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Jans oder Pult? Schlussspurt im Rennen um den Bundesratssitz

Beat Jans (links) und Jon Pult
Der Basler Beat Jans (links) und der Bündner Jon Pult nach ihrer Nominierung als Kandidaten für die Nachfolge von Innenminister Alain Berset. © Keystone / Peter Klaunzer

Wer wird der Nachfolger von Innenminister Alain Berset im Bundesrat? Während der Basler Regierungspräsident Beat Jans als leichter Favorit gilt, könnte der Bündner Jon Pult mit seinem Alter und seinem Enthusiasmus überzeugen.

Politisch weisen die beiden Kandidaten auf dem “Ticket” der Sozialdemokratischen Partei (SP) für die Nachfolge des zurückgetretenen Innenministers Alain Berset ein ähnliches Profil auf. Der Basler Beat Jans und der Bündner Jon Pult sind überzeugte Europhile mit einer ausgeprägten ökologischen Ader.

Beide werden auch oft im linken Flügel ihrer Partei lokalisiert. Ein Blick auf ihre Profile im Online-Wahltool Smartvote zeigt jedoch, dass sie sich eher in der Mitte der SP verorten, wobei Pult etwas weiter links steht. Im Parlament wichen sie kaum von der Parteilinie ab: In über 99% der Fälle stimmten sie wie die SP.

Beide haben auch eine umgängliche und zugängliche Persönlichkeit, die über ihr politisches Lager hinaus ansprechend ist. Nachdem sie nach 18 Wahlgängen und stundenlanger Spannung von den Mitgliedern der SP-Fraktion ins Bundesratsrennen gewählt worden waren, liessen sie es sich nicht nehmen, die vier unterlegenen Kandidierenden zu begrüssen.

Zwischen dem 39-jährigen Pult und dem 59-jährigen Jans liegen zwei Jahrzehnte. Und vielleicht wird dieser Unterschied den Ausschlag geben, wenn die Bundesversammlung am 13. Dezember entscheiden muss.

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Beat Jans, “der Brückenbauer”

Er stamme aus einfachen Verhältnissen und hätte nie geglaubt, Bundesratskandidat zu werden, gestand Beat Jans kurz nach seiner Nomination durch die Kolleginnen und Kollegen vor den Medien.

Der Mann aus dem Arbeitermilieu – seine Mutter war Verkäuferin, sein Vater Schlosser – pflegt das Einfache und Spontane. Auf dem Weg in den Pressesaal, den die Kameras verfolgten, küsste er ohne zu zögern seine Frau, als er sie sah.

“Ich möchte Brücken bauen, vor allem, um die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land zu überbrücken”, sagt der Basler, der den Städten, die im Regierungskollegium kaum vertreten sind, Gehör verschaffen will.

Seine Herkunft ist dabei von Vorteil, denn mit seiner Wahl würde der wirtschaftsstarke und urbane Kanton Basel-Stadt nach 50 Jahren wieder einen Sitz im Bundesrat erhalten.

Beat Jans
Der Basler Regierungspräsident Beat Jans im Basler Rathaus, das die kantonalen Institutionen beherbergt. © Keystone / Georgios Kefalas

Jans’ grösste Stärke ist jedoch, dass er auf eine lange politische Karriere zurückblicken kann. Er war zehn Jahre lang Mitglied des Nationalrats, bevor er 2020 in die Basler Regierung gewählt wurde, die er seither präsidiert. Zuvor war er auch in der Legislative seines Kantons tätig und von 2015 bis 2020 Vizepräsident der SP.

Seine Erfahrung wird auch über sein politisches Lager hinaus anerkannt, weshalb er als Favorit gilt. “Beat Jans hat den Vorteil, dass er die Abläufe in einer Legislative und in einer Exekutive kennt”, kommentiert Mitte-Nationalrätin Christine Bulliard-Marbach.

