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Das Indien-EFTA-Handelsabkommen kommt zur richtigen Zeit

Saon Ray

Das neue Handelsabkommen zwischen Indien und den EFTA-Ländern – dazu gehört die Schweiz – sei mehr als ein Handelsabkommen, sagt die Ökonomin Saon Ray. Es vereinfache den Marktzugang und setze auf Entwicklung.

Am 1. Oktober 2025 tritt das Handels- und Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (TEPA) zwischen Indien und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) mit seinen Mitgliedern Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz in Kraft.

Das Vertragswerk ist mehr als nur ein Handelsabkommen. Da die USA ihre Zölle auf indische Exporte auf 50% erhöht haben, sind indische Exporteure auf der Suche nach alternativen Märkten und Investitionspartnern.

Das TEPA bietet beides: Es verbessert den Zugang zum Waren- und Dienstleistungsverkehr, bringt gesicherte Investitionen, durch die neue Arbeitsplätze entstehen, ermöglicht die Mobilität von Fachkräften und fördert die technologische Zusammenarbeit.

Das Abkommen könnte den Weg für eine vertiefte Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern ebnen und Indien als Modell für weitere Handelsabkommen dienen, bei denen der Schwerpunkt weniger auf Schutzmechanismen für Investitionen als vielmehr auf konkreten Projekten zur Entwicklung des Landes liegt.

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Sowohl die EFTA-Länder wie auch Indien haben das TEPA ratifiziert. Bilaterale Abkommen dieser Art werden in der aktuellen Situation mit gegenseitigen Zöllen immer wichtiger.

Die USA waren über Jahre wichtigstes Exportland Indiens – mit den hohen US-Zöllen von bis zu 50% auf zahlreiche Exportgüter sieht sich Indien nun aber gezwungen, neue Absatzmärkte im Ausland zu erschliessen.

Das TEPA könnte diese Diversifizierung beträchtlich erleichtern. Schätzungen zufolge beläuft sich der Handel zwischen Indien und den vier EFTA-Ländern für den Zeitraum 2024–2025 auf rund 19,3 Mrd. Franken.

Die EFTA ist damit die fünftgrösste Handelspartnerin IndiensExterner Link. Allerdings exportiert die EFTA mit Gütern im Wert von 22,45 Mrd. US-Dollar deutlich mehr nach Indien als umgekehrt (knapp zwei Mrd. US-Dollar).

Der Löwenanteil dieses Handelsvolumens entfällt vor allem aufgrund der umfangreichen Gold- und Silberimporte Indiens auf die Schweiz. Neben Gold führt Indien aus der EFTA vor allem Kohle, Medikamente, pflanzliche Öle, medizinische Ausrüstung und Molkereimaschinen ein und exportiert seinerseits Chemikalien, Eisen und Stahl, Edelsteine, Sportartikel, Garne und Pharmazeutika.

Von Trumps Zöllen betroffen sein dürften am ehesten Edelsteine und Schmuck, Textilien und Bekleidung, organische Chemikalien, Crevetten und sonstige Meeresfrüchte sowie Autoteile.

Mit dem TEPA und dem Abbau von Handelsschranken erhielten indische Exporteure vermehrt Zugang zu EFTA-Märkten, wodurch Indiens Importüberschuss reduziert würde.

In den 14 Kapiteln des TEPA ist der Abschnitt zum Warenverkehr von besonderer Bedeutung. Hier bietet die EFTA für 92,2% der von der EFTA gehandelten Güter (Warenwert) niedrigere Zölle an, Indien im Gegenzug bei 82,7% der Handelswaren.

Damit wird der Marktzugang deutlich erleichtert, auch wenn beide Seiten sensible Branchen ausgenommen haben. Im Fall von Indien bleiben Bereiche wie Milchprodukte, Soja, Kohle und Güter im Zusammenhang mit produktionsabhängigen Anreizsystemen geschützt.

Die EFTA profitiert primär vom verbesserten Marktzugang für Schweizer Uhren und Schokolade sowie geschliffene und polierte Diamanten, die Indien nun zu niedrigeren Zollsätzen zulassen wirdExterner Link.

Das Abkommen ist somit das Ergebnis sorgfältigen Abwägens: Indien hat anfällige Sektoren geschützt und dort Zugeständnisse gemacht, wo die Konkurrenz aufgefangen werden kann.

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Das Besondere am TEPA sind jedoch die Anhänge: Sie erweitern den Geltungsbereich auf wichtige Bereiche wie Finanzdienstleistungen, Telekommunikation, Anerkennung von Qualifikationen und Einwanderung.

