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Massiver Stellenabbau bei «Swiss Air Lines»

swissinfo.ch

Die Swissair will die Regional-Fluggesellschaft Crossair in den Flugkonzern Swissair integrieren und den Flugbetrieb unter dem Namen Swiss Air Lines weiterführen. Die Restrukturierung hat eine Verkleinerung des Streckennetzes sowie einen massiven Stellenabbau zur Folge. Der Bund wird das erhöhte Versicherungs-Risiko von Schweizer Fluggesellschaften im Fall von Krieg und Terror übernehmen. Die Swissair wird damit ihren Flugbetrieb fortsetzen können.

Zum Ausmass des Stellenabbaus, der bisher die Streichung von rund 1’250 Jobs vorsah, machte die Swissair noch keine genauen Angaben. Als Reaktion auf die Anschläge in den USA streicht die Catering-Tochter Gate Gourmet rund 3’000 der 30’000 Stellen. Der Abbau erfolge vorrangig in Nordamerika, heisst es.

Kernelemente des neuen Sanierungsplans sind laut Swissair-Medienmitteilung ein völlig neuer Businessplan, dem nur noch eine Airline zu Grunde liegt, die Rekapitalisierung sowie Anpassungen im Management und in der Konzernleitung.

Die Fluggesellschaft wolle sich auf den Geschäftsreiseverkehr auf innereuropäischen Direktverbindungen konzentrieren, sagte Swissair-Sprecher Jean-Claude Donzel. Zudem sollen profitable Langstrecken angeflogen werden. Dies seien Destinationen in Asien, im Mittleren Osten und in Afrika, heisst es. Dazu kämen in Nordamerika Ziele, die für die Geschäftswelt wichtig seien.

Corti: 2 bis 3 Mrd. Kapitalbedarf

Swissair-Chef Mario Corti hat den Kapitalbedarf der Luftverkehrsholding auf mindestens zwei bis drei Milliarden Franken beziffert. In einem Interview im «Rendez-vous» von Schweizer Radio DRS sagte Corti zudem, dass alle Beschäftigten Opfer erbringen müssten. Auch die im Vergleich zur Crossair hohen Löhne der Swissair-Piloten kämen aufs Tapet.

Corti wollte im Vorfeld der Gespräche mit den Gewerkschaften das Ausmass des Stellenabbaus nicht beziffern. Er sagte aber, dass bei den beiden Fluggesellschaften Swissair und Crossair ganz erhebliche Kosten eingespart werden müssten. «Die Gesellschaft ist in einem ganz ernsthaften Überlebenskampf», sagte Corti und fügte hinzu: «Wenn Opfer nicht von allen Seiten gebracht werden, wird diese Gesellschaft nicht überleben.»

Bei den unter der Gide von Ulrich Bremi angelaufenen Bemühungen für eine rasche Rekapitalisierung geht es um Milliardensummen. «Ich gehe davon aus, dass es mindestens zwei bis drei Milliarden Franken frisches Kapital braucht», sagte Corti. Er habe gewisse Signale, dass die Rekapitalisierung zu Stande kommen könnte. Wie deutlich diese Signale seien, werde sich aber erst in ein paar Wochen zeigen.

Auf die Folgen für den Flughafen Zürich-Kloten und die Hub-Strategie angesprochen, sagte Corti, die Pläne zur Flottenreduktion und zur Rückführung des Umsteigeverkehrs bedeuteten nicht den Abschied von der Hub-Strategie. Sie werde aber auf eine Grösse zurückdimensioniert, die von der Schweiz aus wirtschaftlich betrieben werden könne.

Die Terroranschläge in den USA hätten die Probleme der Swissair auf eine völlig unerwartete Weise verschärft. Es wäre aber falsch, die jetzige Situation allein dem 11. September zuzuschieben, räumte der Swissair-Chef ein. Die Vermeidung eines Konkurses liege auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse. In diesem Sinne seien die Bemühungen zur Rekapitalisierung auch «ein Test für unser Land, ob es in der Lage ist die Mittel bereitzustellen, um das Überleben zu sichern», sagte Corti.