Andererseits könnte ihm die Tatsache, dass er seit drei Jahren nicht mehr unter der Bundeshauskuppel sitzt, einen Streich spielen, da er zweifellos einen Teil seines Netzwerks verloren hat.

Jans begann seine berufliche Laufbahn mit einer Lehre als Landwirt. Danach bildete er sich zum Agrotechniker weiter und studierte Umweltnaturwissenschaften an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH).

Ein Werdegang, welcher der Agrarwelt gefallen dürfte. Bei seiner Ankunft in Bern hinterliess sein grüner Kurs jedoch keine guten Erinnerungen bei der mächtigen Bauernlobby, der er wahrscheinlich Garantien abgeben muss. “Ich hatte nicht den Eindruck, dass er unser Milieu unterstützt”, sagt Pierre-André Page, Nationalrat der Schweizerischen Volkspartei (SVP).

Auf die Frage, welche Prioritäten er im Fall seiner Wahl setzen würde, antwortete Jans, dies hänge davon ab, welches Departement er bekäme. Er hält es jedoch für notwendig, dass die Verhandlungen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union zur Stabilisierung der Beziehungen rasch zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden.

“Ich vertrete die Stadt Basel, die an der Grenze dreier Länder liegt. So habe ich gelernt, dass es einfacher ist, Probleme mit den Nachbarn zu lösen als ohne sie”, sagte er.

Der Basler Kandidat ist für die Anliegen der Schweizer Gemeinschaft im Ausland besonders sensibilisiert. “Mein Bruder lebt in New York, und meine Frau ist Amerikanerin”, betont er. Die Fünfte Schweiz müsse mit der Eidgenossenschaft verbunden bleiben können.

Beat Jans auf Ski
Als Sportler spielte Beat Jans nicht nur in der Fussballmannschaft des Parlaments, sondern nahm auch an dessen Skirennen teil. © Keystone / Gian Ehrenzeller

Der Kandidat ist auch optimistisch, was die Frage der elektronischen Stimmabgabe betrifft, die der Diaspora die Teilnahme am politischen Leben erleichtern würde. “Man muss vorsichtig vorgehen. Wenn es gelingt, die technischen Probleme zu lösen, liegt hier die Zukunft”, sagt er.

Die Frage, ob die Einführung des E-Votings weiter vorangetrieben werden soll, beantwortete er 2019 bereits mit “eher ja”, ebenfalls gemäss Smartvote.

Der sportliche Basler wollte eigentlich auf Hawaii das Surfen lernen. Er wurde dabei jedoch von einem Surfbrett am Kopf verletzt und entschied sich anschliessend für das Wandern.

Dabei lernte er seine Ehefrau Tracy aus Miami kennen, wie er der Schweizer Illustrierten erzählteExterner Link, mit der er für Familienfotos posierte. Das Paar hat zwei Töchter, 16 und 18 Jahre alt.

Jon Pult, “der Vertreter der Vielfalt”

“Mit meiner Kandidatur möchte ich die Vielfalt vertreten und den Zusammenhalt unseres Landes stärken”, betonte Jon Pult, nachdem ihn seine Partei offiziell ins Rennen um den Bundesrat geschickt hatte.

Der Bündner Nationalrat repräsentiert in der Tat die sprachliche Vielfalt der Eidgenossenschaft. Er bezeichnet sich selbst als dreisprachig – Italienisch, Rätoromanisch und Deutsch –, er spricht aber auch mühelos Französisch. Ein unbestreitbarer Vorteil, wenn es darum geht, ein mehrsprachiges Land zu regieren.

“Für mich ist die Beherrschung der Sprachen ein zentrales Kriterium für einen Bundesrat”, sagt Mitte-Nationalrätin Bulliard-Marbach. Sie will die Hearings dazu nutzen, die beiden Kandidaten in diesem Punkt zu testen.

