Deutliches Ja: Der Eigenmietwert wird abgeschafft
Die Schweiz hat den Eigenmietwert abgeschafft: 57,7% der Stimmberechtigten sagten Ja zur Verfassungsänderung. Damit geht ein jahrzehntelanger politischer Streit zu Ende.
Es wurde ein knappes Rennen um die Abschaffung des Eigenmietwerts erwartet, doch die Befürworter:innen der Vorlage konnten sich bald entspannen: Schon die ersten Trends und Hochrechnungen zeigten mit 57% Ja-Stimmen einen deutlichen Vorsprung an.
Noch vor der Auszählung aller Kantone kündigte Politologe Lukas Golder ein flächendeckendes Ja an: «Der grosse Sieger ist der Hauseigentümerverband», sagt er im Abstimmungsstudio von SRF.
Schliesslich nahmen die Schweizer Stimmenden die Vorlage zu den Liegenschaftssteuern mit 57,7% an und schafften damit den Eigenmietwert ab. Ein erstaunlich unaufgeregtes Ende eines emotionalen Wahlkampfs.
Die Schweizerinnen und Schweizer im Ausland haben sich noch deutlicher für die Reform ausgesprochen. In jenen zwölf Kantonen, welche die Beteiligung der Bürger:innen im Ausland separat ausweisen, betrug ihr Ja-Anteil 69%.
Hier geht es zur Übersicht über den Abstimmungssontag vom 28. September 2025:
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Resultate der Abstimmungen vom 28. September in der Schweiz
Das Ja zur Liegenschaftssteuer-Vorlage ist der Schlusspunkt eines jahrzehntelangen politischen Kampfs um den Eigenmietwert. Schon dreimal – 1999, 2004 und 2012 – wurde seine Abschaffung an der Urne abgelehnt. Nun haben die bürgerlichen Parteien zusammen mit dem Eigentümer- und dem Gewerbeverband die Hürde genommen.
Auf beiden Seiten ist man sich einig: Die Kampagne der Hauseigentümer:innen war sehr stark. Kurz vor der Abstimmung hat der Eigenmietwert an Zustimmung verloren, der Ausgang schien offen.
Starke Mobilisierung
Doch die Eigentümer:innen haben es im Schlussspurt geschafft, zu mobilisieren. Besonders auf dem Land, bei älteren und wohlhabenden Schweizer:innen waren sie erfolgreich – das sind auch diejenigen, die abstimmen gehen.
So konnten sie die Mietenden, die mit 60% die Mehrheit darstellen, überstimmen. «Es profitiert höchstens ein Drittel von diesem Resultat», sagt die Basler SP-Ständerätin Eva Herzog in der Diskussionsrunde von SRF. Die jüngeren Leute hätten nicht gesehen, was das Thema mit ihnen zu tun habe – oder seien nicht genug abgeschreckt worden.
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Im Nein-Lager ist man sich einig, dass der Erfolg der Kampagne an den finanziellen Mitteln lag, der Hauseigentümerverband hat eine Rekordsumme von sieben Millionen Franken in den Abstimmungskampf investiert. «Dieses Geld haben wir nicht», sagt Lisa Mazzone bei SRF. «Bei den Anliegen der Mieter:innen ist weniger wirtschaftliches Interesse vorhanden.»
Die Gegner:innen hätten auch beim Argumentieren die schwierigere Position gehabt, sagt Michael Töngi, Vizepräsident des Mieterinnen- und Mieterverbands zu SRF. «Wir mussten den Mieterinnen und Mietern erklären, dass es Steuerausfälle gibt und sie das dann am Schluss bezahlen müssen.» Für die Hauseigentümer sei der Eigenmietwert direkter fassbar gewesen.
Gregor Rutz, Präsident des Hauseigentümerverbands, appelliert an die MietendenExterner Link: «Die Steuern werden nicht steigen – und auch für sie wird es nun einfacher, Wohneigentum zu erwerben.» Es ist anzunehmen, dass auch einige Mieter:innen für die Vorlage abgestimmt haben, in der Hoffnung, später zu den Eigentümer:innen zu gehören.