Dosé Leiter der Fluggeschäfte

Die Swissair teilte weiter mit, die Managementebene des Konzerns solle gestrafft werden. Crossair-Chef André Dosé übernimmt den Flugbetrieb. Die Konzernleitung wird auf sechs Personen reduziert.

Sie setzt sich neu zusammen aus Mario Corti als Konzernchef, Jacqualyne Fouse als Finanzchefin, André Dosé als Chef der Fluggeschäftes, Henning Boysen als Chef der Gate Gourmet, Hans Ulrich Beyeler als Chef von SR Technics und Klaus Knappik als Chef der Swisscargo. Beat Schär, bis anhin Swissair-Chef, figuriert nicht mehr auf der Liste der Konzernleitung.

Crossair bleibt als AG erhalten

Die Crossair wird trotz Integration von Swissair und Crossair als Aktiengesellschaft erhalten bleiben. Basel soll Sitz und «wichtiges Tätigkeitszentrum» bleiben. Die Swissair Gruppe wird den Crossair-Minderheits-Aktionären ein Auskaufangebot unterbreiten.

Der Crossair-Verwaltungsrat unterstütze das neue Geschäftskonzept der Swissair-Gruppe, teilte der Crossair-Verwaltungsrat am Montag mit. Bis zum Auskaufangebot der Swissair Gruppe werde die Crossair in ihrer unternehmerischen Selbstständigkeit erhalten bleiben. Die Swissair hält einen Anteil von 70,4% an der Regional-Fluggesellschaft.

Schutzvereinigung glücklich

Die Schutzvereinigung Swissair ist laut eigenen Angaben glücklich über die Entscheidung zur Straffung der Strukturen. Der neue Chef für den Flugbereich, André Dosé, geniesse das volle Vertrauen. Wichtig für das Überleben der Swissair sei nun, dass die Projektgruppe Bremi die Bilanz sanieren und die Zukunft finanzieren könne, teilte die Vereinigung weiter mit. Dabei stünden die Privatwirtschaft, das heisst die Banken und die für das Missmanagement Verantwortlichen, in der Pflicht. Finanzielle Unterstützung des Bundes müsse subsidiär sein.

VPOD will kämpfen

Die Gewerkschaft VPOD will laut Daniel Fischer von der VPOD-Sektion Luftverkehr dafür kämpfen, dass bei der Swissair möglichst wenig Stellen abgebaut werden. Immerhin würden bei der Restrukturierung im Gegensatz zu früher das Kader und die Piloten nicht geschont. Klar sei, dass der Hub-Traum für Zürich-Kloten definitiv geplatz sei, sagte Fischer.

Reaktionen der Flughäfen

Die Verantwortlichen der Flughafen Zürich AG haben bereits einen Investitions- und Personalstopp verfügt und wurden deshalb von den Ankündigungen der Swissair nicht völlig überrascht. Weitere Entwicklungen will die Flughafen-Betreiberin Unique im Auge behalten, heisst es. In Folge des Swissair-Abbaus rechnet Unique indessen mit einer «schwierigen Situation» und spricht von einer «zwei- bis dreijährigen Durststrecke».

Der Genfer Flughafen Cointrin rechnet aufgrund der angekündigten Restrukturierungen nicht mit schwerwiegenden Konsequenzen. Die vollständige Integration von Swissair und Crossair könne nur positive Auswirkungen haben auf die Zukunft der Schweizer Luftfahrtgesellschaft. «Die Fusion musste früher oder später kommen, wir sind nicht eigentlich überrascht», sagte Flughafen-Sprecher Philippe Roy. Von der angekündigten Restrukturierung werde Genf höchstens am Rand betroffen sei, verfüge doch Swissair nur noch über eine einzige Langstreckenverbindung ab Genf nach New York. Roy geht deshalb davon aus, dass vor allem Zürich von den angekündigten Massnahmen betroffen sein wird.

