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Die Schweiz prüft Massnahmen gegen Urheberrechtsverletzungen durch KI

Die Schweizer Medienbranche fordert einen besseren Schutz des geistigen Eigentums
Die Schweizer Medienbranche fordert einen besseren Schutz des geistigen Eigentums Keystone / Gaetan Bally

Journalist:innen, Autor:innen und Künstler:innen kritisieren, dass KI-Systeme mit urheberrechtlich geschützten Inhalten trainiert werden. In der Schweiz prüft das Parlament nun Massnahmen, um geistiges Eigentum besser zu schützen, ohne Innovation zu verhindern.

Im Parlament wird derzeit über eine Massnahme debattiert, die KI-Unternehmen daran hindern soll, Medieninhalte ohne vorherige Genehmigung der Urheberrechtsinhaber:innen zu verwenden.

Die grossen Sprachmodelle (LLMs), die heute das Fundament der KI bilden, werden mit gewaltigen Mengen von Online-Daten trainiert. Einige KI-Firmen sehen sich deshalb dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden Raubkopien, hinter Paywalls versteckte Informationen oder andere urheberrechtlich geschützte Inhalte verwenden.

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Da LLMs eingesetzt werden können, um neue Texte zu schreiben, Bilder zu erstellen oder Musik zu generieren, sprechen viele Kreativschaffende von Diebstahl. Gleichzeitig verzeichnen Verlage aufgrund von KI-generierten Suchzusammenfassungen rückläufige Klickzahlen auf ihren Websites.

«Was KI-Unternehmen tun, ist moderne Piraterie. Sie stehlen unsere sorgfältig recherchierten Inhalte», sagte Andrea Masüger, Präsident des Schweizer Medienverbands, gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung.

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KI erweist sich für die Medien und andere kreative Branchen als Segen und Fluch zugleich. Einerseits kann sie für Recherchen, zur Ideenfindung und zur Erstellung neuartiger Inhalte genutzt werden. Andererseits werden Large Language Models (LLMs) beschuldigt, die Geschäftsmodelle von Content-Produzent:innen zu untergraben.

Disruptive Innovation

Ähnlich wie Musikdownloads oder soziale Medien in der Vergangenheit etablierte Geschäftsmodelle bedrohten, drohen sich vergangene Wellen digitaler Disruption zu wiederholen.

Die Proteste wurden im Schweizer Parlament zur Kenntnis genommen. Es wird über die beste Vorgehensweise diskutiert, um das Problem anzugehen. Im Dezember des vergangenen Jahres entwarf die Parlamentarierin Petra Gössi eine Motion, die Betreiber:innen grosser Sprachmodelle das automatische Sammeln von Medieninhalten verbieten soll, ausser wenn Rechteinhaber:innen einer Nutzung zustimmen. Dieser Vorstoss geht über das KI-Gesetz der Europäischen Union hinaus, das den Inhaltsproduzent:innen die Verantwortung auferlegt, den Zugang durch Opt-out zu verweigern.

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Gössis Motion alarmierte Wissenschaftler:innen, die das Ende der KI-Forschung in der Schweiz voraussagten. Einige befürchteten, dass ein Opt-in-Gesetz die Zukunft von Apertus, dem kürzlich in der Schweiz eingeführten LLM, gefährden würde.

«Die Motion ist sehr schlecht formuliert und zeigt ein mangelndes Verständnis für das Thema», sagt Imanol Schlag, KI-Experte an der ETH Zürich und Co-Leiter von Apertus, gegenüber Swissinfo. «Das ist so, als würde man die Nutzung des Internets verbieten oder den Import von Computern in die Schweiz untersagen.»

Umstrittene Rechtslage

Aufgrund dieses Aufschreis strich eine der beiden Kammern des Parlaments die Opt-in-Klausel in einer geänderten Fassung der Motion, sodass diese nun dem KI-Gesetz der EU ähnelt. Der Ständerat wird voraussichtlich bis Ende des Jahres über die Kompromissfassung der Motion beraten.

Die ursprüngliche Absicht der Motion – der Schutz der Medien vor Urheberrechtsverletzungen durch KI – bleibt unverändert. Viele Gesetzgeber:innen sind jedoch der Meinung, dass das Eidgenössische Institut für Geistiges Eigentum (IPI) die genaue Lösung ausarbeiten sollte.

