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Nationalrat debattiert zu Initiative «Keine 10-Millionen-Schweiz»

Keystone-SDA

Der Nationalrat debattiert seit mehreren Stunden über die SVP-Volksinitiative "Keine 10-Millionen-Schweiz". Entscheide wird er erst am Nachmittag fällen, denn die Initiative gibt ausgiebig zu reden.

(Keystone-SDA) Bis Donnerstagvormittag äusserten sich rund sechzig Rednerinnen und Redner zum Begehren, weitere über vierzig warteten noch auf ihren Auftritt. Erst nach diesen Wortmeldungen wird der Rat über die Initiative und über einen direkten Gegenvorschlag dazu entscheiden. Unterstützung erhält die Initiative lediglich von der SVP.

«Menschen haben genug»

Sie will die Verfassung mit einem Artikel zur «nachhaltigen Bevölkerungsentwicklung» ergänzen. Demnach soll die Einwohnerzahl der Schweiz 2050 zehn Millionen nicht überschreiten dürfen. Leben vor dem genannten Jahr 9,5 Millionen Menschen im Land, müssen Bundesrat und Parlament handeln.

Etwa dürften vorläufig Aufgenommene keine Niederlassungsbewilligung mehr erhalten und nicht mehr eingebürgert werden. Der Nachzug von Angehörigen würde eingeschränkt. Internationale Abkommen, die zu einem Bevölkerungswachstum führen, müssten mit Blick auf eine Ausnahmeklausel neu ausgehandelt werden. Genügt alles nicht, müsste als letzte Massnahme das EU-Freizügigkeitsabkommen gekündigt werden.

Die SVP argumentierte mit Zahlen. Im selben Rhythmus, wie sich die Ratsmitglieder am Rednerpult abwechselten, komme eine Person ins Land, um zu bleiben, sagte etwa Michael Graber (SVP/VS). 2022 seien über 180’000 Menschen eingewandert, mehr als Basel am Ende jenes Jahres Einwohner gehabt habe, sagte Thomas de Courten (SVP/BL).

Die Menschen spürten die Folgen der Zuwanderung Tag für Tag, fügte Christian Glur (SVP/AG) hinzu, mit hohen Mietzinsen, im Stau und in vollen Zügen, und sie hätten genug davon. Das Tempo der Zuwanderung dürfe so nicht weitergehen. «Unser Kulturland verschwindet, Sekunde für Sekunde», fügte Thomas Knutti (SVP/BE) hinzu.

«Gefährlicher Irrweg»

Gegnerinnen und Gegner der Initiative argumentierten mit den Bedürfnissen der Wirtschaft und den angesichts der geopolitischen Lage für die Schweiz wichtigen Beziehungen mit der EU. «Unserem Land wird ein gefährlicher Irrweg vorgeschlagen», sagte Eric Nussbaumer (SP/BL). Zuwanderung habe mit Beschäftigungswachstum zu tun.

«Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber», stellte Regine Sauter (FDP/ZH) fest. Eingewanderte aus dem EU- und Efta-Raum zahlten mehr in die Sozialwerke ein, als sie bezögen. Patrick Hässig (GLP/ZH) forderte, statt die bilateralen Verträge aufs Spiel zu setzen, das inländische Arbeitskräftepotenzial besser zu nutzen.

Ob die wachsende Bevölkerung ein Problem sei, hänge davon ab, wie die Schweiz damit umgehe, sagte Franziska Ryser (Grüne/SG). Langfristig werde die Bevölkerungszahl nicht steigen, sondern sinken, fügte Niklaus-Samuel Gugger (EVP/ZH) hinzu. Denn die Geburtenrate gehe zurück.

Freien Personenverkehr nicht gefährden

Die Mitte will der Bevölkerung mit einem direkten Gegenvorschlag die Möglichkeit geben, die Zuwanderung zu steuern, ohne die Personenfreizügigkeit zu gefährden. Die Beziehungen zur EU mit einem Ja zur Initiative zu kappen, wäre ein diplomatischer und wirtschaftlicher Selbstmord, sagte Benjamin Roduit (Mitte/VS) dazu.

Auch der Gegenvorschlag fordert zwar eine 10-Millionen-Obergrenze in der Verfassung. Sobald die Einwohnerzahl 9,5 Millionen überschreitet, müsste der Bundesrat handeln. Als letztes Mittel will die Mitte Verhandlungen mit der EU über eine nachhaltige Steuerung der Zuwanderung verlangen.

Der Gegenvorschlag dürfte kaum Chancen auf eine Mehrheit haben.

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