Die Ankündigung der Fusion von Swissair und Crossair hat die Leitung des EuroAirport Basel-Mülhausen überrascht: Man habe zwar Restrukturierungen erwartet, aber nicht derart schnell, heisst es. Der Ausbau des Flughafens soll aber weitergehen. Die Direktion des EuroAirpot hoffe, dass die getroffenen Massnahmen «in die richtige Richtung» gingen.

Mögliche Grundlage für Engagement des Bundes

Das Schweizer Finanzministerium (EFD) sieht im neuen Sanierungsplan eine mögliche Grundlage für ein Mitmachen des Bundes bei der geplanten Rekapitalisierung. Dies teilte EFD-Kommunikations-Chef Daniel Eckmann am Montag mit.

Eckmann erinnerte daran, dass der Bundesrat eine Beteiligung der Eidgenossenschaft an der Rekapitalisierung von drei Bedingungen abhängig gemacht habe. Erstens müsse der Impuls von der Wirtschaft kommen, was am Wochenende mit der Bildung des Arbeitskreises unter Leitung von Ulrich Bremi geschehen sei. Zweitens müssten alle relevanten Kräfte, darunter auch das Personal, mitziehen. Diese Kontakte seien erst angelaufen. Und drittens müsse eine langfristig Erfolg versprechende Perspektive für die Swissair bestehen.

«Dafür kann das nun vorgestellte Konzept eine Grundlage sein», sagte Eckmann. Noch sei es aber verfrüht, das erst in den Grundzügen bekannte Konzept zu bewerten.

Banken signalisieren Gesprächsbereitschaft

Die UBS und die Credit Suisse haben ihr Interesse an einer Lösung zu Gunsten der Swissair Group bekräftigt. Die Zürcher Kantonalbank will laut ihren Angaben erst nach Gesprächen mit der Luftverkehrsholding festlegen, wie sie zur Problemlösung beitragen könnte.

Die Credit Suisse Group (CSG), die zusammen mit der Citibank und der Deutschen Bank der Swissair Group bereits eine Kreditlinie von einer Mrd. Franken zur Liquiditäts-Sicherung zugesichert hatte, ist laut Angaben von CSG-Sprecher Andreas Hildenbrand weiterhin grundätzlich an einer Lösung zu Gunsten der Swissair Group interessiert. Gefordert seien dabei nicht nur die Banken, sondern alle Beteiligten. Über die Art und den Umfang der Lösung sowie über das finanzielle Engagement der CSG waren keine weiteren Angaben erhältlich. Laut Hildenbrand sind diese Fragen Bestandteil der laufenden Verhandlungen. Die CSG sei Mitglied des neu gebildeten Arbeitskreises unter der Leitung von Ulrich Bremi. An den Gesprächen vom vergangenen Samstag habe die Grossbank aber nicht teilgenommen.

Die UBS hat laut Angaben ihrer Sprecherin Eveline Müller bereits im vergangenen April der Swissair zum Ausdruck gebracht, dass sie die Luftverkehrholding bei der Ausarbeitung von Lösungen zur Wiederherstellung einer genügenden Eigenkapitalbasis unterstützen will. Wie hoch ein allfälliges finanzielles Engagement der UBS ausfallen wird, ist laut Müller noch offen und auch abhängig davon, wie die Businesspläne für den Restrukturierungsplan aussehen.

Konkurs abgewendet

Analysten haben am Montag den neuen Umbau zur Rettung des angeschlagenen Flugkonzerns Swissair vorsichtig, insgesamt jedoch positiv bewertet. Die Gefahr eines Konkurses sei gebannt. An der Börse legte die Swissair-Aktie zu.

Positiv werde auch die Bildung einer Arbeitsgruppe aus Politik und Wirtschaft unter Alt-FDP-Nationalrat Ulrich Bremi beurteilt, die neues Kapital für die Swissair auftreiben soll.

Die Investoren seien nun optimistisch, dass die Probleme angepackt würden, sagte Thomas della Casa, Analyst bei der Deutschen Bank. Nach wie vor würden aber Details fehlen. Die Gefahr eines Konkurses sei aber gebannt.

swissinfo und Agenturen

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