Die Rechtsexpert:innen in der Schweiz sind derzeit geteilter Meinung darüber, ob KI-Modelle überhaupt gegen das Urheberrecht verstossen. So erlaubt eine Klausel im Urheberrechtsgesetz beispielsweise die Vervielfältigung von Materialien zu wissenschaftlichen Forschungszwecken.

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Der Schweizer Anwalt Vincent Salvade begrüsst das Eingreifen der Legislative, um mehr Klarheit zu schaffen. «Es wäre wünschenswert, das Urheberrechtsgesetz zu überarbeiten, um ausdrücklich festzuhalten, dass die Verwendung bereits bestehender Werke zum Trainieren von KI unter das Urheberrecht fällt», sagt er gegenüber Swissinfo.

«Das Problem ist, dass KI Inhalte generiert, die mit von Menschen geschaffenen Werken konkurrieren und ihnen Marktanteile wegnehmen. KI kann jedoch nur deshalb Inhalte generieren, weil sie mit von Menschen geschaffenen Werken trainiert wird.»

Salvade ist stellvertretender Geschäftsführer der Suisa, einer Agentur, die Lizenzgebühren für Schweizer Musiker:innen einzieht. Er setzt sich für die Schaffung eines Lizenzsystems ein, das KI-Unternehmen für das Scrapen von Daten Gebühren auferlegt.

KI weiterhin in der Entwicklung

Florent Thouvenin, Inhaber des Lehrstuhls für Informations- und Kommunikationsrecht an der Universität Zürich, befürwortet einen Opt-out-Mechanismus, um die Schweiz mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. Dies könnte mit einem gesetzlichen Lizenzmechanismus zur Erhebung von Lizenzgebühren von KI-Unternehmen einhergehen, die diese Daten weiterhin nutzen möchten.

Thouvenin hält es für sinnvoll, dass die Expert:innen des IPI einen detaillierteren Gesetzentwurf zur parlamentarischen Prüfung ausarbeiten. «Die meisten Politiker haben keine fundierten Kenntnisse des Urheberrechts. Es handelt sich um ein sehr technisches Thema», sagte er.

Er warnt jedoch auch, dass Gesetzesänderungen flexibel genug sein müssen, um unterschiedliche und noch unbekannte zukünftige Anwendungsfälle der KI im Zuge der technologischen Entwicklung zu berücksichtigen. «Wer weiss schon, was die KI als Nächstes hervorbringen wird?», sagt er.

Die Digitale Gesellschaft, eine Schweizer Non-Profit-Organisation, die sich für die Rechte der Verbraucher:innen im digitalen Raum einsetzt, warnt vor zu strengen Vorschriften, die «viel Bürokratie, geringe Einnahmen und erheblichen Schaden verursachen», weil sie KI-Unternehmen dazu veranlassen könnten, der Schweiz den Rücken zu kehren.

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Auch andere Länder befassen sich mit den Auswirkungen der KI auf das geistige Eigentum, entweder durch Gesetzgebung – wie in der EU – oder häufiger durch Gerichte, insbesondere in den Vereinigten Staaten. Es wird befürchtet, dass dies zu Rechtsarbitrage führen könnte, durch die die strengsten Länder für globale KI-Unternehmen an Attraktivität verlieren.

Die Medienbranche wehrt sich

David Rosenthal, Partner der Anwaltskanzlei Vischer, ist einer der Anwält:innen, die argumentieren, dass es Aufgabe der Medienunternehmen sei, ihre Geschäftsmodelle an den KI-Boom anzupassen. «Die Geschichte zeigt, dass defensive Strategien zum Schutz bestehender Privilegien langfristig selten gegen den technologischen Fortschritt erfolgreich sind», schrieb er in einem Artikel auf der Website der Kanzlei.

Die Schweizer Medienbranche ist fest entschlossen, weiterzukämpfen. Im April veröffentlichten Medienverbände aus der Schweiz, Deutschland, Österreich und Luxemburg gemeinsam die Zürcher Erklärung. In dieser fordern sie von KI-Unternehmen Transparenz, Quellenangaben, Vergütung, Rechenschaftspflicht und Gleichbehandlung der Medien.

«Ohne klare Regeln dafür, wie KI mit journalistischen Inhalten umgeht, wird das Geschäftsmodell des Journalismus ausgehöhlt. Geistiges Eigentum muss uneingeschränkt respektiert werden, und der Schutz des Urheberrechts für journalistische Inhalte muss auch im digitalen Zeitalter gewährleistet sein», heisst es in der gemeinsamen Erklärung.

Editiert von Gabe Bullard/VdV, Übertragung aus dem Englischen: Michael Heger

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