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Der Sport-Chef der Schweiz geht

Heinz Keller, abtretender Direktor des Bundesamtes für Sport. Keystone

Heinz Keller, der während fast 20 Jahren die Entwicklung des Schweizer Sports zur Aufgabe hatte, gibt sein Amt ab.

Im Gespräch mit swissinfo fordert der langjährige Direktor des Bundesamtes für Sport eine stärkere Zentralisierung und verrät, wie er die Olympischen Winterspiele in die Schweiz bringen will.

Heinz Keller hatte 1985 die Führung der Eidgenössischen Sportschule in Magglingen übernommen und wurde 1999 zum Direktor des neugeschaffenen Bundesamtes für Sport ernannt.

Er ist am 1. April zurückgetreten. Sein Nachfolger heisst Mathias Remund.

swissinfo: Die Schweiz gewann in Athen nur etwa halb so viele Medaillen wie vier Jahre zuvor in Sydney. Und vor kurzem sind die Schweizer Skifahrer von den Alpinen Weltmeisterschaften ohne eine einzige Medaille heimgekehrt. Ist der Schweizer Spitzensport am Ende?

Heinz Keller: Ich glaube nicht. Es gibt doch eine ganze Reihe von Sportarten, in denen die Schweiz nicht so schlecht abschneidet. Ich denke da etwa an Fechten, Eiskunstlaufen, Snowboarding, Segeln, Orientierungslaufen und Beach Volleyball.

Die jungen Leute in der Schweiz sind neugierig und lernen neue Sportarten schnell. Doch das heisst, sie kehren den traditionellen Sportarten den Rücken, und das wird für die Leichtathletik, das Skifahren und in geringerem Mass für den Fussball zum Problem.

swissinfo: Der Cheftrainer des Schweizerischen Olympia-Teams 2006 sagte kürzlich, er würde es begrüssen, wenn der Spitzensport vermehrt auf nationaler Ebene konzentriert würde. Was denken sie dazu?

H.K.: Wir haben 26 Kantone und 26 Schulsysteme. Unter diesen Umständen ist es sehr schwierig, nationale Trainingszentren aufzubauen. Die Schweiz muss mit dieser Tradition brechen. Wir brauchen mindestens zwei oder drei nationale Sportzentren, wo unsere zukünftigen Spitzensportler trainieren können.

Wir diskutieren dies seit einiger Zeit, und das Resultat dieser Diskussionen könnten zwei oder drei nationale Trainingszentren sein, wo wir Wintersportarten, Leichtathletik und andere Sportarten zusammenziehen.

swissinfo: Spitzensportler in der reichen Schweiz sind gegenüber ihren Konkurrenten in anderen Ländern finanziell bedeutend schlechter gestellt. Ihr Budget wurde gekürzt. Wie viel ist den Schweizern sportlicher Erfolg wert?

H.K.: Der Bund gibt jedes Jahr 130 Mio. Franken für den Sport aus, 20% davon kommen den Spitzensportlern zu gute. Der politische Wind scheint nun doch zu drehen, und das Parlament hat die Bereitschaft erkennen lassen, einen grösseren Anteil dieser Summe auf den Spitzensport zu verwenden.

Ich denke, sportliche Erfolge werden für die Schweiz immer wichtiger. Das trifft im übrigen für ganz Europa zu. Alle Länder investieren mehr in den Sport. Und die Schweiz ist, wie so oft, ein bisschen hintendrein.

swissinfo: In jüngster Vergangenheit haben sowohl Bern wie Zürich eine Kandidatur für Olympische Winterspiele abgelehnt. Schadet das dem Bild der Schweiz, die doch immerhin die Wiege des Wintersports ist?

H.K.: Sicher, das ist ein Problem. Doch beide dieser Kandidaturen stützten sich nur auf eine Stadt oder eine Region. Die Schweiz ist ein kleines Land, und wenn wir die Olympischen Winterspiele je wieder zu uns holen wollen, dann muss das Land als ganzes kandidieren. In diesem Sinn diskutieren wir gegenwärtig mit geeigneten Partnern die Möglichkeit einer gesamtschweizerischen Kandidatur für 2018 oder 2022.

swissinfo: Das Rowdytum hat auch in der Schweiz in den letzten Jahren zugenommen, doch die Regierung beschäftigt sich erst jetzt mit einer Verschärfung der Gesetzgebung. Warum diese Verzögerung?

