
«Ich konnte mir die Schweiz als Rentner nicht mehr leisten» – Warum viele im Alter auswandern

Ein Leben lang gearbeitet, Beiträge einbezahlt, auf Ferien verzichtet – und am Ende bleibt nur die Frage: Reicht meine Rente für ein Leben in der Schweiz? Für immer mehr Rentnerinnen und Rentner lautet die Antwort: Nein. Sie verlassen ihre Heimat – oft nicht aus Abenteuerlust, sondern aus Notwendigkeit.
«Nach so vielen arbeitsreichen Jahren werden die Rentner an den Rand der Gesellschaft gedrückt. Die Schweiz empfinde ich kaum mehr als sozial, was die eigenen Leute angeht.»
So kommentiert eine nach Spanien ausgewanderte Person auf Swissinfo unsere Frage «Sind Sie im Rentenalter ausgewandert, weil Sie in der Schweiz nicht über die Runden kommen?». Diese Debatte haben wir bereits vergangenes Jahr im Zuge der AHV-Abstimmung lanciert, doch in den vergangenen Wochen wurde die Debatte wieder aktuell.
Auch die Frage, ob unsere Leserinnen und Leser aus finanziellen Gründen ausgewandert sind, wird immer noch rege kommentiert.
Viele Leserinnen und Leser können das Gefühl nachvollziehen: Sie erleben einen schleichenden Bruch mit einem Land, das sie jahrzehntelang mitgetragen haben.
Die AHV deckt oft nur die Fixkosten ab
Die AHV-Rente reicht oft nicht einmal für das Nötigste. Miete, Krankenkasse, Nebenkosten – eine einfache Rechnung zeigt, wie schnell das Geld weg ist:
«Mit 2’200 Franken kann man in der Schweiz nicht mehr leben. Miete für eine Einzimmer-Alterswohnung beträgt 700 Franken. Krankenkasse: 500 bis 600 Franken. Essen, Steuern und Strom: 800 Franken», schreibt «Grendelmeier». In Spanien komme er oder sie mit 2’200 Franken bestens aus.
Wer nicht im Eigentum lebe – und das sei die Mehrheit der Rentnerinnen und Rentner in der Schweiz – gerate schnell in Bedrängnis, schreibt «JoanBoa». Die Miete und die Krankenversicherung mache oft die ganze AHV allein aus.
Auswandern im Rentenalter: Was sind die Gründe dafür? Worauf muss man achten? Die Expertinnen Livia Tomas und Nicole Töpperwien geben Antwort.

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Auswandern im Rentenalter: Wenn Senior:innen der Schweiz den Rücken kehren
Zur Auswanderung gezwungen
«Über 47 Jahre lang habe ich als Gutverdiener mit meinem Arbeitgeber über 10% meines Lohns an die AHV entrichtet und über 40 Jahre viel Geld in unser Schweizer PK-System einbezahlt», schreibt «PG».
«Man sollte meinen, dass ich unter diesen Voraussetzungen in der Schweiz ein menschenwürdiges Rentnerleben führen könnte, oder? Doch weit gefehlt!»
Zwei Scheidungen und die damit verbundenen Renten-Splittings hätten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht und würden ihn nun zur Auswanderung zwingen.
Nicht wenige berichten, dass der Schritt ins Ausland alles andere als leicht war. Die Schweiz zu verlassen – das Land, in dem man Familie hat, Enkelkinder, Erinnerungen – fällt nicht allen leicht. «Man verlässt sein Land nie leichten Herzens», schreibt JoanBoa weiter.
«Auch ich gehöre zu denen, die sich ein Leben nach der Pensionierung in der Schweiz wünschten aber nicht leisten konnten», schreibt «Klausius».
Mit dem Barbezug des Pensionskassen-Kapitals habe er sich ein Haus in England finanzieren können. «Die AHV genügt gerade, um in hier in England einigermassen die Bedürfnisse monatlich zu decken», schreibt er weiter.
Spanien, Portugal, Thailand – «das süsse Leben»
Laut dem Bundesamt für Statistik hat sich die Zahl der Schweizer:innen, die im Ausland eine AHV-Rente beziehen, in 20 Jahren verdoppelt und erreichte Ende 2024 134’000.
Unter den Ländern, die grosse Schweizergemeinschaften beherbergen, stechen Thailand, Portugal, Spanien und Südafrika mit einem hohen Anteil an Senior:innen hervor. Zwischen 2023 und 2024 hat der Anteil der Schweizer Senior:innen besonders in Portugal und Thailand zugenommen (+16% bzw. +7%).
Das Klima ist in diesen Ländern milder, die Gesundheitsversorgung oft gut, und die Lebenshaltungskosten sind deutlich tiefer: «Meine Frau und ich haben die Schweiz aus finanziellen Gründen und vor allem wegen des Wetters und des süssen Lebens verlassen», schreibt Jean-Claude Chabloz. In Spanien hätten sie ein Haus mit Meerblick etwa hundert Meter vom Strand entfernt kaufen können.
Wenn der Entscheid der Auswanderung nur auf finanziellen Gründen basiere, könne das zu Problemen führen, warnt «Hanspeter». «Jede Münze hat zwei Seiten», schreibt er. Wolle man nicht auf europäische Speisen und Getränke verzichten und in einer Wohnung oder Haus wohnen, das den üblichen Standards entspricht, müsse man auch beispielsweise in den Philippinen tief in die Tasche greifen.
Rente – aber mit Würde
Viele Kommentare machen deutlich: Es geht nicht um Luxus, den meisten geht es um Würde. Um einen Lebensabend ohne ständige Existenzangst.
Entweder lebe man in einer kleinen Einzimmerwohnung, sei auf soziale Unterstützung angewiesen – oder aber man verlasse die Schweiz schweren Herzens, um in einem anderen Land mit geringeren Lebenshaltungskosten ein würdiges Leben führen zu können.
Auch «Peter Segessemann» schreibt, dass er gerne in der Schweiz geblieben wäre. «Doch meine Rente und mein Pensionskassengeld würden nicht für ein angenehmes Leben reichen», schreibt er. Er hätte alle Hilfen beanspruchen müssen, die es gebe.
«Damit würde ich den Steuerzahlern auf dem Geldbeutel sitzen. Das will ich nicht.» In Portugal könne er mit seiner Rente und dem verbliebenen Anteil der PK – er hat eine Scheidung hinter sich – sehr gut leben. «Und ich falle so niemandem in der Schweiz zur Last.»
Und immer wieder wird betont: Die AHV sei keine Gnade, sondern eine verdiente Gegenleistung für viele Jahre Arbeit. «Wir haben unsere Beiträge, sowohl finanzielle wie an die Gesellschaft (zum Beispiel mit diversen freiwilligen Arbeiten in Vorständen von Vereinen/Verbänden) geleistet und wollen nun, da unsere Kinder erwachsen sind, noch etwas das Leben zusammen geniessen», schreibt «JohnnyBdSR».
Die Schweiz, so der Tenor vieler, bleibt ein Land zum Arbeiten – nicht zum Altwerden.
Editiert von Balz Rigendinger
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