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Frauen in der Schweiz sind geteilter Meinung über Clintons Niederlage

Die damalige US-Aussenministerin Hillary Clinton trifft ihre Schweizer Amtskollegin Micheline Calmy-Rey zu bilateralen Gesprächen in Zürich (Oktober 2009). Keystone

Hat Hillary Clinton die Wahl verloren, weil sie eine Frau ist? Ja, glauben gleich mehrere Schweizer Politikerinnen und in der Schweiz lebende Amerikanerinnen. Sie alle sind enttäuscht über das Resultat. Das Geschlecht reiche nicht als Erklärung, findet hingegen eine Amerikanerin, die Donald Trump gewählt hat.

Die Schweiz hatte 1999 ihre erste Bundespräsidentin. Es handelt sich hierbei allerdings um ein rotierendes Ehrenamt, das einer der sieben Bundesräte (Minister) jeweils für ein Jahr ausübt. Die mit dem Amt verbundenen Repräsentationsaufgaben sind nicht wirklich mit dem Amt eines US-Präsidenten zu vergleichen.

Ruth Dreifuss, die erste Bundespräsidentin der Schweiz, wollte den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl nicht kommentieren. Anders Micheline Calmy-Rey, die das Amt 2007 und 2011 innehatte.

Als Aussenministerin stand Calmy-Rey von 2009 bis 2011 in regem Kontakt mit Hillary Clinton. Diese führte während dieser Zeit das US-Aussenministerium.

In einem Interview mit dem Westschweizer Fernsehen RTS sagte Calmy-Rey, die Tatsache, dass Clinton eine weibliche Kandidatin gewesen sei, habe ihr im Wahlkampf alles andere als geholfen. “Der Gedanke an eine Frau an der Spitze des mächtigsten Landes der Welt mit Zugang zum Atombomben-Knopf und im Amt des Oberbefehlshabers führt zu Skepsis und Opposition. Offensichtlich geniesst diese Möglichkeit immer noch keine grosse Akzeptanz.”

Auf den Tisch hauen gehört sich nicht

Die demokratische Präsidentschaftskandidatin habe es nicht leicht gehabt, so Calmy-Rey: “Während der Kampagne konnte sie nicht wie ein Mann agieren. Sie konnte ihre Stärken nicht zeigen. Möglicherweise dachten die Amerikaner und Amerikanerinnen, Clinton könne sie in der sich rasch verändernden Welt nicht genug beschützen.” Wenn eine Frau mit der Faust auf den Tisch haue, um ihre Position zu unterstreichen, gelte sie als hysterisch.

Clinton sei eine Person mit einem methodischen und organisierten Vorgehen. Ihre Aussenpolitik sei die von Präsident Barak Obama gewesen: basierend auf Vernunft, Rechtstaatlichkeit, Menschenrechten und Dialog, nicht auf militärischen Mitteln. Diese Art zu politisieren werde heute in Frage gestellt, so Calmy-Rey. “Nicht nur in den USA, sondern weltweit.”

“Amerika Adieu”, lautete die Reaktion von Anita Fetz, Parlaments-Abgeordnete der Sozialdemokraten. Fetz gehört praktisch zur gleichen Generation wie Clinton, deren Politkarriere sie nah mitverfolgt hat.

Laut Fetz wurde Clinton auch zum Verhängnis, dass sie reich ist und zum Establishment gehört. Beides sei zwar normalerweise nötig, um eine Präsidentschaftskampagne zu gewinnen. Allerdings fänden diese Merkmale breitere Akzeptanz, wenn sie einem Mann zugeordnet werden.

Die Wut gegen das Establishment sei grösser gewesen, als das Unbehagen über Trumps frauenfeindliche Aussagen, so Fetz.

Frau sein reicht nicht für Wahlsieg

Die ersten Reaktionen von US-Amerikanerinnen nach dem Sieg Trumps gegenüber swissinfo.ch fielen unterschiedlich aus.

Ellen Frick-Delman, Präsidentin des amerikanischen Frauenklubs in Zürich, nahm in der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer an einem US-Wahl-Frühstück teil. Frick-Delman zeigte sich geschockt über die Niederlage Clintons. “Es ist eine Enttäuschung. Denn es ist an der Zeit, dass eine Frau US-Präsidentin wird. Doch offenbar war die Zeit für Hillary nicht gekommen.” Allein ihre Kandidatur für das Präsidentenamt habe aber eine Türe geöffnet, welche die Frauen stärke.

Laut Renée Rousseau, Vorsitzende der US-Demokraten in der Schweiz, wird Trump Amerika Schande bringen. Er habe eine grosse weibliche, konservative, weisse Wählerschaft hinter sich gehabt. Amerika habe den Präsidenten, den es verdiene.

Auch habe Trump in die Hand gespielt, dass seine Wählerschaft wütender war und eher zur Urne ging, als beispielsweise die Latinos. Clinton hätten zudem die Wähler gefehlt, welche für kleine Kandidaten wie Gary Johnson von der libertären Partei stimmten. Es handelt sich hierbei vor allem um 20- bis 35-jährige so genannte “Millennials”, die sehr enttäuscht über die Auswahl waren.

Eine Trump-Wählerin möchte lieber anonym bleiben. Sie sagte gegenüber swissinfo.ch: “Nicht jedermann wählt eine Frau, nur weil sie eine Frau ist.” Es habe auch andere Argumente gegeben, welche die Wahl beeinflusst hätten, so zum Beispiel die Schaffung von Arbeitsplätzen oder die Sicherheit. “Diese waren möglicherweise wichtiger, als die Stimme einer Frau zu geben.”

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(Übertragen aus dem Englischen: Kathrin Ammann)

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