The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter
Top Stories
Schweiz verbunden

Verbeugungen vor einem Monument

Der Tod des Papstes dominiert die Schweizer Zeitungen vom Montag. swissinfo.ch

Die Schweizer Presse ehrt Papst Johannes Paul II. als Jahrhundert-Persönlichkeit, die der katholischen Kirche wieder ein Profil gegeben habe.

Die Kommentare loben sein Engagement bei den Menschenrechten, kritisieren aber auch seine konservative Haltung in theologischen Fragen.

Die Übereinstimmung ist selten: das farbige Bild des aufgebahrten Leichnams prägt praktisch alle Frontseiten der Schweizer Tageszeitungen.

Die Titel der Kommentare würdigen Papst Johannes Paul II. als «Weltgewissen», als «moralisches Monument», als «grossen Menschen» und stellen fest, dass jetzt eine «Zeitenwende» anstehe.

Der Papst als Weltgewissen

«Unanime la planète s’incline» – Die Welt verbeugt sich einmütig, schreibt die Freiburger «La Liberté» und stellt fest, dass die Reaktionen auf den Tod des Papstes aus aller Welt die politischen, religiösen und kulturellen Spaltungen überbrückten und von grosser Betroffenheit zeugten.

Mit dem Tod sei eine Ära zu Ende gegangen, stellt der Zürcher «Tages Anzeiger» fest und bezeichnet den Verstorbenen als «Jahrhundert-Persönlichkeit», welche die Weltbühne ganz selbstverständlich in Beschlag genommen habe. «Der politischste Papst seit langem hat sich selber als eine Art Weltgewissen verstanden.»

Das Blatt erinnert an die treibende Rolle des Papstes beim Fall der Berliner Mauer, seine Unterstützung der Gewerkschaft Solidarnosc, aber auch daran, dass Johannes Paul II. zusammen mit George W. Bush für das ungeborene Leben kämpfte und gleichzeitig den Krieg im Irak geisselte.

Das Kreuz mit dem Zölibat

Für die «Aargauer Zeitung» hat Johannes Paul II. die römisch-katholische Kirche ins dritte Jahrtausend geführt und ihr wieder ein Profil gegeben. «Allerdings eines, mit dem sich auch Gläubige zunehmend schwer tun.»

Der Papst sei auf seine Art für soziale Gerechtigkeit und den Frieden eingetreten und habe den Dialog mit andern Konfessionen und Religionen gesucht, schreibt die «Berner Zeitung».

«Aber seine Orientierung an reaktionären kirchlichen Strömungen, sein Nein in allem, was die Sexualität, die Priesterehe, die Priesterwürde der Frauen und das Engagement der Laien angeht, all das hinterlässt der katholischen Kirche ein schweres Kreuz.»

«Ein moralisches Monument»

Für die «Neue Zürcher Zeitung» hat der Papst in seinem langen Pontifikat die Weltpolitik und die Kirche stark mitgeprägt. All jene Katholiken, die geglaubt hätten, Wojtyla werde die Bischofsynode zum «Parlament» und sich selber als oberstes Exekutivorgan erklären, hätten sich jedoch getäuscht. «Am Primat des Bischofs von Rom liess er nicht rütteln, nicht von modernistischen, innerkatholischen Kräften, aber auch nicht von andern christlichen Gemeinschaften.»

Als «moralisches Monument» bezeichnet «Die Südostschweiz» den Verstorbenen und bezeichnet dessen Leistungsbilanz dennoch als «höchst zwiespältig».

Seine Stärken habe er nicht im kirchlichen Alltag gehabt, sondern in seiner Funktion als «moralische Instanz».

Herkules-Arbeit für den Nachfolger

Für die «Basler Zeitung» war Johannes Paul II. ein Ausnahme-Papst, eine Persönlichkeit von historischer Grösse. «Aber eine des 20. Jahrhunderts», denn «der sture Moralist aus Krakau, Antikommunist und Antikapitalist, war ein Protagonist in Zeiten des Umbruchs».

Der neue Papst müsse deshalb einen neuen Kurs einschlagen, folgert die «Basler Zeitung» und erinnert an daran, dass der Papst in seiner Werbung für Frieden und Gerechtigkeit überall auf der Welt Hoffungen geweckt, «aber auch gerade bei Anhängern der Befreiungstheologie in Südamerika bitter enttäuscht» habe.

Der Nachfolger müsse sich trauen, nötige Reformen einzuleiten, um die Kirche wieder für mehr Menschen attraktiv zu machen und sich den stärker werdenden Sekten stellen. «Die katholische Kirche braucht nun einen mutigen, offenherzigen Nachfolger Wojtylas. Auf ihn wartet die Arbeit eines Herkules.»

swissinfo, Andreas Keiser

Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft