The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter
Top Stories
Schweiz verbunden

Diese Schweizerin begleitet in Pattaya ihre Landsleute – oft auch bis zum Grab

Esther Kaufmann
Im Reisebüro von Esther Kaufmann in Pattaya befindet sich auch das Schweizer Honorarkonsulat. Sie ist zur zentralen Anlaufstelle für zahlreiche Schweizerinnen und Schweizer geworden. zVg

Sie hilft, vermittelt, hört zu: In Pattaya ist Esther Kaufmann für viele Schweizer Expats und Rentner:innen zur Bezugsperson geworden. Seit zwei Jahren hat das langjährige Engagement der Auslandschweizerin auch eine offizielle Note: Sie ist Schweizer Honorarkonsulin an Thailands Ostküste.

Wenn Esther Kaufmann am Montagmorgen ihr Reisebüro in Pattaya öffnet, warten oft schon zahlreiche Menschen vor der Tür. Viele von ihnen sind Schweizer Senior:innen, Überwinternde, Langzeit-Expats. Sie brauchen administrative Unterstützung, Hilfe im Kontakt mit der Botschaft oder schlicht jemanden, der ihnen zuhört.

Kaufmann nimmt sich, wenn immer möglich, Zeit. Seit 2023 ist die 66-Jährige Schweizer Honorarkonsulin in PattayaExterner Link – eine Aufgabe, die sie nicht gesucht hat, die aber nahtlos an ein jahrzehntelanges Engagement anknüpft.

Externer Inhalt

«Pattaya ist mehr als ihr Ruf»

In Thailand leben rund 10’700 Schweizerinnen und Schweizer, davon sind knapp zwei Drittel Männer. Ein grosser Teil der Schweizer Diaspora lebt an der thailändischen Ostküste rund um Pattaya.

Die Stadt gilt vielen als Inbegriff thailändischer Klischees: Partyszene, Rotlichtmilieu und westliche Männer, die einen neuen Lebensentwurf suchen.

«Pattaya ist viel mehr als ihr Ruf», sagt aber Kaufmann. «Wenn man Halligalli haben will, dann findet man es hier schon, aber auch Erholung, Natur und eine gute Luftqualität.» Gerade die Mischung aus Nähe zum Meer und guter Versorgung mache es aus.

Foto von der Honorarkonsulin
In ihrer Freizeit spielt Esther Kaufmann gerne Golf. zVg

Vom Engagement zum Amt

Seit 1990 lebt Esther Kaufmann in Thailand, seit 2009 in Pattaya. Die gelernte Coiffeuse hat sich hier ein Leben und ein eigenes Geschäft aufgebaut und ist seither eine der wichtigsten Anlaufstellen für viele Schweizer Landsleute in der Region – seit zwei Jahren ist sie auch offiziell als Honorarkonsulin der Schweiz tätig.

«Es hat mich sehr geehrt, dass man mich gefragt hat», sagt Kaufmann rückblickend. Man habe bei der Schweizer Vertretung in Bangkok offenbar schon länger gewusst, was sie für die Landsleute vor Ort mache.

Der Weg zur offiziellen Ernennung als Honorarkonsulin war alles andere als einfach: Bewerbungsschreiben, Führungszeugnis, die coronabedingt komplizierte Bürokratie – und schliesslich die Unterschrift des thailändischen Königs. Von der Anfrage im Jahr 2020 bis zur Bestätigung dauerte es drei Jahre.

Mehr
Swiss Flugzeug in der Luft

Mehr

Swiss Abroad

Das unsichtbare Netz der Schweizer Diplomatie

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Schweiz hat weltweit 225 Hobby-Diplomatinnen und Diplomaten im Einsatz: Die Honorarkonsul:innen. Wir zeigen, wo sie leben, weshalb es sie braucht und warum es immer mehr von ihnen gibt.

Mehr Das unsichtbare Netz der Schweizer Diplomatie

Eine Frau als Honorarkonsulin im männerlastigen Pattaya – Kaufmann sagt dazu: «Es gibt auch sehr viele Expat-Frauen hier.» Viele von ihnen würden mit ihren Anliegen zu ihr kommen. «Gerade kürzlich hat mich jemand gefragt, was eigentlich mit ihr passiere, wenn sie allein zu Hause stirbt», so Kaufmann.

Tod als Auslandschweizer:in: Was tun?

Der Tod ist ein wichtiges Thema, gerade in Thailand, wo sich die älteste Schweizer Diaspora weltweit befindet. Hier muss viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. «Testamente, Patientenverfügungen, Renten- bzw. Witwenrentenanträge. Ich versuche meine Landsleute so oft wie möglich dafür zu sensibilisieren.»

Kaufmann ist selbst Witwe. Nach langen Jahren in Thailand zusammen mit ihrem Mann, musste sie sich 2012 die Frage stellen: «Bleibe ich nach dem Tod meines Mannes hier oder gehe ich zurück und fange neu an?» Für sie war schnell klar, dass sie bleibt. «Ich habe mir in Thailand ein Netzwerk aufgebaut und mit meinem Reisebüro habe ich eine Aufgabe», so Kaufmann.