Tiefer Röstigraben
Die Verfassungsänderung dürfte frühestens 2028 in Kraft treten. Wie die neue Objektsteuer umgesetzt wird, gilt es noch zu bestimmen. Zu den fehlenden Steuereinnahmen sagt Brigitte Häberli-Koller, Vizepräsidentin des Hauseigentümerverbands in der Diskussionsrunde von SRF. «Die Hauseigentümer haben mehr Geld zur Verfügung, sie werden das in energetische Sanierungen investieren, was wieder Steuereinnahmen generiert. Das Gewerbe wird profitieren.»
Auch die Romandie stand auf der Verliererseite, das Schlussresultat zeigt einen tiefen Röstigraben. An der Medienkonferenz des Bundesrats sagte Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter, dass bereits im Parlament die Skepsis der Welschschweiz spürbar gewesen sei, der Eigenmietwert werde dort anders wahrgenommen, auch weil er tiefer sei. Zudem seien auch Bürgerliche für die Beibehaltung des Eigenmietwerts und die Steuerabzüge gewesen.
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Politologin Chloé Jans erklärt den Röstigraben gegenüber 20 MinutenExterner Link damit, dass die Romandie häufiger links stimme, zudem gebe es in der Westschweiz eine tiefere Wohneigentumsquote als in der Deutschschweiz.
Auch die GebirgskantoneExterner Link lehnten den Systemwechsel bei den Liegenschaftssteuern ab. Doch die Stimmbürger:innen schienen auf die angebotene Lösung einer neuen Liegenschaftssteuer für Zweitwohnungen zu vertrauen. Ausser dem Kanton Wallis waren alle Bergkantone für die Abschaffung des Eigenmietwerts.
Darum geht es beim Eigenmietwert
Wer in der Schweiz ein Eigenheim besitzt, muss den sogenannten Eigenmietwert versteuern. Der Eigenmietwert ist eine Schweizer Besonderheit; ein fiktives Einkommen, das man beim Vermieten der Immobilie erwirtschaften könnte. Die Steuer soll den Vorteil gegenüber Mietenden ausgleichen. Den genauen Betrag des Werts legen die Kantone fest, er beträgt in der Regel mindestens 60% der marktüblichen Miete.
Die vom Parlament verabschiedete Gesetzesänderung sieht vor, dass auch Steuerabzüge für Hypothekarzinsen und Unterhaltskosten wegfallen würden. Die Bergkantone haben sich gegen die Abschaffung des Eigenmietwerts gewehrt, da ihnen Steuereinnahmen von Zweitwohnungen entgehen würden.
Das Parlament hat eine Verfassungsänderung beschlossen, die eine Liegenschaftssteuer für selbstgenutzte Zweitwohnungen vorsieht. Da eine Änderung der Verfassung dem obligatorischen Referendum obliegt, kommt es zur Abstimmung, die neben dem Volksmehr auch das Ständemehr erfordert. Auf dem Abstimmungszettel taucht der Begriff «Eigenmietwert» deshalb nicht auf; die Vorlage trägt offiziell den Titel «Liegenschaftssteuern auf Zweitliegenschaften».
Das sind die Argumente
Die Befürworter:innen sehen in der Abschaffung des Eigenmietwerts eine Entlastung für Eigenheimbesitzer:innen, insbesondere für Rentner:innen. Zudem werde das Steuersystem einfacher und die bisherigen Fehlanreize – hohe Hypotheken möglichst lange zu behalten – würden beseitigt.
Gegner:innen warnen vor Milliardenverlusten bei den Steuereinnahmen von Bund und Kantonen. Mietende könnten gegenüber Hausbesitzenden benachteiligt werden, und der Wegfall der Abzüge für Unterhalt und Schuldzinsen könnte Investitionen in Immobilien bremsen.
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