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«Mit Sohn Ibrahim nur Schweizerdeutsch gesprochen»

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Die Sprache widerspiegle die Seele einer Kultur, meint die Schweizer Kindergärtnerin und Homöopathin Christina Abla, die seit gut einem Vierteljahrhundert in Ägypten lebt und perfekt Arabisch spricht. Die Anfänge in der neuen Heimat waren nicht nur leicht.

Christina Abla grüsst ihre ägyptischen Nachbarn mit einem freundlichen «Salamu Aleikum» und geht auf dem schmalen Lehmweg voraus zu ihrem Haus. Im Garten stehen hohe Eukalyptusbäume und ein Bengalischer Feigenbaum mit Luftwurzeln, durch die der Baum Nährstoffe und Feuchtigkeit aufnimmt.

Vor rund zehn Jahren hat sich Christina Abla zusammen mit ihrem Mann Mohammed und den Kindern Ibrahim und Nora auf einer kleinen, landwirtschaftlich genutzten Insel im Nil niedergelassen, weg vom hektischen und lärmigen Stadtzentrum Kairos.

Grosser Schritt in eine fremde Welt

Christina Abla ist in ihrem Leben schon mehrmals umgezogen, aber der erste Umzug war ein grosser Schritt – in eine fremde Welt. «Ich war gerade 23 und unterrichtete textiles Werken in einem Heim für behinderte Mädchen in Zürich. Da traf ich auf dem Weg in die Ferien nach Deutschland im Zug Mohammed – eine schicksalhafte Begegnung», erinnert sich die heute 52-Jährige.

Der ägyptische Maler war mit einem Stipendium des spanischen Kulturinstituts nach Europa gekommen. Sie lebten die ersten Jahre in der Schweiz, heirateten, dann folgte die Schweizerin ihrem Mann nach Ägypten, das ihr durch wiederholte Besuche vertraut geworden war.

«Die erste Zeit war nicht nur leicht», erinnert sich Christina Abla: «Ich kam als verwöhnte und berufstätige Schweizerin, die von Haushalt keine Ahnung hatte, in ein ägyptisches Dorf und musste mich vorerst ohne Strom und fliessendes Wasser durchschlagen. Wir hatten eine Petrollampe und zehn Meter vom Haus entfernt eine Wasserpumpe. Doch weil ich damals jung und beweglich war, passte ich mich an und lebte mich hier ein.»

Als Einzelkind in die Grossfamilie

Die als Einzelkind in Zürich aufgewachsene Frau erhielt mit den Eltern und zahlreichen Geschwistern ihres Mannes plötzlich eine Grossfamilie, in der sie sich aufgehoben fühlte. An die getrennten Lebenswelten von Männern und Frauen in der ägyptischen Gesellschaft musste sie sich allerdings erst gewöhnen.

Schnell lernte sie Arabisch. Dennoch fiel sie als Ausländerin auf: «Wenn ich aus dem Haus trat, rannten mir zwanzig Kinder nach, schauten mich an und imitierten mich, aus Neugier an der Fremden.»

Anfangs trug sie ein Kopftuch, teils als Sonnenschutz, teils, um sich den lokalen Sitten anzupassen und weniger aufzufallen. Aber es behagte ihr nicht. «Als ich innerlich stärker wurde, hatte ich es nicht mehr nötig, mich äusserlich anzupassen», sagt sie.

Sprache widerspiegelt Seele einer Kultur

Ihre erste Arbeitsstelle in Ägypten fand sie als Bibliothekarin in einer reichen Privatschule. Als wenig später Ibrahim geboren wurde, gab sie die Stelle auf, um sich ganz ihrem Kind widmen zu können. Sie sprach ausschliesslich Schweizerdeutsch mit Ibrahim, ihr Mann Arabisch. «Wir wollten dies so. Eine Sprache widerspiegelt die Seele einer Kultur, deshalb fanden wir es wichtig, mit unseren Kindern je unsere eigene Sprache zu sprechen», sagt Christina Abla.

Ihre Tochter Nora brachte sie mit drei Jahren in den Kindergarten des Schweizerclubs und fing gleichzeitig an, dort als Kindergärtnerin zu arbeiten. Dies tut sie immer noch, während Nora inzwischen 16 ist und bereits überlegt, was sie studieren will.

Gleiches mit Gleichem heilen

Christina Abla, die sich von jeher als naturverbunden und dem Praktischen zugeneigt sieht, kam vor zehn Jahren zum ersten Mal mit Homöopathie in Berührung, als Homöopathen aus England nach Kairo kamen und Kurse gaben.

Sie war fasziniert, studierte die alternativmedizinische Heilmethode während drei Jahren und bietet ihre Fähigkeiten und Kenntnisse nun selbst an. «Bei der Homöopathie geht es darum, Gleiches mit Gleichem zu heilen, also Verbrennungen mit etwas Heissen.

Das ist ein altes Prinzip der Medizin, das schon im alten Ägypten angewendet wurde. Heute ist es aber auch hier von der Schulmedizin weitgehend verdrängt worden», sagt Abla.

«Die Heimat bei sich selbst finden, …»

Früher reiste sie mit ihren Kindern einmal pro Jahr in die Schweiz, in der letzten Zeit öfter, weil ihr Vater krank wurde. Seit er in diesem Frühjahr gestorben ist, hat sie das Gefühl, dort kein Zuhause mehr zu haben. Aber sie weiss: «Das Leben ist etwas Dynamisches. Wenn man von seiner ursprünglichen Heimat entfernt lebt, muss man die Heimat bei sich selbst finden und sich ausbalancieren, wo immer man auch ist.»

Während ihr Mann und die Kinder Doppelbürger sind, hat die Schweizerin die ägyptische Nationalität nie angenommen, weil es nicht nötig war und kompliziert gewesen wäre. Sie engagiert sich beruflich und gesellschaftlich im Schweizer Club, doch als Patriotin sieht sie sich nicht. «Es ist ein Stück Schweizer Geschichte, dass viele meiner Landsleute reisen und im Ausland leben.»

Sie erlebt die Schweizer in Ägypten nicht als unbeweglich – im Gegenteil. «Sie lernen leichter Fremdsprachen als andere Europäer. Schweizer sind es gewöhnt, dass man nicht weit reisen muss, um eine andere Sprache zu hören.» Christina Abla ist trotzdem weit gereist.

Susanne Schanda, Kairo

Ägypten hat 80 Mio. Einwohnerinnen und Einwohner.

Rund 18 Mio. leben in der Hauptstadt Kairo.

Insgesamt 676’176 Schweizer Staatsangehörige lebten Ende 2008 im Ausland. Das sind 8069 mehr als im Vorjahr.

1435 Schweizerinnen und Schweizer wurden in Ägypten registriert, 67 mehr als im Vorjahr.

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