Indien eröffnet sich dadurch ein grosses Potenzial für seinen besonders starken Dienstleistungssektor. Davon profitieren können Bereiche wie IT, Bildung, kulturelle Dienstleistungen und sogar Sport.

Das TEPA schafft zudem einen Rahmen für Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Berufen in Bereichen wie Krankenpflege, Buchhaltung und Architektur.

Dies könnte qualifizierten indischen Fachkräften den Zugang zu europäischen Märkten zu faireren Bedingungen erleichtern und ihnen den Weg zur Beschäftigung und Anerkennung im Ausland ebnen.

Ein Meilenstein für Investitionen

Die EFTA hat sich im Rahmen des TEPA verpflichtet, innerhalb von zehn Jahren nach Inkrafttreten 50 Mrd. US-Dollar in Indien zu investieren. Weitere 50 Mrd. US-Dollar sollen in den darauffolgenden fünf Jahren fliessen.

Das TEPA ist für Indien ein Meilenstein, denn es koppelt das Freihandelsabkommen an Investitionen und an die Schaffung von einer Million Arbeitsplätzen, die sich daraus ergeben könnten.

Im Gegenzug wird Indien die Einfuhrzölle für verschiedene Produkte im Rahmen des Abkommens senken. Diese Zugeständnisse können aber auch wieder zurückgenommen werden, sollten die Investitionsziele nicht erreicht werden.

Von Bedeutung ist auch die Ausgestaltung des Kapitels zu Investitionen. Während bei traditionelleren Investitionsabkommen der Schutz von Investitionen mittels rechtlicher Garantien im Vordergrund steht, setzen die einschlägigen TEPA-Bestimmungen auf Handelserleichterungen und Zusammenarbeit.

Das Abkommen sieht die Einrichtung eines «India-EFTA Desk» innerhalb der indischen Regierungsbehörde Invest India vor, das Investorinnen und Investoren aus EFTA-Ländern als zentrale Anlaufstelle dienen soll.

Zudem sollen durch gemeinsame Projekte die technologische Zusammenarbeit sowie Chancen für Kleinst- und Kleinunternehmen gefördert und Investitionshindernisse abgebaut werden.

Zum Vergleich: Im neuen umfassenden Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) zwischen Indien und Grossbritannien sind die Bestimmungen zu Investitionen protektiv und normativ. Sie bieten einen fairen und gerechten Schutz und garantierten den Kapitalverkehr, sichern das Abkommen aber lediglich über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ab.

Das TEPA ist hier ehrgeiziger und setzt gezielt auf die Förderung konkreter Investitionen und technologische Zusammenarbeit.

Die Bedeutung dieses Ansatzes auf die Investitionstätigkeit kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In den letzten Jahren waren ausländische Investitionen in Indien rückläufig.

Zu einer Zeit, in der Kapital weltweit zurückhaltender eingesetzt wird, ist eine Zusage von EFTA-Investitionen von bis zu 100 Mrd. US-Dollar über 15 Jahre deshalb ein starkes Zeichen.

Investorinnen und Investoren aus der EFTA erhalten durch das Abkommen mit Indien strukturierten Zugang zu einem grossen und wachsenden Markt.

Für Indien ist wesentlich, dass der Abbau von Handelsschranken an konkrete Entwicklungsschritte gekoppelt ist, darunter die Schaffung von Arbeitsplätzen, Technologietransfer und die Stärkung inländischer Kapazitäten.

Mit der Verknüpfung von Marktzugang und konkreten Investitionszielen hat das TEPA wegweisenden Charakter. Es stimmt zudem mit Indiens allgemeineren Zielen überein, für ausländische Direktinvestitionen attraktiv zu werden und Arbeitsplätze zu schaffen.

Das TEPA mit der EFTA tritt zu einem Zeitpunkt in Kraft, in dem Indiens Handelspolitik an einem Wendepunkt steht. In traditionellen Märkten macht sich zunehmend Protektionismus breit, weshalb Indien mehr Diversifikation anstrebt und sein Wachstum durch ausgewogene Partnerschaften absichern möchte.

Durch die Verknüpfung von Handel mit Investitionen und Arbeitsplatzförderung bietet das TEPA ein Modell, das einerseits Indiens Entwicklung fördert, andererseits den EFTA-Partnern gesicherten Zugang zum einem gigantischen Markt gewährt.

Editiert von Virginie Mangin/ac, Übertragung aus dem Englischen: Lorenz Mohler/cr

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