Sie fühle sich in Thailand zu Hause. «Aber ich bin und bleibe Schweizerin», sagt sie. Wenn immer möglich, nimmt sie auch an eidgenössischen Wahlen teil – «wenn ich die Unterlagen mal rechtzeitig erhalte», so Kaufmann. Denn die Post in Thailand sei nicht zuverlässig.

Mehr

Ihre Tochter, die den thailändischen Pass hat, lebt mittlerweile mit ihren Kindern in der Schweiz. Sie wären für Kaufmann im Moment der einzige Grund, in die Schweiz zurückzukehren. «Wenn meine Tochter mehr Unterstützung bräuchte, dann würde ich über eine Rückkehr nachdenken», sagt sie. Sonst sieht Kaufmann ihre Zukunft aber in Pattaya. «Ich habe ein gutes Leben hier.»

Schon vor ihrer Ernennung als Schweizer Vertreterin in Thailand machte sie Gefängnisbesuche, phasenweise im Wochentakt. «Irgendwann in den Neunzigerjahren hatten wir einen Höchststand von 44 deutschsprachigen Inhaftierten in den Gefängnissen rund um Bangkok», erzählt Kaufmann.

Damals seien diese Verurteilten «wahnsinnig lang» inhaftiert gewesen. Kaufmann hat zusammen mit einer Frauengruppe Essen ins Gefängnis gebracht, Gespräche geführt und dem einen oder anderen mit ihren Besuchen vermutlich das Leben gerettet. Sie erinnert sich an einen Schweizer, der an Schizophrenie litt und mit ihrer Hilfe die nötigen Medikamente bekommen hat.

Skyline von Pattaya
Pattaya gilt vielen als Inbegriff thailändischer Klischees: Partyszene, Rotlichtmilieu und westliche Männer, die einen neuen Lebensentwurf suchen. EPA-EFE/NARONG SANGNAK

Seit sie Honorarkonsulin ist, macht sie diese Besuche nicht mehr. «Das übernimmt in der Regel die Schweizer Vertretung in Thailand», so Kaufmann.

Was ihr aber besonders wichtig ist, ist die Teilnahme an Beerdigungen – allerdings mehr als Privatperson denn in ihrer Funktion als Honorarkonsulin. «Alles Administrative, was einen Todesfall betrifft, ist Sache der Botschaft», sagt sie. Sie könne die Landsleute und deren Angehörige dann nur an die Botschaft weiterverweisen. Wenn immer möglich, geht sie aber an die Beerdigung – «einfach, damit noch jemand aus der Schweiz da ist».

Hilfe, die über Bürozeiten hinausgeht

Kaufmann investiert viel Zeit in ihr Amt als Honorarkonsulin, das nicht entlöhnt wird. Während der Hochsaison zwischen Oktober und April kommen so viele Schweizerinnen und Schweizer bei ihr vorbei, dass sie oft erst am Abend die Mails bearbeiten kann. «Da ich alleinstehend bin, tangiert das sonst niemanden», sagt Kaufmann. Sie sei einfach froh, wenn sie helfen könne.

Schwierig ist es für Kaufmann, wenn Landsleute mit einer gewissen Erwartungshaltung in ihr Büro kommen. Dann müsse sie ihnen jeweils erklären, dass ein Honorarkonsulat nicht die offizielle Vertretung sei. «Manchmal hätte ich dann gerne auch eine Plexiglasscheibe wie an einem Schalter in der Botschaft», so Kaufmann. Die meisten seien aber grundsätzlich dankbar.

Angesprochen auf die Schlagzeilen der letzten Jahre, in denen Schweizer Staatsangehörige in Thailand negativ aufgefallen sindExterner Link, gibt Kaufmann zu. «Ja, es gab einige, die sich danebenbenommen haben.» Aber grundsätzlich seien die Schweizer:innen hier nicht diejenigen, die Ärger machen.

Das soziale Gefälle der Diaspora in Thailand sei gross. «Es gibt Leute, die mit 1200 Franken im Monat auskommen müssen», sagt Kaufmann. Auf der anderen Seite gebe es Multimillionäre. Dieses Gefüge in einem Schweizer Club zusammenzubringen sei fast unmöglich – deshalb habe man bisher von einer Gründung in Pattaya abgesehen.

Editiert von Balz Rigendinger

Mehr

Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Melanie Eichenberger

Hatten Sie schon einmal Kontakt zu einem Schweizer Honorarkonsulat? Warum? Und wie war Ihre Erfahrung?

Swissinfo wirft in einer Miniserie einen Blick auf das weit verzweigte, wenig sichtbare Netzwerk der Schweizer Honorarkonsulinnen und Honorarkonsuln. Teilen Sie Ihre Eindrücke.

3 Likes
5 Kommentare
Diskussion anzeigen

Meistgelesen
Swiss Abroad

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft