
Kritische Mineralien: Eine Kongo-Miliz verkauft ihre Beute über Ruanda

Die Energiewende treibt die Nachfrage nach kritischen Mineralien in die Höhe. Doch die globalen Lieferketten sind anfällig für Missbrauch. UN-Expert:innen warnen davor, dass Rebellen in der Demokratischen Republik Kongo ihren Krieg mit dem Schmuggel dieser Rohstoffe nach Ruanda finanzieren.
Kritische Mineralien wie Coltan oder das aus Coltan gewonnene Metall Tantal sind für Technologien im Bereich der erneuerbaren Energien unerlässlich. Sie finden sich in den meisten unserer elektronischen Geräte wie Mobiltelefonen oder Computern, aber auch in den Batterien von Elektrofahrzeugen.
Aufgrund der Energiewende und der zunehmenden Nutzung von Wind- und Sonnenenergie im globalen Energiemix ist deren Nachfrage stark gestiegen. Die Internationale Energieagentur schätzt, dass sie sich zwischen 2024 und 2030 verdoppeln wird. Wenn alle Länder ihre nationalen Klima- und Energieziele erreichen, könnte sich die Nachfrage sogar verdrei- oder vervierfachen.
Im Zentrum dieses Wettlaufs um Ressourcen steht die Demokratische Republik Kongo, ein zentralafrikanisches Land so gross wie Westeuropa. Es liefert einen Grossteil des weltweiten Coltans und ist auch eine wichtige Quelle für Kobalt, Kupfer, Diamanten, Gold und Zinn.
Die riesigen Bodenschätze des Landes sind seit mehr als 30 Jahren ein Grund für Konflikte – sowohl zwischen ethnischen Gruppen als auch mit seinen Nachbarn. Heute steht die Kontrolle über wichtige Mineralien im Mittelpunkt der regionalen Auseinandersetzungen. Rebellengruppen besetzen Minen, erbeuten die Rohstoffe und schmuggeln sie in die globale Lieferkette.
«Der Schmuggel von Mineralien aus dem Osten der DR Kongo ins benachbarte Ruanda hat ein beispielloses Ausmass erreicht», erklären UN-Expert:innen in einem im Juli 2025 veröffentlichten Bericht an den UN-Sicherheitsrat.
Aus diesem Grund müssen Rohstoffhändler verstärkt überprüfen, ob die von ihnen gehandelten Ressourcen aus Konfliktzonen stammen und somit zur Finanzierung von Kriegen beitragen. In diesem Fall wäre der Handel mit diesen Mineralien illegal. Die Händler sind dafür verantwortlich, die Integrität ihrer Lieferketten sicherzustellen.
Schmuggel nach Ruanda
Ende 2024 begann die vom Nachbarland Ruanda unterstützte kongolesische Rebellengruppe M23 eine neue Offensive, um ihre Präsenz und Kontrolle in der Demokratischen Republik Kongo auszuweiten. Dabei eroberte sie zu Beginn des Jahres grosse Gebiete im Osten des Landes, darunter Goma, die Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu, und anschliessend Bukavu, die Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu.
Goma liegt an der Grenze zu Ruanda und am Ufer des Kivusees. Die Stadt ist ein wichtiger Handels- und Verkehrsknotenpunkt in der Nähe von Bergbaustädten, die unter anderem Coltan liefern.
Die Rubaya-Mine, die seit April des vergangenen Jahres unter Kontrolle der M23 steht, befindet sich etwa 50 Kilometer nordwestlich von Goma und produziert nach Angaben der UNO etwa 15 % des weltweiten Angebots.
Die Miliz kontrolliert nun mehrere Bergbaugebiete, Handelszentren und Transportwege für Mineralien in Nord-Kivu. Laut UN-Berichten hat sie seit 2024 eine Parallelverwaltung eingerichtet, um den Handel und Transport von Mineralien aus der Rubaya-Mine nach Ruanda zu verwalten.
Im UN-Bericht vom Juli 2025 heisst es: «Es gibt Hinweise auf ein zunehmendes Risiko grenzüberschreitender Betrugsfälle, da Mineralien aus Nord-Kivu – insbesondere Coltan aus der von der M23 kontrollierten Rubaya-Mine – weiterhin nach Ruanda geschmuggelt werden.»
Die M23 finanziert sich grösstenteils durch den Abbau von Coltan. Bereits im Dezember 2024 stellten UN-Expert:innen fest, dass die M23 seit der Übernahme von Rubaya mindestens 800’000 US-Dollar pro Monat durch die Besteuerung der Produktion von 120 Tonnen Coltan und dessen Handel eingenommen hat. Laut dem US Geological Survey stammten im Jahr 2024 rund 60% der weltweiten Tantalproduktion aus dem Kongo und Ruanda.
Nach der Eroberung von Goma und Bukavu begann die Miliz dem UN-Bericht zufolge mit dem Schmuggel sogenannter 3T-Mineralien – Zinn, Tantal und Wolfram – über die wichtigsten Grenzübergänge nach Ruanda. Allein in der letzten Märzwoche des Jahres 2025 soll die M23 195 Tonnen dieser Mineralien von Goma nach Ruanda geschmuggelt haben.
Integrität der Lieferkette gefährdet
«Der illegale Handel hat die (legalen) Exporte von Zinn, Tantal und Wolfram aus der Region gefährdet», heisst es im Bericht. In Ruanda werden die gestohlenen Mineralien mit lokalen Produkten vermischt und in nachgelagerten Lieferketten als Materialien ruandischer Herkunft ausgegeben. Laut UN-Expert:innen gefährdet dies die Integrität und Glaubwürdigkeit der globalen Rückverfolgbarkeit von Mineralien.
