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Pass-Fälscher veröffentlicht Memoiren

"Der Passfälscher" - die Memoiren von Cioma Schönhaus in Buchform. swissinfo.ch

Er trickste die Nazis aus, fälschte Pässe in grossem Stil und half damit Hunderten von Juden zur Flucht: Nun hat Cioma Schönhaus seine Memoiren veröffentlicht.

1943 flüchtete der mittlerweile 82-Jährige mit eigens gefälschten Dokumenten in die Schweiz.

Schönhaus wuchs in Deutschland als Sohn jüdisch-russischer Emigranten auf. Nach der Kunstgewerbeschule arbeitete er in Berlin als Schneider, Bügler, Knopflochmacher, Nähmaschinenmechaniker, Gärtner und Metalldreher.

Im Juni 1942 erhielt er den Deportationsbefehl und hätte zusammen mit seinen Eltern in ein Konzentrationslager in Polen gebracht werden sollen.

Er arbeitete damals in einer Waffenfabrik. Sein Chef beantragte bei der Gestapo, ihn freizustellen. Dem Antrag wurde in letzter Minute stattgegeben. Schönhaus blieb allein in Berlin zurück.

Seine Eltern wurden im Juni 1942 in das Vernichtungs-Lager Majdanek transportiert und dort ermordet. Cioma tauchte in den Berliner Untergrund ab.

Segler und Fälscher

Wie für die andern 50’000 Juden in einer ähnlichen Situation bedeutete dies ein Leben ohne fixe Adresse, keine Nahrungsbons und keine Identitäts-Dokumente. Lediglich 1500 überlebten den Krieg.

Cioma gelang es, seine eigenen Dokumente zu fälschen und mit gefälschten Dokumenten Geld zu verdienen. Nach dem Tod seiner Eltern verkaufte er deren Wertsachen, was ihm ein kleines Vermögen einbrachte.

Er kaufte sich eine kleine Segeljacht auf dem Wannensee, wo er jeweils die Sonntage verbrachte.

An den anderen Tagen half er, das Leben von anderen Juden zu retten. Als eine Widerstandsgruppe ihn bittet, Pass-Stempel zu fälschen, sagt er ja. Als Lohn für die Fälschungen erhält er Nahrungsbons.

Mit dem Velo in die Schweiz

Als die Gestapo Cioma Schönhaus zu Verhaftung ausgeschrieben hatte, war es Zeit, aus Berlin zu flüchten. Zweimal geriet er in die Fänge der Polizei, konnte jedoch flüchten.

Mit einem selbst gefälschten Pass gelang ihm im September 1943 die Einreise in die Schweiz – mit dem Velo.

Dabei wurde er von einem Polizisten angehalten. Cioma erklärte, er sei ein politischer Flüchtling, entschied sich dann jedoch, die Wahrheit zu sagen. “Ich bin kein politische Flüchtling”, sagte er dem Polizisten, “ich bin Jude”.

Der Beamte erklärte ihm, dass ihn wohl niemand zurückschicken werde. Cioma verbrachte ein paar Monate in einem schweizerischen Internierungslager.

Karriere als Grafiker

Nach seiner Freilassung ging er nach Basel, um an der Kunstgewerbeschule zu studieren. Nach der Ausbildung eröffnete er eine erfolgreiche Grafikfirma. Seine Zeit in der Schweiz plant er in seinem zweiten Buch zu verarbeiten, das den Titel tragen wird “Der Passfälscher im Paradies”.

Der 82-jährige ist rüstig wie eh und je. Wenn er heute am Zoll seinen Pass vorweist, sagt er mit einem Augenzwinkern: “Dieser hier ist nicht gefälscht.”

swissinfo, Julie Hunt, Basel
(Übertragung aus dem Englischen: Andreas Keiser)

Cioma Schönhaus wurde 1922 in Berlin geboren.

1938-1939 private Kunstgewerbeschule von Georg Hausdorf.

Bis 1942 übte er folgende angelernte Berufe aus: Schneider, Bügler, Knopflochmacher, Nähmaschinenmechaniker, Erdarbeiter, Gärtner und Metalldreher.

1942-1943 illegaler Aufenthalt in Berlin. Steckbrieflich von der Gestapo gesucht, flieht er am 3.Oktober 1943 per Fahrrad in die Schweiz – mit selbst gefälschten Papieren.

1944-1949 Kunstgewerbeschule in Basel; Diplom als Grafiker.

1949-1953 Studium der Germanistik und Psychologie.

1953-2000 Inhaber eines Ateliers für Grafik und Kommunikation.

2004 Veröffentlichung seiner Memoiren.

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