
Eine Spritze gegen die Nikotinsucht

Viele Raucher wollen ihrer Sucht entsagen. Ein Schweizer Biotechnologie-Unternehmen hat nun einen Impfstoff entwickelt, der die Nikotinsucht bremst.
Ein klinischer Grossversuch mit dem Impfstoff hat gute Ergebnisse gebracht. Zum Aufhören reicht Medizin allein allerdings nicht aus.
Jede zweite Person in der Schweiz raucht oder hat geraucht. Viele haben versucht, aufzuhören. Doch nur wenigen ist es gelungen. Gemäss einer Umfrage des Bundesamtes für Gesundheit schaffen es nur 19% der starken Raucher, das Qualmen definitiv einzustellen.
Traditionelle Entwöhnungs-Methoden wie Kaugummi, Pflaster oder Nasenspray weisen eine geringe Erfolgsquote auf (15 bis 20%). Das Nikotin-Laster erweist sich als sehr hartnäckig.
Ein junges Schweizer Unternehmen in Schlieren (Kanton Zürich), Cytos Biotechnology, hat nun ein neues Mittel erfunden, um dem Nikotin zu Leibe zu rücken. Es handelt sich um einen Impfstoff, dessen Anwendung ermutigende Resultate zeigt.
Sechs Monate ohne Rauchen
«Wir sind mit den Ergebnissen sehr zufrieden», betont Wolfgang Renner, Direktor von Cytos Biotechnology. Das Unternehmen wurde 1995 von Personen gegründet, die zuvor an der ETH Zürich tätig waren.
Die ersten klinischen Tests ergaben, dass 40% der Raucher, denen der Impfstoff injiziert wurde, über 24 Wochen lang nicht zur Zigarette griffen. Die Ergebnisse wurden kürzlich an einem Internationalen Kongress von Onkologen in Orlando (Florida) vorgestellt.
Die beiden Ärzte Jacques Cornuz und Karl Klinger, welche die klinische Versuchsphase an 341 Freiwilligen am Universitätsspital Lausanne und am Kantonsspital St. Gallen begleiteten, betonen aber, dass es sich um eine vorläufige Auswertung handle. Ihrer Meinung nach sind weitere Studien nötig, um die langfristige Wirkung des Anti-Nikotin-Impfstoffs NicQb nachzuweisen.
Zwar wurde allgemein die Wirksamkeit des Impfstoffs aufgezeigt, doch die Effizienz hängt schlussendlich davon ab, wie stark das Immunsystem im einzelnen Fall auf den Stoff reagiert.
Unter den Probanden, bei denen sehr viele Antikörper gegen Nikotin entstanden (zirka ein Drittel), konnten 57% während sechs Monaten eine Abstinenz vom Glimmstängel durchhalten.
Bei einem geringeren Grad erzeugter Antiköper fiel der Anteil auf 32%. Nicht unerheblich ist zudem, dass 31% der Raucher auch bei Verabreichung eines Placebo nicht mehr zur Zigarette griffen.
Nikotinlust wird abgetötet
Geimpft wird gegen Nikotin. Aber der Suchtstoff allein löst noch keine Antikörperbildung aus. Der Trick: Ein Virus-Eiweiss namens Qbeta, das in vielen, sich wiederholenden Einheiten eine Kugel formt.
Der Eiweissball wird mit Nikotinmolekülen gespickt. Dieses Konstrukt löst bei allen Geimpften eine Immunität gegen Nikotin aus – wenn auch in unterschiedlichem Masse.
«Wenn das Nikotin blockiert wird, bevor es das Hirn erreicht, werden keine Lust empfindenden Stoffe aktiviert. Und so entsteht ein Gefühl, als ob man Stroh rauchen würde», sagt Jacques Cornuz.
Impfen allein reicht nicht
Für den Leiter der Abteilung für Suchtfragen im Gesundheitsdepartement des Kantons Freiburg, Claude Uehlinger, kann eine Impfung zwar nützlich sein. Gleichwohl unterstreicht er, «dass die Auslöschung der abhängigkeits-verursachenden Substanz alleine noch nicht ausreicht.»
Für eine langfristige Verhaltensänderung ist seiner Meinung nach psychologischer Beistand nötig. Diese Auffassung teilt Jacques Cornuz. Deshalb gab es auch während der klinischen Testphase eine begleitende Beratung für die Versuchspersonen.
Zuerst mehr rauchen
Die Impfmethode findet nicht nur Applaus. Für den Sportmediziner und Internisten Vincenzo Liguori könnte die Impfung sogar zum gegenteiligen Effekt führen. «Anfänglich wird man eher mehr rauchen, um das entzogene Nikotin zu kompensieren», sagt Liguori gegenüber swissinfo. Seiner Meinung nach sollten auch die Nebeneffekte nicht unterschätzt werden.
Cytos Biotechnology räumt diese Bedenken aus dem Weg. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, dass abgesehen von kleinen Irritationen an der Einstichstelle kaum Nebeneffekte aufgetreten seien.
Kampf gegen Abhängigkeiten
Cytos entwickelt den Impfstoff zusammen mit der englischen Firma Xenova und der US-Firma Nabi Pharmaceuticals. Im Jahr 2010 soll das Produkt auf den Markt kommen.
«Es gibt weltweit 1,3 Milliarden Raucher. Ich bin überzeugt, dass die Impfung ein enormes Potential hat, um in Zukunft die Abhängigkeit vom Nikotin zu bekämpfen», sagt Cornuz.
Der Impfstoff kann nur therapeutisch angewendet werden. Eine präventive Injektion, um junge Menschen davon abzuhalten, überhaupt mit dem Rauchen zu beginnen, gibt es nicht.
swissinfo, Luigi Jorio
(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)
Gemäss der Weltgesundheits-Organisation (WHO) gibt es weltweit 1,3 Mrd. Raucher.
Der Tod von 5 Mio. Menschen jährlich soll auf das Rauchen zurückzuführen sein.
In der Schweiz rauchen 1,75 Mio. Menschen zwischen 15 und 74 Jahren (33% der Bevölkerung).
8000 Schweizer Bürger sterben jährlich als Folge von Nikotinabhängigkeit.
Um von der Nikotinsucht loszukommen, braucht es nach Ansicht der Ärzte viel guten Willen.
Diverse Pharmaka können helfen, sich von der Nikotin-Abhängigkeit zu befreien, zum Beispiel spezielle Pflaster und Kaugummis.
Auch Nasensprays helfen, den Mangel an Nikotin-Zufuhr zu kompensieren.
In der Schweiz ist ein neuer Impfstoff entwickelt worden, der die Nikotinsucht bremsen hilft. Die ersten Ergebnisse von klinischen Versuchen sind ermutigend.

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