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«Hänsel und Gretel»-Oper in Bern: Traumspiel im Kleiderkasten

Die Bühnen Bern präsentieren Engelbert Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel" als psychologisierendes Traumspiel. Überzeugen konnte die Neuinszenierung, die am Samstag Premiere hatte, vor allem musikalisch.

(Keystone-SDA) Humperdincks hochromantisches «Kinderstubenweihfestspiel» gehört zu den Fixpunkten im Weihnachtsspielplan an vielen Theatern. Es dient als Einstiegsproduktion für Kinder in die Welt der grossen Oper.

Entsprechend ist «Hänsel und Gretel» eine Herausforderung für das Regietheater. Wie weit kann man bei der inhaltlich weichgespülten Adaption des berühmten Märchens gehen, ohne sich dem Vorwurf der gefälligen Anbiederung auszusetzen? Und ohne das breite Familienpublikum abzuschrecken?

In Bern hat Regisseur und Bühnenbildner Raimund Orfeo Vogt eine eigene, wenn nicht gar eigensinnige Umsetzungsidee entwickelt. Er inszeniert das mit populären Kinderliedern versetzte Märchenfestspiel als psychologisierendes Traumspiel.

Das Geschwisterpaar wird von der Mutter nicht wie in Grimms Märchen in den Wald verstossen, sondern im Kleiderkasten eingesperrt. Im dortigen Dunkel spielt ihnen die Fantasie und der Traum so manchen Streich. Das führt zum Höhepunkt, wenn sich die Mutter der hungernden Kinder zur Völlerei-Hexe wandelt.

Szenisch schöne Bilder

Verdeutlicht wird die Verdoppelung der Ebenen durch den Umstand, dass die Geschwister als Kinder in der Realebene präsent bleiben, während sich die Sängerinnen in den Rollen von Hänsel und Gretel in der Traum- oder Fantasiewelt bewegen.

Man merkt es der Inszenierung an, dass der Regisseur ein gelernter Bühnenbildner ist. Schön anzusehen ist die Szenerie, wenn der Kleiderkasten zum monströsen Wald wird mit den hängenden Mänteln als übergrosse Bäume, zwischen denen Hänsel und Gretel zu Winzlingen schrumpfen.

Nicht alles wird unmittelbar schlüssig, da ist schon einiges an Interpretationsvermögen nötig. Dafür kann die Aufführung musikalisch überzeugen. Sängerisch zeigt sich das Ensemble in Hochform – allen voran Evgenia Asanova und Patricia Westley als Hänsel und Gretel sowie Claude Eichenberger als Mutter und Hexe. Das Berner Sinfonieorchester unter der Leitung von Alevtina Ioffe meistert die Partitur beherzt, ohne zu sehr auf wuchtige Akzente zu setzen.

Das Opernhaus Zürich folgt

Weiter geht es im «Hänsel und Gretel»-Reigen am kommenden Sonntag (16. November) am Opernhaus Zürich. Dort in einer Neuinszenierung von Thom Luz, der sich einen Namen als Schöpfer von eher absurd-verqueren musikalischen Traumspielereien gemacht hat. Das Zürcher Opernhaus wird die Premiere von Luz‘ erster Inszenierung einer Repertoire-Oper in zahlreichen Kinos im Kanton live übertragen.

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