
Abstimmung über die E-ID: Die Schweiz steht kurz davor, den Schritt zu wagen

Die Schweizer Stimmberechtigten werden in der Volksabstimmung vom kommenden Sonntag voraussichtlich das Gesetz zur elektronischen Identität annehmen – ein langgehegter Wunsch der Auslandschweizer-Organisation. Spannender wird es bei der gleichzeitigen Abstimmung über die Abschaffung des Eigenmietwerts.
Wie in den meisten europäischen Ländern sollen auch die Schweizerinnen und Schweizer ab dem dritten Quartal 2026 eine digitale Identitätskarte auf ihrem Smartphone nutzen können.
Das Stimmvolk wird am Sonntag voraussichtlich das von den Behörden ausgearbeitete E-ID-Projekt an der Urne annehmen. Die letzte SRG-UmfrageExterner Link zwei Wochen vor der Abstimmung lässt kaum Zweifel daran: 59% der Befragten befürworteten damals die elektronische Identität.
Fünfte Schweiz: zunächst mit Vorbehalt, schliesslich überzeugt
Auch die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland unterstützen die E-ID mehrheitlich, mit einer Zustimmung von 60%. Zu Beginn des Abstimmungskampfs waren sie jedoch skeptischer als die Befragten im Inland, wie die erste Umfrage zeigte.
Diese Zurückhaltung überraschte, ist doch die E-ID eine langjährige Forderung der Auslandschweizer-Organisation (ASO). Die Gründe für diese Skepsis sind schwer zu bestimmen.
Politologin Martina Mousson vermutet, dass sie mit den Erfahrungen der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in anderen Ländern zusammenhängen könnte.
Mehrere Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer Online-Debatte berichteten von konkreten Problemen: «Wenn es im Land, wie etwa in Spanien, zu allgemeinen Stromausfällen kommt, funktioniert die E-ID nicht», bemerkte etwa Nutzer JoanBoa.
Im Verlauf des Wahlkampfs nahm die Zustimmung der Fünften Schweiz zu und überstieg sogar leicht jene der Gesamtbevölkerung. Das Engagement des Auslandschweizer-Rats, der eine Resolution zur Unterstützung der E-ID verabschiedete, könnte Wirkung gezeigt haben.
Auch unsere Nutzerinnen und Nutzer teilten positive Erfahrungen: So schreibt Rafiq Tschannen, dass seine letzte indonesische Aufenthaltsgenehmigung einer E-ID entspricht und ihm den Gang zum Einwanderungsamt erspart. Diese positiven Erlebnisse scheinen die anfänglichen Bedenken überwogen zu haben.
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Ein erster Entwurf für eine elektronische Identität ist 2021 an der Urne gescheitert, hauptsächlich weil die Verwaltung privaten Anbietern hätte anvertraut werden sollen. Die Behörden haben nachgebessert und schlagen diesmal eine kostenlose, freiwillige E-ID vor, die vollständig vom Staat verwaltet werden soll.
Diese Punkte spielten im Abstimmungskampf eine wichtige Rolle. Wie Umfragen zeigten, bevorzugt eine Mehrheit der Stimmberechtigten eine staatliche Lösung gegenüber der Abhängigkeit von Technologiegiganten und schätzt, dass die Nutzung freiwillig ist.
Das Projekt fand zudem breite politische Zustimmung. Bis auf die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) unterstützen alle Regierungsparteien das Vorhaben.
Während des Wahlkampfs kritisierte das Referendumskomitee, bestehend aus Mitgliedern der Piratenpartei, der Jungen SVP, der Lega dei Ticinesi und Bewegungen gegen die Covid-Massnahmen, vor allem den Eingriff der E-ID in die Privatsphäre. Zudem wurde moniert, die gewählte Technologie schütze nicht ausreichend vor Cyberangriffen.
Ist die Schweiz bereit für den Schritt zur digitalen Identität?
Ungewissheit bei der Abschaffung des Eigenmietwerts
Spannung herrscht hingegen weiterhin beim zweiten Abstimmungsthema, der Abschaffung des Eigenmietwerts. Das Projekt sieht vor, die Steuer auf selbstgenutzte Eigenheime und Wohnungen abzuschaffen. Im Gegenzug dürfen die Kantone für den eigenen Gebrauch genutzte Zweitwohnungen besteuern.
Die Unterstützung für diese vom Parlament ausgearbeitete Reform der Wohneigentumsbesteuerung nahm während des Abstimmungskampfs stetig ab. Zwei Wochen vor dem Urnengang lag sie nur noch bei 51%. Bei den Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern sank sie sogar auf 49%.
Die linken Parteien, die das Vorhaben ablehnen, konnten im Kampagnenverlauf anscheinend einige überzeugende Argumente vorbringen: die Reform führe zu Mindereinnahmen, während der Bund Sparmassnahmen anstrebe, und von der Änderung würden vor allem wohlhabende Eigentümerinnen und Eigentümer profitieren, während die Mittelschicht die Zeche zahlen müsste.
Eigenmietwert-Abstimmung: Das sind die Konfliktlinien:

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Eigenmietwert-Abstimmung: Das sind die Konfliktlinien
Die Gegnerinnen und Gegner des Eigenmietwerts finden sich bei den bürgerlichen Parteien. SVP, Die Mitte und die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) haben für die Reform geworben und eine ungerechte Steuer auf ein fiktives Einkommen kritisiert.
Ihr Kampf gegen den Eigenmietwert ist nicht neu: Sie haben mehrfach versucht, diesen abzuschaffen. Der letzte Versuch scheiterte 2012 an der Urne mit 53% Nein-Stimmen.
Über die klassische Links-Rechts-Spaltung hinaus zeigten die Debatten um das Projekt weitere Konfliktlinien. Die wichtigste trennt Mietende und Besitzende: Erstere lehnen die Reform mit 62% deutlich ab, während letztere sie in gleicher Höhe befürworten.
In der Diskussion um den Eigenmietwert zeigt sich zudem ein Röstigraben: Laut letzter Umfrage lehnt die Romandie die Abschaffung ab, während die Deutschschweiz eher dafür ist.
Ebenso gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen städtischen und ländlichen Gebieten: In den Städten, wo die Mehrheit zur Miete lebt, wird das Projekt abgelehnt, während es in ländlichen Gegenden und Agglomerationen unterstützt wird.
Editiert von Pauline Turuban, Übertragung aus dem Französischen mithilfe von Perplexity: Christian Raaflaub

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