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Gottfried Semper: Architekt und Forscher

Gottfried Semper, Polytechnikum in Zürich, um 1859. Institut gta, ETH Zürich, Archiv

Zum 200. Geburtstag des Architekten Gottfried Semper zeigt das Museum für Gestaltung in Zürich eine umfassende Ausstellung.

Die zweiteilige Schau bringt – ganz im Sinne Sempers – Architektur und Wissenschaft unter einen Hut.

Dass die Ausstellung nach München in veränderter Form auch in Zürich zu sehen ist, drängt sich auf. Die Stadt, wo Semper von 1855 bis 1871 weilte, war einer seiner zentralen Wirkungsorte. Davon zeugen noch heute markante Bauten wie das Hauptgebäude der ETH, das “als Krone” Zürichs von 1858 bis 1868 nach seinen Plänen entstanden war und das aus dem Stadtbild nicht wegzudenken ist.

Um die ETH Zürich hat sich Semper aber auch als Wissenschafter und Forscher verdient gemacht: 1855 wurde er zum Leiter der Bauschule an das neu gegründete Eidgenössische Polytechnikum (heute ETH) berufen. Naheliegend also, dass sich die ETH für die Ausstellung ins Zeug gelegt hat.

Fruchtbare Koproduktion

Zusammen mit dem Architekturmuseum der Technischen Universität München hat das Institut gta der ETH unter der Leitung von Werner Oechslin das theoretische und architektonische Werk Sempers neu erforscht. Darauf basiert die Ausstellung, die Oechslin zusammen mit Sonja Hildebrand vom Museum für Gestaltung kuratiert hat.

Der Titel “Gottfried Semper (1803-1879) – Architektur und Wissenschaft” nimmts vorweg: Die Ausstellung besteht aus zwei Abteilungen. Den Wänden im offenen Hauptsaal entlang wird chronologisch Sempers Lebenswerk dokumentiert.

In der Mitte jedoch, in einem 1:1-Modell von Sempers “Waschschiff”, das bis 1872 am Limmatquai vor Anker lag, hat sich die Wissenschaft eingenistet. Besuchen lässt sich unter anderem Sempers Bibliothek in einer Rekonstruktion, zur Lektüre bereit liegen Manuskripte zu dessen theoretischem Hauptwerk “Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder Praktische Ästhetik”.

Wie kein zweiter Architekt seiner Zeit verband Semper seine Bautätigkeit mit einem gross angelegten theoretischen Werk. Er sei “ein rastloser Grübler” gewesen, unerschöpflich interessiert an den Tatsachen der Welt, sagte Werner Oechslin bei der Eröffnung der Ausstellung. Seine “mustergültige Erforschung der Kultur und der Geschichte seiner Zeit” habe bis heute Vorbildcharakter.

Von Dresden…

Geboren wurde Gottfried Semper in Hamburg am 29. November 1803. Nach Studien in Mathematik und Geschichte in Göttingen wechselte er nach Paris an die Architekturschule von Franz Christian Gau. Es folgten Reisen durch Italien und Griechenland, bevor Semper 1835 in Dresden zu wirken begann. Hier setzt die Ausstellung ein, mit den zentralen Bauten: dem Zwingerforum, dem Ersten Hoftheater und der Gemäldegalerie.

Von Beginn weg faszinieren die Vielfalt und hervorragende Qualität der ausgestellten Dokumente von 60 internationalen Leihgebern: Zeichnungen aus Sempers Atelier, historische Fotografien, bislang unbekannte Blätter aus der Studiensammlung des Architekten, Schriften – und vor allem eindrückliche Holzmodelle.

Den Modellbau (jedes zweite Modell ist exklusiv für die Zürcher Ausstellung entstanden), auch die Reproduktion des berühmten “Waschschiffs” mit seinen bemalten Feldern haben die Zürcher “Burkhalter Sumi Architekten” betreut. Sie haben auch die Ausstellungsarchitektur entworfen, die dem Besucher, der Besucherin klar, aber unaufdringlich den Weg weist.

…nach Paris, London, Zürich, Wien und Rom

Als sich Semper – er war wie Richard Wagner erklärter Republikaner – an den Dresdner Barrikadenkämpfen beteiligte, wurde er als “Haupträdelsführer” steckbrieflich gesucht und flüchtete ins Exil nach Paris und London.

1855 zog ihn die Zürcher Weltoffenheit an, 1870 bis 1878 entstand in Dresden der Neubau des Zweiten Hoftheaters. 1871 übersiedelte Semper nach Wien, wo er das Hofburgtheater konzipierte. Lange bevor es fertig gebaut war, starb Semper 1879 in Rom.

swissinfo und Karl Wüst (sfd)

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