Um den Export geschmuggelter Mineralien aus dem Kongo zu verschleiern, blähen die ruandischen Behörden die Zahlen für die heimische Produktion von Tantal, Zinn und Wolfram auf, heisst es in dem Bericht. Laut der UN-Comtrade-Datenbank exportiert Ruanda mehr Tantal, als es produziert. Im Jahr 2024 produzierte das Land offiziell 350 Tonnen Tantal, exportierte aber schätzungsweise 715 Tonnen – mehr als doppelt so viel.
Ruandas Armee an Kämpfen beteiligt
UN-Expert:innen wiesen auch darauf hin, dass die ruandische Armee eine «entscheidende Rolle» bei der Expansion der M23 und der Besetzung neuer Gebiete gespielt habe.
Ruanda hat lange Zeit bestritten, die M23 zu unterstützen, und behauptet, seine Streitkräfte würden sich gegen die kongolesische Armee und ethnische Hutu-Milizen verteidigen, die mit dem Völkermord in Ruanda 1994 in Verbindung stehen. Laut UN-Expert:innen zielt die militärische Unterstützung Ruandas für die M23 jedoch darauf ab, «mehr Territorium zu erobern».
Im Juni unterzeichnete die Demokratische Republik Kongo ein Friedensabkommen mit Ruanda, jedoch nicht mit der M23-Miliz. Das Abkommen wurde von US-Präsident Donald Trump vermittelt und in Washington unterzeichnet. Dadurch wird es für Ruanda noch schwieriger, seine Beteiligung an dem Konflikt zu leugnen. Human Rights Watch warnte ausdrücklich, dass das Abkommen «in erster Linie ein Mineralienabkommen und nur in zweiter Linie eine Chance für Frieden» zu sein scheint.
Konflikt-Coltan in der EU?
Laut UN-Expert:innen bedeutet der Mineralienhandel unter der Kontrolle bewaffneter Gruppen wie der M23, dass diese Mineralien für den legalen Handel ungeeignet sind. «Es besteht ein hohes Risiko, dass das in Ruanda gehandelte Coltan aus der DR Kongo geschmuggelt wurde oder aus Konfliktgebieten stammt», erklärte Robert Bachmann, Rohstoffexperte bei der Schweizer Organisation Public Eye, gegenüber Swissinfo. In ihrem Bericht fordern die UN-Expert:innen eine unabhängige geologische Überprüfung der aus Ruanda exportierten Rohstoffe.
Internationale Richtlinien wie die OECD-Leitlinien für die Sorgfaltspflicht zur Gewährleistung verantwortungsvoller Lieferketten für Mineralien aus Konfliktgebieten verlangen einen mehrstufigen Ansatz, um sicherzustellen, dass Unternehmen ihren Sorgfaltspflichten nachkommen.

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Es gibt Anzeichen dafür, dass Mineralien aus dem Konfliktgebiet in die Europäische Union gelangt sind. So ergab eine im April 2025 veröffentlichte Untersuchung der Organisation Global Witness, dass der der in Luxemburg anässige internationale Rohstoffhändler Traxys im Jahr 2024 280 Tonnen Coltan aus Ruanda gekauft hat.
«Es scheint, dass die EU keine wirksamen Schutzmassnahmen umgesetzt hat. Sie sollte ihre Rohstoffpartnerschaft mit Ruanda unverzüglich beenden», erklärte Alex Kopp, Kampagnenleiter bei Global Witness, in einer Stellungnahme. Im Februar 2024 unterzeichnete die EU eine strategische Partnerschaft mit Ruanda, um sich einen besseren Zugang zu kritischen Rohstoffen aus Ruanda, darunter Coltan und Tantal, zu sichern.
Ein Jahr später, im Februar 2025, kritisierte das Europäische Parlament die unzureichenden Massnahmen zur Bewältigung der Krise im Osten der Demokratischen Republik Kongo und forderte die Aussetzung des Abkommens.
Die oberste Diplomatin der EU, Kaja Kallas, hat seither eine Überprüfung des Mineralienabkommens versprochen.
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Und wie sieht es in der Schweiz aus?
Laut Nichtregierungsorganisationen kann die Sorgfaltspflicht in der Schweiz verbessert werden. Im März dieses Jahres erklärte der Bundesrat, dass er wiederholt die Präsenz ruandischer Truppen auf kongolesischem Territorium und deren Unterstützung für die M23 verurteilt habe.
Abgesehen von Kaffee würden keine Rohstoffe aus Ruanda in die Schweiz importiert, hiess es, wobei Kaffee und Kakao aus Ruanda von in der Schweiz ansässigen Händlern gehandelt werden könnten. Der Bundesrat verfolge die Diskussionen in der EU zu Ruanda und würde die Verhängung etwaiger Sanktionen in Betracht ziehen.
«Als weltweit grösster Rohstoffhandelsplatz hat die Schweiz eine besondere Verantwortung, Risiken im Rohstoffsektor, wie beispielsweise Konfliktmineralien, zu minimieren», sagte Bachmann von Public Eye. «Leider mangelt es an Transparenz über die Geschäfte der Schweizer Rohstoffhändler und an verbindlichen Sorgfaltspflichten.»
Die EU hat im Jahr 2024 ihre Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit verabschiedet. Diese regelt die Sorgfaltspflichten von Unternehmen in ihren Lieferketten. «Die Schweiz muss nachziehen», sagte Bachmann und fügte hinzu, dass dies auch von der neuen Konzernverantwortungsinitiative gefordert wird, die im Mai 2025 eingereicht wurde.
Editiert von Virginie Mangin/ds; Übertragung aus dem Englischen von Michael Heger
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