Testfall für Steuersenkungen

Während die Befürworter der Unternehmenssteuer-Reform II von Impulsen für die Wirtschaft reden, warnen die Gegner vor einem Milliardenloch in der Bundeskasse.
Die Vorlage ist heftig umstritten. Weil gegen die Gesetzesrevision das Referendum eingereicht wurde, kommt sie am 24. Februar vors Stimmvolk.
Die Schweiz ist ein Land der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). 99% aller Firmen sind KMU.
Die knapp 300’000 Unternehmen beschäftigen mit rund 2 Millionen Personen etwa zwei Drittel aller Arbeitnehmenden der Schweiz.
Während eine erste Änderung der Unternehmenssteuer vor rund zehn Jahren auf die grossen Holdings ausgerichtet war, sollen mit der Unternehmenssteuer-Reform II die KMU steuerlich entlastet werden.
Mit dem Unternehmenssteuerreform-Gesetz II erhofft sich die Landesregierung (Bundesrat) und eine Mehrheit des Parlaments, das Investitionsverhalten von Unternehmen zu fördern, Hindernisse in der Entwicklung zu beseitigen sowie Belastungen abzubauen.
Doppelbesteuerung soll fallen
Kernstück der Vorlage und der umstrittenste Punkt ist die Milderung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Derzeit wird der Gewinn einer Firma zweimal besteuert: Beim Unternehmen (Gewinnsteuer) und bei den Aktionären (Einkommenssteuer).
Mit der Reform sollen Dividenden und Gewinnanteile durch den Bund nur noch zu 50% (Geschäftsvermögen) respektive 60% (Privatvermögen) besteuert werden, sofern eine Person zu mindestens 10% am Kapital eines Unternehmens beteiligt ist.
Zweitens sollen Kantone den Unternehmen ihre kantonale Gewinnsteuer an die Kapitalsteuer anrechnen dürfen. Dies soll Firmen die Möglichkeit geben, ihr Risikokapital zu entlasten und so ihre Investitionstätigkeit anzuregen.
Weniger Steuerzwänge
Der dritte, unbestrittene Schwerpunkt ist die Befreiung von steuerlichen Zwängen für Personengesellschaften, also Einzelunternehmen und Kollektivgesellschaften wie beispielsweise Handwerks- oder Familienbetriebe.
Diese sollen im Zusammenhang mit der Erhaltung, Umstrukturierung, Nachfolge oder einer Übertragung des Betriebs von steuerlichen Zwängen befreit werden und sich damit flexibler auf die Bedürfnisse des Marktes ausrichten können.
Die Sozialdemokratische Partei (SP) und einige kleinere Parteien waren mit diesen Beschlüssen des Parlaments nicht einverstanden. Sie reichten mit über 57’000 gültigen Unterschriften das Referendum gegen die Vorlage ein.
Pro und Kontra
«Wir müssen den KMU den Rücken stärken», sagt Nationalrat Christophe Darbellay, Präsident der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP), der für die Vorlage kämpft. «Starke KMU sind das wichtigste in der schweizerischen Volkswirtschaft.»
Selbstverständlich sei sie auch dafür, die KMU zu stärken, betont SP-Ständerätin Simonetta Sommaruga. «Diese Vorlage bringt allerdings den meisten KMU überhaupt nichts oder nur sehr wenig.»
Die Vorlage sei diskriminierend und ungerecht. «Von den 300’000 KMU sind über die Hälfte nicht einmal Aktiengesellschaften. Die haben von dieser Teilbesteuerung gar nichts.»
Es könne zwar sein, dass nicht alle Unternehmen unmittelbar von den Steuersenkungen profitieren könnten. «Aber irgendeinmal im Geschäftsleben werden sie davon profitieren», so Darbellay.

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Referendum
Kostenfrage
Ein anderes Problem sind laut Sommaruga die hohen Kosten der Steuerreform. «Sie können sich auf bis 2 Mrd. Franken belaufen. Und die Reform bringt grosse Ausfälle auch für die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV).»
Darbellay nennt diesen Einwand eine reine Zahlenspielerei. «Für uns kostet das 800 Millionen Franken, aber diese werden wir locker wieder finden, weil wir Dynamik haben werden in diesen Unternehmen.»
Verfassungswidrig?
Schliesslich sei die 10%-Marke laut Bundesamt für Justiz und Steuerrechts-Experten willkürlich gewählt und verstosse gegen das Gleichbehandlungsgebot in der Bundesverfassung, sagt Sommaruga. «Die SP Schweiz wird das vor Bundesgericht abklären lassen.»
Darbellay bezeichnet dies allerdings als «ein komisches Verständnis der Demokratie, dass man zuerst etwas in der Parlaments-Abstimmung bekämpft, und nachher geht man vor Gericht, wenn das in die Hose geht».
swissinfo, Christian Raaflaub

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Bundesverfassung
Ein Ja zur Unternehmenssteuer-Reform II empfehlen der Bundesrat (Landesregierung) und eine Mehrheit des Parlaments sowie folgende Parteien: Schweizerische Volkspartei (SVP), Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) und Christlichdemokratische Volkspartei (CVP).
Dagegen sind die Grüne Partei, die Sozialdemokratische Partei (SP) und einige Kleinparteien.
Da es sich bei der Vorlage um die Änderung eines Bundesgesetzes, respektive ein fakultatives Referendum dagegen handelt, ist am 24. Februar 2008 einzig das Volksmehr ausschlaggebend.
In der Schweiz sind 99,7% der 298’720 Unternehmen KMU mit weniger als 250 Angestellten.
87,6% der Betriebe beschäftigen sogar weniger als 10 Personen.
KMU bilden über 80% der Lehrlinge in der Schweiz aus.

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