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WHO bereitet sich in der Schweiz auf zukünftige Pandemien vor

Chemiedusche im Biosicherheits-Labor Spiez
Der Virologe Marc Strasser nimmt vor einem Laboreinsatz eine Chemiedusche, am Mittwoch, 19. November 2014, im Labor in Spiez. Keystone / Peter Schneider

In der Schweiz entsteht ein globaler BioHub, in dem Viren und Krankheitserreger gespeichert, analysiert und schnell zwischen den Laboren auf der ganzen Welt ausgetauscht werden können. Das wird uns besser auf die nächste Pandemie vorbereiten, sagt die Leiterin der Abteilung Biologie des Schweizer Labors.

Im Mai unterzeichneten die Schweizer Regierung und die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ein Abkommen zur Einrichtung der ersten WHO BioHub Facility. Die Schweiz wird der WHO das Biosicherheits-Labor SpiezExterner Link zur Verfügung stellen, das als globales Depot für Viren und andere Erreger mit epidemischem oder pandemischem Potenzial dienen soll – wie etwa SARS-CoV-2, das Covid-19 verursacht. Dort werden sie sicher gelagert, analysiert und mit anderen Ländern geteilt.

Isabel Hunger-Glaser ist Leiterin der Abteilung Biologie am Labor Spiez im Kanton Bern. Wir sprachen mit ihr, um mehr über den BioHub und die Arbeit, die dort geleistet wird, zu erfahren.

Dr. Isabel Hunger-Glaser, Leiterin der Fachabteilung Biologie im Labor Spiez im Kanton Bern.
Dr. Isabel Hunger-Glaser, Leiterin der Fachabteilung Biologie im Labor Spiez im Kanton Bern. Spiez Laboratory

SWI swissinfo.ch: Warum war es notwendig, einen solchen BioHub zu schaffen?

Isabel Hunger-Glaser: Die zeitnahe Analyse von neuen Krankheitserregern ist ein wesentlicher Schritt, um bei zukünftigen Epidemien oder Pandemien Krankheiten frühzeitig einzudämmen und eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Mit einem solchen Ansatz würde sich eine Krankheit wahrscheinlich nicht so plötzlich ausbreiten, wie es bei SARS-CoV-2 der Fall war.

Die Idee für das BioHub-System stammt von Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, dem Generaldirektor der WHO. Er rief zu einer neuen Ära der internationalen Zusammenarbeit auf und betonte die Notwendigkeit, besser auf die nächste Pandemie vorbereitet zu sein.

Der Austausch von Krankheitserregern zwischen den Ländern erfolgt derzeit auf der Grundlage bilateraler Abkommen, was vor allem in administrativer Hinsicht ein zeitaufwändiger Prozess ist. Mit dem BioHub-System will die WHO einen wesentlich schnelleren Austausch von Erregern etablieren, um eine schnelle Reaktion für die Intervention und Entwicklung von Diagnostika oder Behandlungen zu gewährleisten. Die WHO ist auch der Meinung, dass die derzeitige Situation nicht fair ist, [in der bestimmte Länder mehr Zugang zu Informationen über Krankheitserreger haben als andere]. Eines der Prinzipien des BioHub-Systems sollte Gleichheit und Fairness sein.

Wie wird der BioHub funktionieren, und wie viel Mitspracherecht hat die Schweiz bei dem, was im Spiezer Labor gelagert, geteilt und analysiert wird?

In Spiez werden wir die Erreger züchten und Analysen durchführen, zum Beispiel Sequenzierungen. Das ist wichtig für die Qualitätskontrolle. Die WHO ist für die Weitergabe [der Ergebnisse] an andere Länder zuständig. Sie wird sich mit den Laboren in Verbindung setzen, die an bestimmten Varianten interessiert sind. Die WHO wird die Erreger nur an qualifizierte Einrichtungen weitergeben, die die entsprechenden Vorschriften und Standards erfüllen. Die WHO wird uns dann informieren, dass wir eine bestimmte Variante vorbereiten sollen, um sie an diese qualifizierte Einrichtung zu senden.

