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Jazz Festival Montreux: kleiner aber immer noch fein

Der Prinz empfängt die Fans am 16. Juli zu einer seiner raren Audienzen. Keystone Archive

Das opulente Programm der 40. Ausgabe im letzten Jahr hinterliess in der Kasse seine Spuren. Das diesjährige Festival ist von 48 auf 32 Konzertabende abgespeckt - und praktisch ausverkauft.

Highlights ab diesem Freitag am Genfersee sind Auftritte von Norah Jones, Tori Amos, Placebo, den Beastie Boys und Prince.

In den letzten Jahren ist das Jazz Festival Montreux beinahe ins Monströse gewachsen: Im letzten Jahr, als das “Kind” von Gründer Claude Nobs seinen 40. Geburtstag feierte, betrug das Budget knapp 20 Mio. Franken – Schweizer Rekord.

Seit 2002 konnten aber die Einnahmen mit den galoppierenden Ausgaben nicht mehr mithalten, es klaffte ein immer grösseres Loch in der Festivalkasse.

Nobs hatte die Wahl: programmliches Abspecken oder langsamer Untergang im Strudel der roten Zahlen.

Konzentration

Dem Sparstift zum Opfer fiel die Bühne im Casino: Die Zahl der Konzertabende strich Nobs um mehr als einen Viertel. Als Folge beträgt das diesjährige Budget “nur” noch gut 16 Mio. Franken. Nicht betroffen sind die 280 Gratiskonzerte entlang der Seepromenade.

“Das Festival hat sich immer in Zyklen von drei oder vier Jahren bewegt”, sagt Festivalsprecher Vincent Favrat gegenüber swissinfo. Mit der Devise Komfort (Konzertsäle mit maximal 4000 Plätzen) und Tonqualität hoffen er und Chef Nobs, wieder in die schwarzen Zahlen vorzustossen.

“Damit kehren wir zur traditionellen Formel zurück: Gewinne erzielen, ohne dass das wichtigste, die Kunst, in den Hintergrund rückt.”

“Fremdes” Publikum

Die Kunst steht denn auch zuoberst auf der Menukarte in Montreux. Die Palette reicht von den jazzigen Melodien der jungen Vokalistin Norah Jones, den Beastie Boys als neuen Instrumentalisten über die androgyne Extravaganz Placebos hin zum Urfunk von Sly and the Family Stone.

Weiter auf dem Programm: Die dissonanten Rapper vom Wu-Tang Clan, der Gitarrenvirtuose Jeff Beck, der feine Poet D’Abd Al Malik, Les Rita Mitsouko, der Pianist Brad Mehldau sowie natürlich Prince, dessen Aufwartung die Organisatoren am Eröffnungstag verkünden konnten.

Obwohl Montreux ein Westschweizer Festival ist, sind die Romands im Publikum in der Minderheit. 40% kommen aus der Deutschschweiz, während ein Fünftel aus dem Ausland anreist.

Starker Vorverkauf

Zu Festivalbeginn sind praktisch alle Konzerte ausverkauft. Eine Woche vor dem ersten Ton waren von den 90’000 Eintrittskarten nur noch 10’000 zu haben.

Für Vincent Favrat ist klar, dass die finanzielle Unsicherheit im Bereich der Off-Konzerte zu lokalisieren ist, denn zwei Drittel aller Konzerte am Festival seien gratis, erinnert er.

Taube Ohren

Zum Festival gehören auch Animationen sowie Workshops mit illustren Musikern. Diese sowie die kostenlosen Konzerte sollten von der öffentlichen Hand unterstützt werden, forderte Claude Nobs im letzten Jahr, allerdings ohne Erfolg.

Eine Rolle auf dem Weg des Festivals zurück spielt auch Petrus: Lässt er’s regnen, leidet das Geschäft unter freiem Himmel.

Nobs tat dieses Jahr wirklich alles für den finanziellen Erfolg. Er verabschiedete sich sogar vom “Jazz”, der ungeliebten Festivalwährung, an der er trotz Kritik bisher festgehalten hatte. Kühle Getränke und stärkendes Essen können Besucher jetzt wieder in normalen Franken bezahlen, ohne Schlangestehen am Tausch-Schalter.

swissinfo, Pierre-François Besson
(Übertragung aus dem Französischen: Renat Künzi)

2006: 230’000 Besucher, davon 105’000 Bezahlende
2007: 90’000 Tickets im Vorverkauf
32 Konzerte
280 Gratiskonzerte
1280 freiwillige Helfer

Die 41. Ausgabe des Jazz Festival Montreux findet vom 6. bis 21. Juli statt.

Die beiden Konzertbühnen befinden sich im Kongresszentrum (Auditorium Stravinski und Miles Davis Hall). Die Open-Air-Konzerte sind kostenlos.

Das Festival wurde 1967 von Claude Nobs gegründet. Sein Ruf wurde auch durch zahlreiche legendäre Live-Aufnahmen zementiert.

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