
Nach den Unternehmen die Familien

Die Rede ist von "Warnschüssen vor den Bug des Finanzministers". Gemeint ist das hauchdünne Ja zur Unternehmenssteuer-Reform. Nun sei es an der Zeit, die Familien zu entlasten, folgert die Schweizer Presse.
Das deutliche Nein zur Kampfjetlärm-Initiative ist für die Zeitungen ein «Absturz» des Volksbegehrens. Trotzdem müsse das Militär die Anliegen der betroffenen Bevölkerung ernst nehmen.
Für Finanzminister Hans-Rudolf Merz sei das knappe Resultat möglicherweise das «schlimmste Szenario», stellt der Genfer «Le Temps» fest.
Das deshalb, weil es den Spielraum für eine generelle Senkung der Unternehmenssteuern einschränke. Mit einer solchen «Wunderlösung» habe Merz der EU im Steuerstreit entgegenkommen wollen. Am Sonntagabend habe er zwar gelächelt, aber es ein «erzwungenes» Lachen gewesen.
Auch für den Berner «Bund» bremst der knappe Ausgang die bereits geplante neue Unternehmenssteuerreform. «Selbst die bürgerlichen Parteien erachten diese nicht mehr als dringend.» Das sei innenpolitisch zwar vernünftig, mache aber «die Lage der Schweiz im Steuerstreit mit der EU noch verzwickter».
Einen möglichen Ausweg sieht der «Bund» darin, die Steuern nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Familien zu senken und so Mehrheiten zu finden.
«Und jetzt die Kinder!», titelt der Zürcher «Tages-Anzeiger». Der knappe Ausgang habe die Grenzen für weitere Steuersenkungen aufgezeigt. «Von solchen Reduktionen, so lautet die Botschaft, sollen in Zukunft nicht nur Minderheiten profitieren, sondern breite Kreise.»
Nebeneffekt Superreiche
Die «Aargauer Zeitung» ortet einen wichtigen Grund für das knappe Resultat in der Bankenkrise. «Viele Stimmbürger gewichteten dadurch den problematischen Nebeneffekt, dass von der Vorlage auch einige Superreiche profitieren, höher als die Vorteile, welche die Reform den kleinen und mittleren Unternehmen bringt.»
Das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft sei «strapaziert», deshalb sei es jetzt wichtig, dass «die Unternehmen ihre abgegebenen Versprechen halten und auch in den kommenden, vermutlich härteren Zeiten volkswirtschaftliche Verantwortung wahrnehmen werden».
Mit völlig unterschiedlicher Motivation hätten sich die Stimmen des Nein-Lagers bis fast zum Patt kumuliert, schreibt die «Neue Zürcher Zeitung». Die Vorlage sei von «ausserordentlicher Komplexität» und deshalb schwer vermittelbar gewesen.
Vertrauen angeritzt
Die letztlich allen zugute kommende Dynamik sei nicht abgewürgt worden. «Der Immobilismus der Linken, der Mal für Mal ausblendet, dass ein günstiges Steuerklima am Ende zu höheren Fiskaleinnahmen führt, ist wiederum unterlegen», so die «NZZ».
Die «Südostschweiz» hingegen glaubt, die Sozialdemokraten hätten mit diesem Referendum beim Volk einen Nerv getroffen, der «sehr sensibel» reagiere. Vor dem Hintergrund der Negativmeldungen erstaune es geradezu, «dass doch noch eine knappe Mehrheit der Schweizerinnen und Schweiz ein gewisses Vertrauen in die Unternehmerschaft besitzt».
Schonzeiten für Tourismus
Einig sind sich die Kommentatoren darüber, dass die Kampjetlärm-Initiative eine Bruchlandung gemacht hat. «Webers Initiative ist abgestürzt», schriebt die «Berner Zeitung». Trotzdem habe das Begehren den Finger auf einen wunden Punkt gelegt. «Die betroffenen Dörfer und Städte leiden oft unter der Lärmbelastung.»
Das spiegle sich auch im Abstimmungsverhalten in diesen deutlich wider. «Jetzt liegt es an Bundesrat Samuel Schmid und seinen Mannen und Frauen im Verteidigungsdepartement, die im Vorfeld zugesicherte Gesprächsbereitschaft auch wirklich in die Tat umzusetzen.»
Für den «Bund» führt das Ja in diesen Gemeinden dazu, dass das Departement in Zukunft zu Zugeständnissen gezwungen sein wird, «etwa in Form von Schonzeiten in den touristischen Hochsaison».
Ansehen unter Druck
Auch der «Tages-Anzeiger» fordert von der Luftwaffe, stärker als bisher auf die Anliegen einzugehen». So müsse zum Beispiel der Faktor Lärm beim Kauf der Nachfolger für die Tiger-Flotte eine Rolle spielen.
Armeekritische Kreise hätten bereits eine Volksinitiative angekündet, um die Beschaffung zu bodigen. «Ganz aussichtslos ist die nicht», schreibt die Zeitung und verweist auf den Achtungserfolg der Anti-F/A-18-Initaitive, welche 1993 lediglich mit 57% abgelehnt wurde, «zu einer Zeit, als das Ansehen der Luftwaffe noch höher war als heute».
swissinfo, Andreas Keiser
Ein Ja zur Volksinitiative «gegen Kampfjetlärm in Tourismusgebieten» empfahlen die Grüne Partei und die Sozialdemokratische Partei (SP).
Dagegen waren der Bundesrat (Landesregierung) und eine Mehrheit des Parlaments sowie folgende Parteien: Schweizerische Volkspartei (SVP), Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).
Ein Ja zur Unternehmenssteuer-Reform II empfahlen die Landesregierung und eine Mehrheit des Parlaments sowie folgende Parteien: Schweizerische Volkspartei (SVP), Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).
Dagegen waren die Grüne Partei und die Sozialdemokratische Partei (SP).


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