Reisegruppe mit 12’000 Chinesen besucht die Schweiz
Sogar das Unternehmen selbst hat nicht damit gerechnet, dass sich so viele Chinesinnen und Chinesen für die Incentive-Reise qualifizieren.
Urs Flüeler/Keystone
Ein Arbeitgeber hat 12'000 chinesischen Angestellten eine Reise in die Schweiz geschenkt. Die erste Gruppe ist eingetroffen.
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Ich schreibe über die sich rasch entwickelnde Technologie der künstlichen Intelligenz und ihre möglichen Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Ursprünglich komme ich aus England und hatte einige Zeit bei der BBC in London gearbeitet, bevor ich für meinen Job bei SWI swissinfo.ch in die Schweiz zog.
Von den Beziehungen zwischen China und Taiwan (politische und wirtschaftliche Beziehungen zwischen China und Taiwan), der Rivalität zwischen den USA und China, den chinesisch-schweizerischen Beziehungen, China und seinen politischen Strukturen bis hin zur anpassungsfähigen Entwicklung und technologischen Innovation berichte ich über auswärtige Angelegenheiten und ihre möglichen Auswirkungen auf die schweizerisch-chinesische Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Als ehemalige Journalistin in Peking interessiere ich mich für China und seine politischen Strukturen, adaptive Entwicklung und technologische Innovation. Ich habe in China und in der Schweiz Journalismus und Kommunikation studiert. Seit ich 2015 zu SWI swissinfo.ch gestossen bin, habe ich ein starkes Interesse an internationalen Angelegenheiten entwickelt, mit einem Fokus auf Chinas Beziehungen zu anderen Ländern/Blöcken und wo die Schweiz steht.
Die Schweizer Tourismusbehörden ziehen alle Register für eine Reise, die von Jeunesse Global, einem amerikanischen Vertriebsunternehmen für Gesundheits- und Schönheitsprodukte, gesponsert wurde.
Angestellte, welche die Verkaufsziele des Unternehmens für seine Produkte in China übertrafen, wurden mit einer Tour zu den legendären Sehenswürdigkeiten in der Schweiz belohnt: Vom Rheinfall, Europas grösstem Wasserfall, zum Titlisberg bis zu Shopping in den Städten Luzern, Basel und Zürich.
Die Gruppe ist so gross, dass sie in drei separate Gruppen von je 4000 Touristen aufgeteilt werden musste, um bis Ende Mai alle durch die Sechstagestour zu bringen. Dennoch haben sich die Luzerner Tourismusfachleute mit der Polizei und den lokalen Behörden abgestimmt, um mit diesen hohen Menschenzahlen fertig zu werden, unter anderem mit Massnahmen zur Steuerung der Verkehrsströme durch die Stadt.
Die schieren Zahlen schienen sogar die Vertriebsgesellschaft zu überraschen. Laut NZZ am Sonntag hatte das in Florida ansässige Unternehmen lediglich damit gerechnet, dass rund 3000 seiner Produktverkäufer die Ziele für die Schweizer Reise erreichen würden. Jeunesse hat nicht auf schriftliche Anfragen von swissinfo.ch geantwortet. Es ist daher unklar, warum die Firma die Schweiz als Standort für diese Reise gewählt hat und wie hoch die Rechnung sein wird.
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In der Regel bestehen diese sogenannten «Meetings, Incentives, Conferencing, Marketing» (MICE) Gruppen aus etwa 25 bis 80 Personen. Nur gelegentlich werden Gruppen grösser. 2011 beispielsweise erhielten 3500 Händler von Amway India eine Tour durch die Schweiz geschenkt. Es besteht kein Zweifel, dass Incentive-Reisen für die Schweiz ein grosses Geschäft sind.
Im Jahr 2015 spülten solche Reisen 1,8 Milliarden Franken in die Schweizer Wirtschaft, wobei dies gegenüber 2011 einen Rückgang um 18% bedeutete. Mit 6,3 Mio. Übernachtungen im Jahr 2015 machte die MICE-Branche 17,7% der Übernachtungen in der Schweizer Hotellerie aus (2011: 19%).
Die China-Reise ist ein riesiger Marketing-Coup für die Schweizer Tourismusbranche. Laut Medienberichten werden zusätzliche Einnahmen für die besuchten Gebiete in der Höhe von rund 14 Millionen Franken erwartet.
Umstrittenes Unternehmen
In China wird das Ereignis vielleicht nicht ganz so begeistert gefeiert. Die Jeunesse-Verkäufer sind selbständig bei einem Unternehmen tätig, das ein sogenanntes Multi-Level-Marketing-(MLM)-Modell betreibt. Jeder Verkäufer muss zuerst in die Produkte des Unternehmens investieren, bevor er mit dem Verkauf beginnen kann. Sie werden dann ermutigt, andere Personen für das Vertriebsnetz zu rekrutieren. Je erfolgreicher sie dabei sind, desto mehr Geld können sie verdienen.
Solche Systeme sind in China beliebt, haben aber auch zu Kontroversen geführt. Ein Protest in Peking im Jahr 2017 gegen einen lokalen Betreiber veranlasste die Behörden, gegen viele dieser Modelle vorzugehen – insbesondere durch das Verbot von Scheinunternehmen.
Im Jahr zuvor hatte die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua News das Unternehmen Jeunesse als MLM-Schema identifiziert, ohne aber dem Unternehmen betrügerisches Handeln vorzuwerfen.
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(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)
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