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Pfingsten: Geburtsstunde der Kirche

Das Gemälde "Herabkunft des Heiligen Geistes" von Walter Burger in der St. Galler Dreifaltigkeitskirche. Keystone

Im Kirchenjahr ist Pfingsten nach Weihnachten und Ostern der drittwichtigste Feiertag. Aber nur wenige wissen, was es mit der Bedeutung des Festes auf sich hat.

Pfingst-Bräuche gibt es – den obligaten Pfingststau ausgenommen – nicht viele. Die überlieferten zeugen aber nicht nur von frommer Andacht.

Laut Neuem Testament sandte Gott am 50. Tag nach Ostern – also dem Pfingstmontag – den Heiligen Geist auf die Jünger nieder. Diese konnten plötzlich fremde Sprachen sprechen und ihren Missionsauftrag erkennen. Das Ereignis gilt als Abschluss der Osterpassion und eigentliche Geburts-Stunde der Kirche.

Der Begriff Pfingsten leitet sich ab von griechisch “pentekosté”, was soviel heisst wie der Fünfzigste. Sehr eng verwandt mit dem ursprünglichen Begriff ist der französische Name Pentecôte.

Was auffällt: Zum Feiertag haben sich kaum echte Pfingstbräuche ausgebildet. Und die alten Frühlingsriten, die an diesem Datum praktiziert wurden, sind mittlerweile verschwunden.

Zotige Angelegenheit

Dass solche Bräuche aber nicht lammfromm und andächtig waren, zeigt das Beispiel des Pfingstsprüzligs, -blüttlig oder -lümmel, der ehedem im Basler Fricktal umging.

Dieser Fruchtbarkeits-Ritus war eine ziemlich schlüpfrige Angelegenheit, die folgendermassen vor sich ging: Ein in Laub gewickelter Dorfjüngling wurde von seinen Kollegen erst in den Brunnen geworfen. Danach durfte der Pfingstsprüzlig die jungen Frauen im Dorf mit Wasser bespritzen.

Der Heilige Geist: Gewitter oder Göttin?

Wie hat man sich den Heiligen Geist vorzustellen, der sich vom Himmel auf Jesus’ Jünger nieder senkte? Die Apostelgeschichte behilft sich mit “Brausen” und “Zungen wie von Feuer”.

“Das hört sich nach einem guten Frontgewitter an”, deutet der Schweizer Metereologe Jörg Kachelmann das Phänomen auf der Website “kat.ch”. Frontgewitter seien die stärksten und würden von einer mächtig brausenden Wolkenwalze angekündigt.

Unter den möglicherweise kompetenteren Theologen gibt es Vertreter, die im Heiligen Geist das weibliche Element Gottes sehen. Dafür spricht, dass der Heilige Geist bei der Jordantaufe als Taube auf Jesus hernieder kam. Die Taube, die auch auf Gemälden häufig den Heiligen Geist symbolisiert, war im antiken Orient ein Symbol für alle grossen Göttinnen.

Andächtiges Schwingen des Heiligen Geistes

Die Taube steht – oder besser hängt – denn auch im Mittelpunkt der wenigen religiösen Pfingstbräuche, die überliefert sind. Im Mittelalter praktizierte man das sogenannte Heilig-Geist-Schwingen, das aber keine Ähnlichkeit mit dem ureigensten Schweizer Nationalsport im Sägemehl-Ring gemeinsam hat.

Entweder wurden lebende Tauben in der Kirche freigelassen oder eine hölzerne Taube wurde von der Kirchendecke herabgesenkt und an der Schnur kreisen gelassen.

Heidnisches Dreinfunken

Auch die Pfingstfeuer werden – in Anlehnung an die Feuerzungen – zu den religiösen Pfingstsymbolen gezählt. Sie dürften aber – ähnlich wie das Verbrennen des “Bööggs” in Zürich – heidnischen Ursprungs sein.

Das Sechseläuten als typischer Frühlingsbrauch teilt gleich mehrere Elemente mit dem Pfingstbrauchtum, beispielsweise den verbrannten Strohmann – in Niedersachsen “Pfingstkarl” geheissen – oder den Umzug hoch zu Ross.

Die mittlerweile ausgestorbenen Pfingst-Umritte hatten ihren Ursprung in früheren Heerschauen. Im antiken Rom wurden sie am 1. März, dem Sommer- und Jahresbeginn, durchgeführt. Nördlich der Alpen aber fanden sie – klimatisch bedingt – am 1. Mai statt. Flurnamen wie “Maien(en)feld” erinnern noch an solche Ausritte.

Vegetationsbräuche

Gar nicht martialisch waren dagegen die Flurumgänge zu Pfingsten. Mit ihnen wurde das Wiedererwachen der spriessenden Vegetation beschworen.

Auch Brunnenschmücken, Pfingstbäume und Laubgestalten – in der Romandie hiessen diese beispielsweise “Feuillu”, “Petou”, “Bossu” oder “Guillot” – gehörten in diesen Bereich. Damit sollte die Fruchtbarkeit von Flora und Fauna beschworen werden.

Ebenfalls in diese Kategorie gehörten der geschmückte Pfingst-Ochse, vermutlich ein Relikt heidnischer Tieropfer, und der Bad Ragazer “Maibär”, der nach seinem Rundgang durch den Kurort in den Fluss Tamina geworfen wurde.

swissinfo und Agenturen

Pfingsten ist nach Weihnachten und Ostern der drittwichtigste Feiertag.
Pfingsten – genauer: der Pfingstmontag – bezeichnet den 50. Tag nach Ostern. Damals sandte Gott den Heiligen Geist auf die Jünger nieder.
Diese konnten laut Neuem Testament plötzlich fremde Sprachen sprechen.
Eigentliche Pfingstbräuche sind nur sehr wenige überliefert. Sie werden heute kaum mehr praktiziert.
Zu ihnen gehörten beispielsweise das Schwingen des Heiligen Geistes in Form einer Holztaube in den Kirchen. Aber auch rabiatere Formen wie dem Fruchtbarkeits-Ritus des Fricktaler Pfingstsprüzligs.
Dort zog ein laubbehangener Jüngling durch das Dorf und bespritzte junge Frauen mit Wasser.

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