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Kampf um Patent auf Leben

Das geplante neue Gesetz zur Biotechnologie spaltet die Gesellschaft. Keystone

Auch der zweite Entwurf der Schweizer Regierung zu einem neuen Patentschutzgesetz scheidet die Geister.

Die Pharmaindustrie kritisiert, ihre Innovationen würden mit dem Gesetz zu wenig geschützt. Entwicklungs-Organisationen lehnen nach wie vor Patente auf Leben ab.

Das schweizerische Patentgesetz ist zurzeit in Revision: Zu einem ersten Vorschlag konnten die interessierten Kreise im Jahr 2002 Stellung nehmen (Vernehmlassungs-Verfahren).

Daraufhin entschied die Schweizer Regierung, gewisse neue Fragen, die sich im Laufe des Vernehmlassungs-Verfahrens ergaben, vertieft zu analysieren und einen zweiten Gesetzes-Vorschlag auszuarbeiten.

Biotechnologischen Erfindungen liegt, wie der Name sagt, biologisches Material, d.h. lebende Materie, zugrunde. Über die im Patentwesen gemachte Gleichsetzung lebender Materie mit toter Materie erhitzen sich nun aber in der Schweiz die Gemüter.

Ziel des anfangs Juni vorgestellten neuen Entwurfes ist es, die biotechnologischen Erfindungen durch Patente angemessen zu schützen.

Zwar läuft die Konsultation noch bis Ende Oktober, so dass bislang noch keine offiziellen Stellungnahmen der Vernehmlassungs-Teilnehmer vorliegen.

Eine Veranstaltung der Stiftung Science et Cité und des Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) am Donnerstag in Bern zeigte allerdings, dass auch die neue Vorlage einen schweren Stand haben dürfte.

Zu wenig Schutz

Die vorgeschlagene Teilrevision des Patentgesetzes enthalte gravierende Mängel, kritisiert Thomas B. Cueni, Generalsekretär der Interpharma gegenüber swissinfo.

Gegenüber der Konkurrenz aus den USA und der EU seien Schweizer Erfindungen zu wenig geschützt, weil hier der Patentschutz strenger sei. Cueni will daher den Gesetzesvorschlag erneut an die Regierung zurückschicken, damit diese noch einmal über die Bücher gehe.

Stossend ist für Interpharma, dass das neue Gesetz eine Patentierung von Gen-Sequenzen nur im Zusammenhang mit dem konkreten Verwendungszweck zulässt.

Zeige sich zum Beispiel, dass ein einmal patentierter Stoff sich für eine zweite medizinische Verwendung eigne, geniesse der Inhaber des ersten Patentes keinen Schutz, sagte Cueni.

Ebenfalls nicht einverstanden ist Interpharma mit der Pflicht, bei der Anmeldung eines Patents die genetischen Quellen offen zu legen. Diese zu restriktive Auflage setze falsche Signale, bemängelte der Generalsekretär.

Kein Leben patentieren

Für die Entwicklungs-Organisation Erklärung von Bern (EvB) dagegen ist der Bundesrat mit diesen Bestimmungen “nur den halben Weg gegangen”, wie ihr Vertreter François Meienberg gegenüber swissinfo betont.

Doch sei der Vorschlag der Regierung der berühmte Schritt in die richtige Richtung. Der Gesetzesvorschlag enthalte aber immer noch die Möglichkeit, Leben zu patentieren. “Patente für menschliche Gene, für Gene von Tieren und Pflanzen sind immer noch möglich. Wir finden, das ist keine gute Lösung für die Gesellschaft”, sagt Meienberg.

Der Haupteinwand der EvB gegenüber dem ersten Gesetztes-Entwurf von 2002, kein Leben zu patentieren, sei nicht in die zweite Vorlage aufgenommen worden. Unter die Kategorie “Leben”, so Meienberg, fallen für die EvB auch Gensequenzen. Ingesamt sei der zweite Gesetzesentwurf aber besser als der erste, erklärt Meienberg.

Ethikkommission zufrieden

Die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhuman-Bereich ist weitgehend zufrieden. Der Akt der Patentierung an sich sei weder unethisch noch unmoralisch, stellt Sprecherin Ariane Willemsen klar. Leistungen der Biotechnologie seien schutzwürdig, soweit sie Erfindungen und nicht Entdeckungen seien.

Für Gen-Sequenzen sei der Patentschutz so eng wie möglich zu fassen, forderte Willemsen. Zudem dürften nur Erfindungen, nicht aber blosse Entdeckungen, mit einem Patent honoriert werden. Eine Minderheit der Kommission stelle sich gegen eine Patentierung von Leben.

Vernehmlassung noch bis Ende Oktober

Mit dem neuen Gesetz will der Bundesrat Innovationen aus dem Gebiet der Biotechnologie ausgewogenen Patentschutz geben.

Man habe alle Interessen unter einen Hut gebracht, erklärte Bunderat Christoph Blocher zu Beginn der Vernehmlassung. Der zweite Entwurf sei aber wesentlich weniger wirtschaftsfreundlich als der erste.

Die zweite Vernehmlassung wurde am 7. Juni gestartet und dauert bis Ende Oktober. Bereits in der ersten Anhörung im Jahr 2002 war der Bereich Biotechnologie besonders umstritten.

swissinfo und Agenturen

Der Vorentwurf zur Teilrevision des Patentgesetzes beinhaltet sechs Teilaspekte.

Einer davon betrifft die Biotechnologie.

Der Bereich Biotechnologie ist stark umstritten. Er bildet auch den Schwerpunkt der zweiten Vernehmlassung.

Die Revision der sechs Patent-Gesetzte (Biotechnologie ist eines davon) bedingt, dass die Schweiz drei internationale Verträge unterzeichnet.

Das Gesetzt sieht auch Massnahmen vor, um gegen die Produkte-Piraterie vorzugehen.

Über 500’000 Personen in der Schweiz sagen, dass sie gelegentlich oder regelmässig kiffen.

Es wird geschätzt, dass einer von vier Personen unter 25 Jahren mehrmals pro Woche Cannabis raucht.

Am 14. Juni beschloss der Nationalrat (zum zweiten Mal) auf die Revision des Betäubungsmittel-Gesetzes nicht einzutreten.

Die Behörden schlossen zahlreiche sogenannte Hanfläden.

Es wird befürchtet, dass Kiffer nun vermehrt wieder Cannabis bei Drogenhändlern beziehen und dadurch auch harte Drogen angeboten bekommen.

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