Jon Pult
Jon Pult lebt zwischen Chur und Bern. Hier posiert er im Fontana-Park in Chur. © Keystone / Gian Ehrenzeller

Pult ist zwischen Graubünden und Mailand aufgewachsen, mit einer italienischen Mutter, einer Kunsthistorikerin, und einem Schweizer Vater. Er ist also Italo-Schweizer und hat nicht vor, seinen zweiten Pass aufzugeben.

“Ich bin mit der doppelten Staatsbürgerschaft geboren und habe die Absicht, als Doppelbürger zu sterben”, sagte er gegenüber Blick und garantierte “100 Prozent Loyalität gegenüber der Schweiz”.

Der Mann, der oft als “politischer Überflieger” bezeichnet wird, hat eine steile politische Karriere hinter sich. Seit Anfang der 2000er-Jahre engagiert er sich in der Juso. 2005 zog er in den Stadtrat von Chur ein, 2010 ins Kantonsparlament und 2019 in die grosse Kammer des Bundesparlaments.

Von 2009 bis 2016 präsidierte er die Sektion Graubünden seiner Partei und ist derzeit Vizepräsident der SP Graubünden.

Pults politischer Lebenslauf ist trotz seiner erst 39 Jahre sehr umfangreich. Allerdings fehlt eine wichtige Zeile: Der Kandidat hat keine Exekutiverfahrung. Das ist zwar ein Handicap, aber nicht für alle ein Ausschlusskriterium: “Er ist jung und dynamisch. Im Umfeld der Bundesräte sollte er sich rasch einarbeiten können”, meint SVP-Nationalrat Page.

Pult hingegen sieht seine Jugend als Vorteil: “Das ist ein gutes Mittel gegen die Midlife-Crisis”, scherzt er. Der Bündner will mit seiner Erfahrung aus der Privatwirtschaft frischen Wind in die Verwaltung bringen.

Der Kandidat war fast sieben Jahre als Strategie- und Kommunikationsberater bei der Zürcher Agentur Feinheit tätig. Heute widmet er sich der Politik, sitzt aber weiterhin im Verwaltungsrat dieser Agentur.

“Es ist gut für die Schweiz, einen Bundesrat zu haben, der eine Vorstellung von moderner partizipativer Führung hat”, sagt er.

Eines seiner Engagements könnte ihn allerdings wertvolle Stimmen im rechten Lager kosten. Über die Kantonsgrenzen hinaus bekannt wurde er als Präsident der Alpen-Initiative, einem Verein, der sich für den Schutz des alpinen Ökosystems einsetzt.

In dieser Funktion wurde er vom Walliser SVP-Politiker Jean-Claude Addor in der Nachrichtensendung “19h30” des Westschweizer Fernsehens RTS als “Totengräber der Randregionen” bezeichnet.

Jon Pult und seine Frau
Jon Pult mit seiner Frau, der swissinfo.ch-Journalistin Sara Ibrahim, bei seiner Wahl in den Nationalrat im Jahr 2019 in Chur. Keystone / Gian Ehrenzeller

Eine Reform des Gesundheitswesens ohne Leistungskürzungen, die Erreichung der Klimaziele und die Stabilisierung der Beziehungen zur Europäischen Union sind seine Prioritäten im Fall einer Wahl.

Zudem will er sich für die Entwicklung des E-Votings einsetzen: “Die Fünfte Schweiz ist sehr wichtig, und ich finde, die Schweizerinnen und Schweizer sollten überall auf der Welt abstimmen können”, sagt er.

Pult ist mit der swissinfo.ch-Journalistin Sara Ibrahim verheiratet und lebt zwischen Chur und der Bundeshauptstadt. Vielleicht sind es aber sein Kommunikationstalent und seine Nähe zu den Menschen, die am meisten beeindrucken.

Einer seiner politischen Gegner, der freisinnige Bündner Politiker Rudolf Kunz, lobte in einem Artikel der Neuen Zürcher ZeitungExterner Link dessen “sagenhafte Stammtisch-Kompetenz”. Und das war als Kompliment gemeint: “Er kann es mit allen.”

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

Übertragung aus dem Französischen: Christian Raaflaub

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