
Wie Trump einen Run auf den Meeresboden auslösen könnte

Indem sie den Weg für den Tiefseebergbau freimachen, umgehen die USA die UNO-Behörde zur Regulierung des Meeresbodens. Sie riskieren damit einen «gefährlichen Präzedenzfall», so die Behörde. Im Zentrum dieses diplomatischen Sturms: ein Schweizer Unternehmen.
Eldorado oder Schutzgebiet – die Vorkommen in der Tiefsee stehen im Mittelpunkt geopolitischer Spannungen. Kürzlich fand in Nizza die internationale UNO-Ozeankonferenz statt, wo die internationale Gemeinschaft die grossen Herausforderungen der Meere diskutierte.
Im April dieses Jahres unterzeichnete US-Präsident Donald Trump ein umstrittenes DekretExterner Link, das den Meeresbodenbergbau (Deep Sea Mining) auch in internationalen Gewässern ermöglichen soll.
Das Ziel besteht darin, innerhalb von zehn Jahren eine Milliarde Tonnen Material zu sammeln – Ressourcen, die für die Energiewende, die Digitalisierung und die Rüstung von entscheidender Bedeutung sind.
«Ein solch einseitiger Entscheid könnte einen gefährlichen Präzedenzfall schaffen und das gesamte System der globalen Meeres Governance destabilisieren», äusserte sich Leticia Reis de Carvalho, Generalsekretärin der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA), besorgt.
Derzeit müssen alle kommerziellen Aktivitäten in der Tiefsee, die über die nationale Gerichtsbarkeit hinausgehen, von dieser UNO-Behörde genehmigt werden.
Dieser Rahmen wurde durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen geschaffen – das Washington aber nie ratifiziert hat.
Energiewende, Digitalisierung, Rüstungswettlauf … Die Nachfrage nach kritischen Metallen steigt explosionsartig an. Laut der Weltbank könnte sie bis 2050 um 500% steigen. Einige schielen bei ihrer Suche nach dem Eldorado nun auf den Meeresboden.
Beim Unterwasserbergbau wird der Meeresboden durchkämmt, um polymetallische Knollen abzubauen. Diese ähneln grossen Kieselsteinen und sind reich an Mangan, Eisen, Nickel, Kupfer oder Kobalt.
Diese Technik wird von Forschenden und Umweltschutzorganisationen stark kritisiert, da die Auswirkungen auf die noch unbekannten marinen Ökosysteme nicht richtig eingeschätzt werden können. Aus diesem Grund fordern 33 Länder, darunter auch die Schweiz, ein Moratorium.
Umgehung des internationalen Rechts
«Auch ohne Ratifizierung haben die USA 1994 ein Abkommen der Konvention über den Meeresbodenbergbau unterzeichnet und sich damit moralisch verpflichtet, den Vertrag einzuhalten», sagt Clément Chazot, Ozean-Experte bei der Weltnaturschutzunion (IUCN).
«Man könnte hier von Gewohnheitsrecht sprechen, was bedeuten würde, dass alle Staaten daran gebunden sind, auch diejenigen, die das Übereinkommen nicht unterzeichnet haben.»
Auf hoher See gelten der Meeresboden sowie seine Ressourcen laut diesem Übereinkommen als Weltnaturerbe der Menschheit.
«Kein Staat darf daher Hoheitsrechte über irgendeinen Teil dieses Gebiets oder über seine Ressourcen beanspruchen, erwerben oder ausüben. Es ist allgemein anerkannt, dass dieses Verbot für alle Staaten gilt, auch für diejenigen, die das Übereinkommen nicht ratifiziert haben», betonte die Generalsekretärin der Internationalen Meeresbodenbehörde in einer Pressemitteilung.

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Die ISA nennt als denkbare Sanktionen finanzielle Strafen, die Aussetzung oder Kündigung von Verträgen und «andere Korrektivmassnahmen».
Die ISA erinnert daran, dass die 170 Mitgliedstaaten des Vertrags dazu verpflichtet sind, illegal abgebaute Mineralien nicht anzuerkennen. Das bedeutet, dass diese Mineralien a priori nicht auf dem Weltmarkt weiterverkauft werden sollten.
Ein Schweizer Schiff an vorderster Front
Die Schweiz befindet sich an vorderster Front dieses diplomatischen Tauziehens. Das in Freiburg ansässige, multinationale Unternehmen Allseas, das auf den Bau von Unterwasserinfrastrukturen spezialisiert ist, hat seine Absicht bestätigt, sich nach dem amerikanischen Dekret an der Verwertung des Meeresbodens zu beteiligen.
Das Unternehmen, das bereits am Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 beteiligt war, hat mit «Hidden Gem» ein riesiges Schiff entwickelt, das polymetallische Knollen vom Meeresboden einsammeln kann.
Allseas hält 20% der Aktien des kanadischen Unternehmens «The Metals Company» (TMC). Dieses hat gerade einen Antrag auf eine Abbaugenehmigung bei der US-Regierung gestellt.
Die Schweiz hat das Seerechtsübereinkommen ratifiziert und unterstützt ein Moratorium für die Ausbeutung des Meeresbodens, bis die Auswirkungen besser verstanden werden.