H.K.: Erst 2001, anlässlich der Zwischenfälle nach Eishockey-Spielen zwischen Lugano und den Zürcher Lions, wurde uns bewusst, dass auch wir auf lokaler Ebene ein Problem haben. Unsere Reaktion darauf war eine zweifache.

Unser Sportminister beauftragte umgehend die Schweizerische Olympische Vereinigung, alle nationalen Verbände zum Ergreifen neuer Massnahmen gegen Gewalt im Sport aufzufordern. Diese Arbeit ist jetzt abgeschlossen. Unsere Gesetzgebung wird auch für die Euro 2008 angepasst, damit wir die nötigen Instrumente in der Hand haben, um gegen Unruhestifter vorzugehen. Die Schweiz wird gewappnet sein.

swissinfo: Sie waren nun während 20 Jahren für die Entwicklung des Sports in der Schweiz zuständig. Welches waren ihre grössten Erfolge?

H.K.: Die Sportpolitik hat sich in dieser Zeit grundlegend verändert. Heute steht die Entwicklung junger Talente zu Spitzensportlern im Vordergrund. Wir haben uns aber auch an die Gesamtbevölkerung gewandt und den Sport als Aktivbetätigung für alle propagiert.

Ein weiteres Projekt der letzten 20 Jahre war der Bau neuer Sportanlagen im ganzen Land. Der Bund stellte rund 80 Mio. Franken zur Verfügung, und damit haben wir Investitionskapital in der Höhe von 700 Mio. Franken zum Bau neuer Stadien angezogen – so das neue Wankdorf in Bern, der St. Jakobspark in Basel und das Stade de Genève.

Wir haben 1998 auch das Sportgymnasium Magglingen eingerichtet, das für die Zukunft der Sporterziehung in unseren Schulen von grosser Wichtigkeit ist.

swissinfo: Und die grössten Misserfolge?

H.K.: Die Kantone sind gesetzlich verpflichtet, darüber zu wachen, dass alle Schülerinnen und Schüler pro Woche drei Stunden Sport treiben. Doch nicht alle Kantone halten sich an dieses Gesetz, und das ist nicht gut.

swissinfo: 2005 ist das UNO-Jahr des Sports. Kann denn Sport für die Förderung von Frieden und Entwicklung wirklich eine Rolle spielen? Es ist jedenfalls nicht offensichtlich, wie ein Fussballspiel hungernde Kind ernähren soll.

H.K.: In einem Entwicklungsland, wo es an Arbeitsplätzen fehlt, genügt es sicher nicht, mit den Jungen einfach Fussball zu spielen. Doch der Sport hat das Potential, junge Leute zu gemeinsamer Arbeit und gemeinsamem Spiel zusammen zu bringen. Damit bringt er eine gewisse Struktur in ihr Leben.

swissinfo-Interview: Adam Beaumont
(Übertragung aus dem Englischen: Dieter Kuhn)

Der vergangene Winter hat dem Sportpublikum in der Schweiz sehr unterschiedliche Resultate beschert. Unerwartete Höhenflüge und peinliche Abstürze der Schweizer Sportstars hielten sich dabei etwa die Waage.

So liess der unerwartete Weltmeistertitel von Stéphan Lambiel im Eiskunstlaufen das katastrophale Abschneiden der alpinen Skifahrer an den Weltmeisterschaften zumindest teilweise vergessen.

Die Ehre des Landes auf den Pisten retteten die Snowboarder mit überzeugenden Siegen im Parallelslalom der Frauen und Männer.

1985: Heinz Keller wird zum Direktor der Eidgenössischen Sportschule in Magglingen ernannt.
1999: Keller zieht als Direktor ins neugeschaffene Bundesamt für Sport.
2005: Keller tritt zurück; sein Nachfolger ist Matthias Remund.

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