Wie eine Rentnerin aus dem Kanton Waadt auf einen falschen Brad Pitt hereinfiel
Monatelang war sich eine Rentnerin aus dem Kanton Waadt sicher, dass sie eine Liebesgeschichte mit Brad Pitt erleben würde. In Wirklichkeit stand sie in Kontakt mit einem Betrüger, der ihr schliesslich mehrere zehntausend Franken abknöpfte.
Für die Frau, die wir hier Patricia nennen, beginnt alles im Mai 2024. Als sie die offizielle Instagram-Seite von Brad Pitt besucht, wird sie von einer Person kontaktiert, die sich als Managerin des US-Stars ausgibt und sie um Erlaubnis bittet, sie mit ihm in Kontakt zu bringen. Patricia stimmt zu.
«Wir fingen an, ganz normal miteinander zu kommunizieren, wie zwei Menschen, die sich kennenlernen, ganz sanft.»
Schauen Sie hier die RTS-Sendung «Mise au Point» (auf Französisch):
Tage und Wochen vergehen. Patricia und der falsche Brad Pitt tauschen sich weiterhin via Nachrichten aus. «Er stellt mir viele Fragen darüber, wie ich mich fühle, wie ich Dinge mag, wie ich das Leben sehe, und eines Tages gibt er mir zu verstehen, dass er in mich verliebt ist», erzählt sie in der Sendung «Mise au Point».
Der falsche Brad bittet sie, ihre Beziehung geheim zu halten, aber er ist nicht der Typ, der seine Gefühle versteckt: «Mein Liebling, du bist jetzt und für immer mein Ein und Alles», gesteht er ihr. Sie erliegt ihm: «Das ist eine echte Beziehung, die sich da entwickelt, also lasse ich mich in dieses Liebesgefühl gleiten.»
Der Betrug
Nach einiger Zeit beginnt der Betrug. Die beiden «Verliebten» wollen sich treffen. Der falsche Brad Pitt verlangt jedoch eine hohe Geldsumme, die er per Nachricht wie folgt rechtfertigt: «Baby, das sind 50’000 Dollar, die mein Management verlangt.»
Er erklärt Patricia, dass jeder, der ihn treffen wolle, den gleichen Preis zahlen müsse. Sie lehnt zunächst ab.
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«Ich denke: ‚Na ja, vielleicht ist das ihre Art … Ich hatte noch nie Kontakt zu einem Schauspieler‘. Sie zahlt eine erste Rate von 30’000 US-Dollar und dann weitere 20’000 US-Dollar. Patricia zahlt mit der Gewissheit, dass es dieses Mal zu einem Treffen kommen wird.
Die Spirale
Im Spätsommer 2024 ist der echte Brad Pitt auf dem Filmfestival in Venedig, um seinen neuen Film mit George Clooney vorzustellen. Patricia glaubt dann, dass der grosse Moment endlich gekommen ist. «Ich bereite ein kleines Gepäckstück vor, in der Hoffnung, dass er mir sagt, dass ich kommen soll.»
Der Betrüger tut das nicht, aber als Wiedergutmachung lässt er ihr Blumen schicken, auf denen steht: «Ich liebe dich so sehr, Baby. Ich kann es kaum erwarten, den Rest meines Lebens mit dir zu verbringen. Pitt».
Patricia ist in einem Teufelskreis gefangen, der in der Psychologie als «Bindungsbias» bezeichnet wird. Nach den ersten Zahlungen ist es schwierig, das Ruder herumzureissen. Der falsche Brad Pitt verlangt erneut 10’000 Dollar für Arztkosten und dann noch einmal 10’000 Dollar.
Die ehemalige Arzthelferin ist nicht gerade reich, aber sie macht trotzdem weiter: «Es ist so stressig für mich, dass ich mich dazu überreden lasse, zur Bank zu gehen und zu bezahlen.» Diesen Stress überwindet sie mit der Gewissheit, dass Brad Pitt sie wirklich liebt.
Die Angelegenheit nimmt eine noch tragischere Wendung. Eines Tages bietet er ihr an, ihm in die USA zu folgen. Sie nimmt ein Flugzeug nach Los Angeles.
Drei Wochen lang wartet sie allein in einem Hotel, trinkt Cocktails und wartet auf den Geliebten. Dann entschliesst sie sich, in die Schweiz zurückzukehren, nicht ohne in der Zwischenzeit weitere 20’000 Dollar zu zahlen.
Die Klage
Zurück in der Schweiz stösst Patricia auf die Geschichte von Anne, einer Französin, die ebenfalls von einem falschen Brad Pitt um mehr als 800’000 Euro betrogen wurde.
Die Ähnlichkeiten mit ihrer Geschichte beunruhigen sie, ohne dass ihr bewusst wird, dass auch sie ein Opfer ist. Der Auslöser kommt ein paar Tage später.
Mit den Nerven am Ende, geht sie zur Polizei. «Als ich dort ankam und sagte: ‚Ich glaube, ich wurde betrogen‘, konnte ich nicht einmal Brad Pitts Namen aussprechen. Die Polizistin fragt mich, ob es sich um einen grossen Betrag handelt. Ich sage ja, es handelt sich um fast 100’000 Franken.»
Patricia erstattete Anzeige, nachdem sie fast ein Jahr lang an das Märchen mit Brad Pitt geglaubt hatte. Heute versucht sie, sich wieder aufzubauen.
«Es gibt eine unbeschreibliche Scham. Ich weiss, dass ich fast ein Jahr lang in einer Beziehung gelebt habe, die nicht existierte. Man denkt sich: Wie konnte ich so missbraucht werden?»
Diese Art von Betrug hat sich in der Schweiz in letzter Zeit vervielfacht. Allein im Kanton Waadt sind seit Anfang des Jahres mehrere Dutzend Beschwerden eingegangen, die laut der Waadtländer Polizei einen Gesamtschaden von mehr als 2,4 Millionen Franken verursachten.
Laut Pascal Fontaine, dem Leiter der Abteilung für Kriminalprävention, ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen: «Natürlich haben wir viele Opfer, die es nicht wagen, Anzeige zu erstatten, weil sie sich schuldig fühlen», erklärt er in «Mise au Point».
Der Polizist warnt die Opfer, dass sie in der Regel die gezahlten Beträge abschreiben müssen: «Dieses Geld wechselt sehr schnell den Kontinent, es verlässt den europäischen Bankkreislauf. Und dann hat man keine Chance mehr, es in die Hände zu bekommen.»
Auch die Urheber der Betrügereien sind schwer zu finden. Oft kommen die Betrüger aus westafrikanischen Ländern. Patricia beauftragte einen Privatdetektiv, um die Spur der Betrüger zu verfolgen. Dem Detektiv zufolge sollen sie sich irgendwo in Nigeria befinden.
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