Allseas könnte sich damit in Konflikt mit den Schweizer Behörden begeben. «Die Schweiz ist durch ihren Beitritt zum Seerechtsübereinkommen verpflichtet, dessen Bestimmungen einzuhalten. Dies schliesst alle Personen oder Unternehmen ein, die unter ihrer Gerichtsbarkeit und Kontrolle stehen», betont Chazot. Allseas reagierte nicht auf unsere Anfragen.
Die Angelegenheit wurde an das Parlament weitergeleitet und ist Gegenstand einer im Juni zu behandelnden Interpellation. Die Stadt Genf forderte den Bundesrat auf, seine Verantwortung zu übernehmenExterner Link, und warnte, dass «das Dekret sowohl die Umwelt als auch das internationale Recht bedroht».
Ein Run auf den Meeresboden?
Angesichts der steigenden Nachfrage nach kritischen Metallen wird diese Aussicht mit Sorge betrachtet.
Chazot beruhigt jedoch: «Ein Ansturm auf die hohe See ist schwer vorstellbar, da dies eine Verletzung des Völkerrechts darstellen würde. Ausserdem nimmt die Mehrheit der Staaten in gutem Glauben an den ISA-Verhandlungen teil und möchte diesen multilateralen Rahmen nicht schwächen.»
In den Hoheitsgewässern, die sowohl dem Moratorium als auch dem Vertrag entzogen sind, gehen die Ansätze jedoch auseinander. «Die USA sind nicht die einzigen, die den Bergbau in ihren nationalen Gewässern in Betracht ziehen. Norwegen hat eine umfassende Konsultation zu diesem Thema durchgeführt und auch in Papua-Neuguinea gab es bereits Versuche”, so Chazot.
Andere Länder und Territorien beschlossen jedoch, das Moratorium auf ihre Hoheitsgewässer auszudehnen. Dies gilt namentlich für Frankreich, Neukaledonien und Portugal.
Auch Chazot beobachtet diesen Trend auf Seiten der Industrie: «Die Batterietechnologie für Elektrofahrzeuge entwickelt sich schnell und bietet bereits Alternativen, bei denen bestimmte in der Tiefsee vorkommende Materialien nicht verwendet werden. Dadurch wird der Druck auf diese einzigartigen Ökosysteme verringert.»
Ein Bergbaukodex für den Ozean
«The Metals Company» könnte bereits in diesem Sommer mit dem Abbau im Clarion-Clipperton-Gebiet im Pazifischen Ozean beginnen. Die Meeresbodenbehörde will bis Ende des Jahres einen entsprechenden Kodex fertigstellen.
Dieses Gesetz soll den Rahmen für alle Ausbeutungen bilden, den Schutz der Meeresökosysteme gewährleisten und eine möglichst gerechte Aufteilung der Gewinne sicherstellen. Ein Prozess, den die Industrie, besonders Allseas, als zu langsam betrachtet.
«Die rechtliche Komplexität dieser Arbeit ist enorm”, verteidigte sich ISA-Generalsekretärin Reis de Carvalho. «169 Länder in Konzepte wie das gemeinsame Erbe oder die Gewinnbeteiligung einzubinden, wird nie einfach sein.”
Für Chazot, der als Beobachter an den Verhandlungen teilnimmt, scheint die Frist bis Ende 2025 verfrüht: «Wir sind noch weit davon entfernt, einen fertigen Text zu haben. Es gibt noch zu viele Grauzonen, um sicherzustellen, dass der Bergbau keine grossen Auswirkungen auf die Meeresumwelt hat – um nur einen Aspekt zu nennen.»
Er fordert die Einbeziehung strenger Folgenabschätzungen und mehr Transparenz in den ISA-Diskussionen.
Neben den technischen und rechtlichen Herausforderungen ist dies auch eine politische Frage: Welchen Stellenwert sollen die Ressourcen unter Wasser angesichts der steigenden Nachfrage nach Metallen haben?
Für Chazot ist die Priorität klar: «Bevor wir auf neue Extraktionen zurückgreifen, müssen wir auf die Wiederverwendung und das Recycling im Sinn einer Kreislaufwirtschaft setzen.»
Bisher haben 33 Länder ein Moratorium für die Ausbeutung des Meeresbodens unterstützt. Die kommenden Monate werden entscheidend sein und die Richtung eines potenziellen Runs auf die Tiefsee vorgeben.
Editiert von Virginie Mangin, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Deepl: Christian Raaflaub
Vom 9. bis 13. Juni 2025 versammelte die UNO-Ozeankonferenz in Nizza die internationale Gemeinschaft, um sich den grossen Herausforderungen der Meere zu stellen.
Aufrufe zum Verbot der Schleppnetzfischerei, Schutz von Meeresgebieten, Umweltverschmutzung … All diese Themen standen im Mittelpunkt der Debatten, wobei ein besonderes Augenmerk auf der Ratifizierung des Vertrags über die Hohe See lag. Dieser soll das Meeresleben in internationalen Gewässern schützen.
Auch der Meeresbodenbergbau stand auf der Tagesordnung. Dabei wurde eine Koalition gebildet, die sich für gemeinsame Regeln einsetzt. «Die Tiefsee darf nicht zum Wilden Westen werden”, rief UNO-Generalsekretär António Guterres während der Eröffnungszeremonie.

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