Asylinitiative: Auf Messers Schneide

Die Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP) "gegen Asylrechtsmissbrauch" dürfte heute mit einem hauchdünnen Resultat entschieden werden.
Trotz Hochrechung konnte das Rechenzentrum der SRG SSR idée suisse bisher keine genauen Resultate bekannt geben.
«Das habe ich noch nie erlebt», meinte ein erstaunter Claude Longchamp, Leiter des Rechenzentrums der SRG SSR idée suisse. Denn alles lasse derzeit auf ein ausserordentlich knappes Resultat für die Asylinitiative schliessen. Diese würde zur Annahme ein Ja von Volk und Ständen benötigen.
Eine Aussage lasse sich zur Zeit schon machen: Je mehr Flüchtlinge in einem Kanton wohnten, desto höher sei die Initiative verworfen worden. Zwischen den Kantonen sei eine «harte Polarisierung des Landes» festzustellen, so Longchamp.
Und: SVP- und FDP-Wähler stimmten zusammen mit ländlichen Gebieten Ja, Städter standen der Initiative eher kritisch gegenüber.
Schweiz zu attraktiv?
Die Schweiz sei viel zu attraktiv für Asylsuchende, die eigentlich nur hier arbeiten wollten, sagt die Schweizerische Volkspartei (SVP). Sie hatte daher die Initiative «gegen Asylrechtsmissbrauch» lanciert.
Diese will Asylbewerber zurückschicken, die über ein sicheres Transitland in die Schweiz eingereist sind und dort schon hätten Asyl beantragen können.
Ausserdem sollen Sozialleistungen für in der Schweiz lebende Asylbewerber eingeschränkt und vereinheitlicht und ein Arbeitsverbot eingeführt werden.
Kritik kam sowohl von bürgerlicher als auch von linker Seite. «Die Initiative gibt vor, Missbräuche zu bekämpfen. Aber im Grundsatz schafft sie das Asylrecht eigentlich ab», kritisierte Cécile Bühlmann, Präsidentin der Grünen Fraktion und Vize-Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.
Humanitäre Tradition in Gefahr?
Justizministerin Ruth Metzler, betraut mit dem Asylwesen, beurteilte die Initiative als «Scheinlösung». Die Drittstaatenregelung breche mit der humanitären Tradition der Schweiz.
Ins gleiche Horn stiessen auch linke und bürgerliche Politikerinnen und Politiker. Ein bürgerliches Komitee «gegen Scheinlösungen im Asylbereich» bezeichnete die Initiative schlicht als untauglich, ihre Forderungen kämen die Schweiz zu teuer.
Für die Linke geht schon die derzeitige Asylpolitik des Bundesrates an die Grenzen der Genfer Konvention für die Behandlung von Flüchtlingen. Ihre Befürchtung: Die Schweiz würde bei einer Annahme ihre humanitäre Tradition verlieren.
Doch die SVP sieht das anders: Sie ist der Meinung, dass die Schweiz ihre humanitäre Tradition damit stärkten würde, weil sie «wieder Kapazitäten hat, um echt humanitär tätig zu werden, jenen Leuten Asyl und Unterkunft zu geben, die das nötig haben», wie Parteipräsident Ueli Maurer gegen über swissinfo erklärte.
Asylgesetz wird verschärft
In den letzten Monaten hatte der Bundesrat in der laufenden Revision des Asylgesetzes strengere Massstäbe angesetzt und kam damit den Forderungen der Initiative in vielen Punkten entgegen.
Die SVP begrüsste die Verschärfungen, doch in der Praxis würden diese immer wieder verwässert. Sie beharrte daher auf der Initiative.
Doch diese dürfte in der Praxis schwer umzusetzen sein, meint Jean-Daniel Gerber, Direktor des Bundesamtes für Flüchtlinge: «Wir können zur Zeit nur 10 Prozent der Asylsuchenden in sichere Drittländer zurückschicken.»
Initiativen abgelehnt
Die Initiative gegen Asylrechtsmissbrauch ist die dritte Initiative im Asyl- und Ausländerbereich innerhalb der letzten zehn Jahre. Die letzten beiden Initiativen wurden 1996 und 2000 von Volk und Ständen abgelehnt.
Die vorliegende Initiative wurde in der Zeit des Kosovo-Krieges 1999 lanciert. Damals suchten besonders viele Menschen Schutz in der Schweiz. Nach Ende des Krieges kehrten über 42’000 Vertriebene zurück in ihre Heimat.
Damit sind zur Zeit rund 67’000 Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Menschen in der Schweiz. Im Unterschied zum EU-Durchschnitt hat die Zahl der Asylgesuche in der Schweiz seit 2001 jedoch wieder leicht zugenommen.
Über die Initiative «gegen Asylrechtsmissbrauch» entscheiden das Volks- und das Ständemehr.
swissinfo, Christian Raaflaub
Zur Zeit leben 26’000 anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz.
Rund 95 Prozent der Asylsuchenden kommen auf dem Landweg in die Schweiz.
Letzte Umfragen ergaben 43% Ja-Stimmen und 37% Nein-Stimmen.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards
Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!
Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch