Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Erst Riesenstimmung, dann Katzenjammer

Ein trockener, lauer Sommerabend in der Swiss Beach in Wien und ein regen- und schicksalsreiches Spiel in Basel. Alex Wydler

In der Swiss Beach in Wien fieberte man im Match gegen die Türkei einem eidgenössischen Sieg entgegen. Die Stimmung nach dem Schweizer EM–Aus? "Jetzt helfen wir den Österreichern!", tönt es aus der Schweizer Fanzone in Wien.

Ein Gewitterregen, wie jener, gegen den die Schweizer Mannschaft in der ersten Halbzeit mutig ankämpfte, war in Wien schon am Nachmittag niedergegangen. Zu Matchbeginn war in der Fanzone Swiss Beach am Donaukanal ein herrlicher, lauer Sommerabend.

An die 1000 in Wien lebende Schweizer, Schweizer Gäste, aber auch viele Deutsche, Polen und Österreicher hatten sich in der einladenden Herrmann Bar eingefunden, um die Eidgenossen bis zum Schluss anzufeuern.

Während es in der Innenstadt zu einigen Rangeleien zwischen Fangruppen gekommen war, konnte man sich in der Swiss Beach rundum geschützt und bestens bewacht von zahlreichen Sicherheitskräften ungestört dem Fussballgeschehen widmen.

Bei Bier und Würstl in sandiger Strandatmosphäre hatte man es weit gemütlicher als im Basler Stadion bei Wolkenbruch. Umso mehr lebte und litt man mit der Schweizer Nationalelf mit und begeisterte sich am Kampfgeist und Einsatz der Männer im Basler Wassermatch der ersten Halbzeit.

Aus der Pfütze zum 1:0

Die Stimmung war im Himmel, als der Ball nach einem Pass von Eren Derdiyok in einer Wasserpfütze genau vor den Füssen des Schweizer Stürmers Hakan Yakin abgebremst wurde und durch ihn gleich darauf im Tor der Türken zum 1:0 für die Schweiz landete.

Yakin und Derdiyok verzichteten als zwei türkischstämmige Schweizer aus Respekt vor der türkischen Mannschaft auf Torjubel. Die Schweiz war im Fahrwasser des Basler Rasens auf Siegeskurs.

In den Augen der Schweizer Fans leuchteten gestärktes Selbstvertrauen und berechtigte Hoffnung. “Wir waren extrem glücklich in der Hälfte und haben gedacht, das ist es jetzt”, beschreibt eine Schweizerin ihre Gefühle vor der Pause.

Vom Regen in die Traufe

Superstimmung in der Swiss Beach zu Beginn der zweiten Halbzeit. Dann der Schock: Mit dem Ausgleich der Türken in der 57. Minute durch Sentürk Semih kippte die Stimmung. Es wurde still, man konnte die Spannung knistern hören. Heftige Reaktionen bei den Torchancen der Schweizer.

Man sah auf dem Grossbildschirm, dass auch die Unterstützung der Schweizer Fans im Basler Stadion nachgelassen und sich in abwartende Besorgnis gewandelt hatte. “Das ist typisch Schweizerisch”, meinte ein Schweizer Fan in Wien. “Wenn wir sehen, dass wir nicht gewinnen, werfen wir gleich den Enthusiasmus weg.”

Spannung und Hoffnung bis zur vorletzten Minute

Man hatte sich schon mit einem Ausgleich abgefunden, als Turan Arda in der 93. Minute – genau eine Minute vor Schlusspfiff – den Siegestreffer für die türkische Mannschaft landete und die Schweizer EM-Hoffnungen zunichte machte.

Nach dem schmerzhaften Aus für die Schweiz resümierte man in der Schweizer Fanzone niedergeschlagen aber trotzdem positiv: “Wir haben ein temporeiches, spannendes Spiel gesehen, das kampfbetont aber bis zuletzt fair geblieben ist.”

“So fest an den Sieg geglaubt”

“Wir haben gut gespielt und hätten den Sieg verdient”, meinte Barbara Schedler, Kultur- und Pressesprecherin der Schweizer Botschaft in der VIP–Lounge der Swiss Beach. Der zur Feier bereitgestellte Champagner blieb im Kühlschrank.

“Aber wir Schweizer wissen auch, dass wir eigentlich keine Fussballnation sind. Wir haben eine gute Mannschaft, aber wir sind nicht Brasilien.” Als “sehr unglücklich und grossen Katzenjammer” beschrieb sie die Stimmung nach dem Match in der Schweizer Fanzone.

Gut und mit Herz gespielt

“Die Schweizer haben wieder gut und mit Herz gespielt! Wir haben uns gut verkauft und hätten ein bisschen mehr Glück gebraucht!” war die einhellige Meinung in der Schweizer Fanzone über Köbi Kuhns Mannschaft.

“Wir werden die EM weiter verfolgen”, hiess es. Und auch trockener Humor aus Schweizer Mund fehlte nicht: “Das ist das Gute. Als Schweizer Fussballfan ist man gewohnt, dass unsere ‘Nati’ eher früher ausscheidet als später, und wir haben kein Problem, auf ein anderes Team umzusteigen, wenn es darauf ankommt.”

Nun blickt man nach vorne: “Es gibt jetzt nur noch eines: Österreich muss gewinnen! Wir freuen uns auf das Spiel der Österreicher und halten zu ihnen!”

Ein Schweizer Fan fasste es auf Rätoromanisch in eigene Worte: “No giavuschain als austriacs bler success!” (Wir wünschen den Österreichern viel Erfolg!)

swissinfo, Karin Wolfsbauer, Wien

Vom 1. Mai – 29. Juni wird die beliebte Herrmann Strandbar am Donaukanalufer zur Swiss Beach, der Schweizer Fanzone in Wien, und bietet Platz für 2000 Personen.

In gemütlicher Strandatmosphäre mit echtem feinem Sand kann man auf einem riesigen Bildschirm die EM-Spiele verfolgen und gleichzeitig anregenden interkulturellen und kulinarischen Austausch halten.

Ein vielseitiges Veranstaltungsprogramm mit Kultur und Konzerten bereichert die Schweizer Fanzone.

Lage und Erreichbarkeit: neben der Urania, U 1 und U 4 Schwedenplatz. Ein überdimensionales Schweizerkreuz aus 5 roten Eisenbahncontainern steht als Wahrzeichen gegenüber der Swiss Beach.

Vom 7. – 29. Juni 2008 ist die Swiss Beach täglich von 12 Uhr bis Mitternacht geöffnet.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft