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Basel als Welthauptstadt der zeitgenössischen Kunst

Art Basel erwartet mindestens 50'000 Besucher. MCH Swiss Exhibition (Basel/Zurich) AG

Am Dienstag wird am Rheinknie die Art Basel eröffnet - laut den Organisatoren die "wichtigste Kunstmesse der Welt". Für diese 38. Ausgabe werden mindestens 50'000 Besucher erwartet.

Der Erfolg dieses Kunsttreffens hängt von solchen Superlativen, aber auch vom Zustand des Kunstmarkts ab, der gegenwärtig vom Wachstum der Finanzmärkte gedopt ist.

Mit seinen 300 Kunstgalerien, die 2000 Künstler ausstellen, hat sich die Stadt Basel zum unumgänglichen Messeplatz für jeden an moderner und zeitgenössischer Kunst Interessierten aufgeschwungen: Künstlerinnen und Künstler, Kunsthändler, Kunstliebhaber, reiche Sammler und Sammlerinnen sowie zahlreiche zwar kaufkraftarme, aber junge Interessierte besuchen die Art Basel.

Letztes Jahr landeten für diesen Anlass rund 150 Privatjets mit Sammlern in Basel-Mulhouse. Dieses Jahr könnten es noch mehr sein. Und die Aussteller sprachen vor Jahresfrist vom besten Verkaufsjahr aller Zeiten – die genauen Zahlen bleiben allerdings geheim.

“Das einzige, das sich sagen lässt, ist, dass 99% aller Aussteller jedes Jahr wiederkommen wollen.” Das ist alles, was Art Basel-Sprecher Peter Vetsch gegenüber swissinfo sagen will. “Dies zeigt wohl, dass das Geschäft gut läuft.”

Eine grosse Investition

Die Warteliste der Aussteller ist sehr lang, die Kunst-Jury sehr streng, und ein Stand von 80 Quadratmetern kostet mindestens 50’000 Franken. Der Erfolg der Art Basel macht nur einen Aspekt des weltweiten Enthusiasmus für zeitgenössische Kunst aus.

Die dieser Kunst gewidmeten Museen wachsen wie Pilze aus dem Boden, und weltweit zählt man mindestens 112 Biennalen der zeitgenössischen Kunst, von Dakar über Schanghai bis Havanna.

“Es gibt mehr Kaufkraft”, sagt der Genfer Kunsthändler Simon Studer, “denn die Leute gewinnen Geld an der Börse.” Doch dieser Ansturm sei neu. Noch nie habe es so viele Leute gegeben, die sich für diese Kunst interessieren, und zwar aus allen möglichen Gründen.

Gemäss einer Umfrage der Westschweizer Tageszeitung Le Temps sollen sich über 50,5% aller Schweizer für zeitgenössische Kunst interessieren – das sagt allein schon viel.

Beschleunigte Globalisierung

In einer Epoche, in der die Reichen immer reicher werden und sich auch in den aufstrebenden Ländern grosse Vermögen bilden, wächst der Kunstmarkt exponentiell. Diese Entwicklung spiegelt die beschleunigte Globalisierung eines Marktes, der eine Rekordmarke nach der andern setzt und dessen Umsätze 2006 weltweit auf 30 bis 35 Mrd. Dollar geschätzt werden.

Und es geht weiter in diesem Stil: Im vergangenen Mai setzte Christie’s an einem Abend 384 Mio. Dollar um, mit 71,7 Mio. für einen Andy Warhol und 7,4 Mio. für ein Werk von Damien Hirst, einen rund 40-jährigen Briten, der zurzeit sehr en Vogue ist.

“Doch der Kunstmarkt im so genannten Freihandverkauf wächst noch stärker”, sagt Simon Studer. Als Teilhaber an der Banque Bénédict Hentsch innerhalb der Gruppe GEM in Genf berät er jene Bankkundschaft, die über ein Kunst-Portfeuille verfügt.

Andere Banken integrieren diese Branche in ihre Vermögensberatung, denn die Nachfrage ist gross. Es gibt auch mehr und mehr Investitionsfonds, die die Kunst als Anlageobjekt benutzen. Bereits befürchten einige ein Platzen der Blase, doch im Moment dreht sich die verrückte Spirale noch weiter nach oben.

Gefahr für die Künstler

“Früher nahmen die Auktionen nur Kunstwerke ins Angebot, die mindestens zehn Jahre alt waren”, schreibt der Kunstkritiker der deutschen Wochenzeitung Die Zeit, Hanno Rauterberg. Das habe sich 1998 geändert, als Christie’s ganz frische Kunstwerke aus den Künstlerateliers holte – und dabei sehr erfolgreich war.

Und wo bleiben denn bei all diesem Rummel die Künstler selbst? Studer ist etwas beunruhigt: “Die Kontrolle über den Wert eines Kunstwerks geht verloren, wenn sich sein Preis innerhalb eines Jahres verdoppelt, ohne dass der Künstler selber durch Ausstellungen oder andere Bemühen nennenswert dazu beigetragen hat.”

Das dürfte weniger für bereits etablierte Künstler ein Problem sein als für die jungen: “Diese haben vielleicht noch nicht Rückgrat genug und werden in eine Richtung gestossen, die sie nie eingeschlagen hätten, wäre der finanzielle Erfolg nicht gewesen”, so Rauterberg.

swissinfo, Isabelle Eichenberger
(Übertragung aus dem Französischen: Alexander P. Künzle)

Neben dem normalen Messebetrieb offeriert Art Basel auch Art on Stage (Performance), Art Statement (junge Künstler), Art Unlimited (grossformatige Kunstwerke), und Public Art Projects (Kunst auf öffentlichem Grund im Freien).

Die Kunst-Gespräche (Art Basel Conversations) bringen Kunstexperten aus verschiedenen Domainen zusammen.

Es werden aber auch Publikationen, Filme, Spektakel und Kinder-Workshops angeboten, von den exklusiven Kunst-Parties ganz zu schweigen.

Die Kunstmesse Art 38 Basel findet vom 12. bis 17. Juni in der Messe Basel statt. Sie fasst 300 Galerien, die 2000 Künstler des 20. und 21. Jahrhunderts ausstellen.

Der Eintritt kostet 30 Franken. Über 50’000 Besucher werden erwartet.

Die Messe wurde 1970 von einer Gruppe von Galeristen um Ernst Beyeler gegründet. Seit 2000 bis Ende 2007 wird sie von Samuel Keller geleitet.

Keller wird danach neuer Direktor der Fondation Beyeler und Präsident des Unternehmens Art Kunstmesse AG.

Keller hat 2001 Art Basel Miami Beach in Florida lanciert. Dort werden dieses Jahr vom 6. bis 9. Dezember rund 200 Galerien 1500 Künstler ausstellen.

Die Leitung der Kunstmesse wird ab 1. Januar 2008 einem Dreierteam anvertraut: Cay Sophie Rabinowitz, Annette Schönholzer und Marc Spiegler.

Rabinowitz wird künstlerische Leiterin, Schönholzer verantwortlich für Organisation und Finanzen und Spiegler zuständig für Strategie und Entwicklung.

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