Wir sind dabei, ein beratendes Komitee mit Personen aus den Genfer Universitätsspitälern (HUG), dem Schweizerischen Institut für Virologie und Immunologie (IVI) und dem Labor Spiez einzurichten, das besprechen wird, ob eine bestimmte neue Variante relevant ist und in der BioHub-Einrichtung gelagert werden sollte. Natürlich müssen wir keine Varianten annehmen, die wir bereits haben.

Warum wurde Spiez für den Haupt-Hub ausgewählt?

Die WHO begann die Anfangsphase des BioHub-Systems mit einem Labor. Es gibt mehrere Gründe, warum das Labor Spiez ausgewählt wurde, wie z.B. seine geografische Lage in der Nähe von Genf, seine hohen Standards, sein guter Ruf und die Tatsache, dass es eine Containment-Infrastruktur der höchsten Biosicherheitsstufe bietet. Das Labor Spiez ist das einzige Labor in der Schweiz mit der höchsten Sicherheitsstufe, in dem hochgefährliche Krankheitserreger (Risikogruppe vier) kultiviert werden können. Für deren Charakterisierung und Weitergabe ist es wichtig, dass die Erreger gezüchtet werden und dann analysiert werden können.

Für die Schweiz haben wir in Spiez bereits ein Repositorium mit etwa 40 verschiedenen Erregern, wie z.B. den Erregern von Ebola und anderen hämorrhagischen Fiebern. Mehrere Varianten von SARS-CoV-2 wurden bei uns bereits kultiviert, analysiert und gelagert.

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Es ist geplant, eine Pilotphase des Hubs auf der Basis von SARS-CoV-2 und seinen Varianten zu starten, bevor das Projekt auf andere Erreger ausgeweitet wird. Wie sehen Sie die Entwicklung der Arbeit in den nächsten 12 Monaten?

Die Arbeit sollte im Juli beginnen. In der Pilotphase geht es darum, die Prozesse zu verbessern und Erfahrungen zu sammeln.

Es ist sehr unvorhersehbar, wie sich die Dinge entwickeln werden. Wir wissen, dass einige Länder ihre Varianten der WHO zur Verfügung stellen möchten. Ich habe das Gefühl, dass wir einige Stämme aus Afrika oder Südamerika bekommen könnten. Die Situation in Afrika zum Beispiel deutet auf eine wachsende Zahl neuer Varianten mit Mutationen hin, die möglicherweise bedenklich sind.

Das BioHub-System ist freiwillig. Können wir angesichts der zurückhaltenden Kooperation der Mitgliedstaaten während der Pandemie – etwa bei den Impfungen –erwarten, dass sie aktiv Pathogene teilen?

Die Erfahrung mit der aktuellen Pandemie hat gezeigt, wie wichtig es ist, schnell zu reagieren, Erfahrungen zu teilen und zusammenzuarbeiten. Wäre alles schneller gegangen, wäre es vielleicht möglich gewesen, die Ausbreitung von Covid-19 zu stoppen und die Situation wäre jetzt besser. Einige Länder haben bereits ihre Bereitschaft zum Austausch von Varianten angekündigt.

Der internationale Druck, mehr über die Ursprünge der Coronavirus-Pandemie zu erfahren, wächst. Zwei konkurrierende Theorien sind, dass das Virus von Tieren, möglicherweise von Fledermäusen, auf den Menschen übergesprungen ist, oder dass es aus einem virologischen Labor in Wuhan, China, entkommen ist. Glauben Sie, dass ein manipuliertes Virus aus einem Labor entkommen sein könnte?

I.H-G.: Wir forschen und tragen aktiv zur Lösung des aktuellen Pandemieproblems bei. Aber wir beschäftigen uns nicht mit ihrem Ursprung. Ich kann nur für Spiez sprechen. Das Labor erfüllt alle gesetzlichen Anforderungen und wir haben somit alle notwendigen Sicherheitsmassnahmen getroffen.

Sind Sie überrascht, dass wir nach einem Jahr immer noch nicht wissen, woher die Covid-19-Pandemie kommt?

Solange Covid weitergeht, solange wir es nicht unter Kontrolle haben, denke ich, dass wir unsere Energie auf die Bewältigung der Krankheit konzentrieren sollten und nicht mit Fragen nach dem Ursprung.

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