationen lassen, was manchmal zu Konflikten mit den Urheberrechtsinhaberinnen und -inhabern führt.

Klagen zielen vor allem in den USA auf KI-Unternehmen ab

«Das Urheberrecht wurde in der Vergangenheit durch viele Formen der technologischen Störung infrage gestellt», sagt Garrett Levin, Senior IP Law and Policy Officer on IP and Frontier Technologies bei der WIPO, gegenüber Swissinfo.

«Aber KI kann Inhalte produzieren, die von menschlich erzeugten Inhalten nicht zu unterscheiden sind, wenn sie mit urheberrechtlich geschütztem Material trainiert wird. Das ist es, was die KI von früheren Umbrüchen unterscheidet.»

Diese Kombination aus dem Training mit urheberrechtlich geschützten Daten und der Erstellung neuer, menschenähnlicher Werke unterscheidet KI von anderen Umbrüchen wie der Fotografie, dem Fotokopieren sowie in jüngster Zeit Youtube und Musikstreaming.

Ein Bericht der International Confederation of Societies of Authors and Composers (CISAC) aus dem Jahr 2024 schätzt, dass KI bis 2028 zu einem Rückgang der Einnahmen von Musikschaffenden um ein Viertel führen könnte.

Der KI-Moloch hat zu zahlreichen Klagen geführt, in denen Urheberrechtsverletzungen aufgrund von Werken geltend gemacht werden, die zum Trainieren der KI verwendet wurden, ohne dass dafür eine Lizenz erteilt oder etwas bezahlt wurde.

Laut der Website «ChatGPT is eating the world»Externer Link, die laufende Rechtsfälle verfolgt, gab es am 17. Oktober dieses Jahres 79 aktive Urheberrechtsklagen gegen KI-Unternehmen. Zwei Drittel dieser Fälle wurden in den USA eingeleitet.

Illustration: Artificial Intelligence, Künstliche Intelligenz

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Nur eine Handvoll der Klagen hat ihren Ursprung ausserhalb Nordamerikas. So verklagen beispielsweise die brasilianische Zeitung Folha de São Paulo und die indische Zeitung Asian News International den Erfinder von ChatGPT, OpenAI.

Und die japanischen Medien Yomiuri Shinbun, Nikkei und Asahi Shinbun wiederum fordern vom KI-Unternehmen Perplexity Schadenersatz.

Das Urheberrecht kann diese Herausforderungen bewältigen

Das häufigste Gegenargument der KI-Firmen ist die «faire Nutzung» – eine Doktrin, die häufig zur Unterstützung neuer Arbeiten auf der Grundlage bestehender Inhalte verwendet wird, beispielsweise in den Bereichen Kritik, Wissenschaft, Parodie und Adaptierung.

Es bleibt abzuwarten, welche Seite sich durchsetzen wird. Die meisten Klagen sind noch nicht abgeschlossen und die wenigen erfolgten Gerichtsurteile haben unterschiedliche Ergebnisse gebracht.

So hat beispielsweise die deutsche Musikverwertungsgesellschaft Gema in diesem Monat eine Klage vor einem Münchner Gericht gegen OpenAI gewonnen. Das US-Fotounternehmen Getty Images verlor hingegen die meisten seiner Argumente in einem Verfahren gegen Stability AI in London.

+ Die Schweiz strebt nach «menschlicher» KI

Levin ist der Ansicht, dass die Fülle der Klagen ein Zeichen dafür ist, dass das Urheberrecht robust ist und gut funktioniert. Die Gerichte stellen sich lediglich auf neue Anwendungen bestehender Regeln ein.

«Die Rechteinhaberinnen und -inhaber fordern keine massiven Änderungen des Urheberrechts, sie nutzen das bestehende Urheberrecht», sagt der Experte.

«Es ist viel zu früh zu sagen, dass wir alles niederreissen und das Urheberrecht neu schreiben müssen. Selbst bei der Geschwindigkeit, mit der sich KI entwickelt, bin ich zuversichtlich, dass das Urheberrecht in der Lage ist, diese Herausforderungen zu bewältigen.»

Die Schweiz steht mit ihrer Debatte über KI und Urheberrecht derzeit allein da

Andere Streitigkeiten wurden aussergerichtlich durch Lizenzvereinbarungen beigelegt, bei denen KI-Unternehmen Lizenzgebühren an Produzierende von Inhalten zahlen.

So hat sich das US-amerikanische KI-Unternehmen Anthropic bereiterklärt, 1,5 Milliarden Dollar an Buchautorinnen und -autoren zu zahlen, deren Material zum Training von KI-Modellen verwendet wurde.

Auch die New York Times, die Washington Post, der Verlag Axel Springer und die Musiklabels Warner, Universal und Sony haben Vereinbarungen mit KI-Unternehmen getroffen.

Einige Länder befassen sich mit den Auswirkungen der KI auf das geistige Eigentum in Form von Gesetzen. Laut Levin ist das Schweizer Parlament jedoch das einzige, das aktiv über ein auf dieses spezifische Problem zugeschnittenes Gesetz debattiert.

«Die meisten Gesetze zielen darauf ab, nationale Strategien zu entwickeln, um ein breites Spektrum an politischen Fragen wie Datenschutz, geistiges Eigentum und Menschenrechte anzugehen», sagt er. Diesen Ansatz haben die EU, Brasilien und Südkorea übernommen.

Ein internationaler Vertrag ist unwahrscheinlich, da die KI-Technologie noch in den Kinderschuhen steckt und das Ausmass ihrer möglichen Auswirkungen noch unbekannt ist. Die Regulierungsbehörden holen auf und die einzelnen Länder handeln im Allgemeinen entlang ihrer eigenen Rechtsmittel.

«Es besteht immer die Gefahr, dass die uneinheitliche Politikgestaltung auf der ganzen Welt den Konsens infrage stellt. Aber wir haben unter den Mitgliedstaaten noch nicht viel Appetit für einen internationalen Vertrag über KI und geistiges Eigentum gesehen», sagt Levin.

«Wir müssen uns intensiv mit dem Gleichgewicht zwischen der Förderung der menschlichen Kreativität und der Entwicklung revolutionärer Technologien auseinandersetzen», fügt er hinzu. «Wir müssen sicherstellen, dass beides nebeneinander existieren kann.»

Editiert von Gabe Bullard/VdV, Übertragung aus dem Englischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub

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