The Swiss voice in the world since 1935
Top Stories
Schweizer Demokratie
Newsletter

Lukas Reimann: «Ein Auslandschweizer im Parlament würde nicht schaden»

Lukas Reimann auf einem Balkon des Bundeshauses.
«Wer eine Idee oder ein Problem hat, bei dem von der Schweiz aus etwas unternommen werden kann, kann sich gern melden», sagt der St. Galler Nationalrat Lukas Reimann. Swissinfo/Claire Micallef

EU-Verträge, 13. AHV-Rente und Schweizer:innen im Ausland: Der St. Galler Nationalrat Lukas Reimann im Interview über politische Prioritäten, persönliche Verbindungen ins Ausland und die Rolle der Schweiz in einer polarisierten Welt.

Im Alter von 25 Jahren wurde Lukas Reimann für die Schweizerische Volkspartei (SVP) in den Nationalrat gewählt. In den folgenden 17 Jahren engagierte sich der studierte Jurist aus Wil im Kanton St. Gallen besonders in der Rechts- und Staatspolitik.

Derzeit ist Reimann unter anderem Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats und setzt sich in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe «Auslandschweizer» für die Interessen jener ein, die eine Heimat ausserhalb der Landesgrenzen gefunden haben.

Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus

Im Gegensatz zu Frankreich oder Italien, die ihren im Ausland lebenden Bürgerinnen und Bürgern Wahlkreise einräumen, haben die Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer keine direkte Vertretung unter der Bundeskuppel.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass ihre Interessen nicht berücksichtigt werden. Mehr als 60 Mitglieder von National- und Ständerat (von 246) sind in der parlamentarischen Freundschaftsgruppe «Auslandschweizer» versammelt.

In jeder Sessionswoche lassen wir einen von ihnen in unserem neuen Format «Die Fünfte Schweiz im Bundeshaus» zu Wort kommen.

Swissinfo: Welches Geschäft hat für Sie während dieser Session Priorität?

Lukas Reimann: Die EU-VerträgeExterner Link sind ein zentrales Thema. In der ersten Sessionswoche konnte ich sie während drei Stunden einsehen. Mit der Veröffentlichung geht die Arbeit erst richtig los: Die Verträge müssen genau geprüft werden und allenfalls braucht es eine Kampagne dagegen.

Weiter war die Volksinitiative «200 Franken sind genug!» wichtig. Dass sich 76 Rednerinnen und Redner angemeldet haben, zeigt, wie stark das Thema das Parlament und wahrscheinlich auch die Schweizer bewegt.

Gibt es auch spezifische Themen, die für Auslandschweizer:innen besonders wichtig sind?

In den EU-Verträgen behandeln 76 Seiten den Austausch von Studenten, was natürlich auch Schweizer im Ausland betrifft. Es geht zudem um gegenseitige Personenfreizügigkeit, was aber wohl eher für die Menschen in der Schweiz ein Problem darstellt und weniger für Auslandschweizer.

Innenpolitisch betrifft die 13. AHV-Rente ebenfalls die Schweizer im Ausland, vor allem ältere Generationen. Allerdings bin ich generell der Meinung, als (Ausland-) Schweizer sollte man sich für alle Geschäfte interessieren – auch für jene, die einem nicht direkt betreffen. Denn als Schweizer Bürger ist man trotzdem mitbeteiligt.

Mehr
Newsletter zur Schweizer Politik

Mehr

Unser Newsletter zur Schweizer Politik

Bundesbern kompakt: Abstimmungen, Parlamentsgeschäfte und neue Ideen auf den Punkt gebracht. Alles, was es zum mitreden braucht in einem einzigen Newsletter.

Mehr Unser Newsletter zur Schweizer Politik

Wie ist Ihre persönliche Beziehung zur Fünften Schweiz?

Mein Bruder lebt seit knapp zehn Jahren in Taiwan, weswegen ich einige Probleme der Auslandschweizer in Bezug auf Bankkonto oder Krankenversicherung kenne. Da die Schweiz Taiwan offiziell nicht anerkennt, kommen dort noch spezifische Schwierigkeiten hinzu.

Zudem habe ich einige Verwandte in Texas, die bereits in dritter oder vierter Generation dort leben. Vor über 100 Jahren wanderte ein Mann aus der Gemeinde Mosnang in die USA aus. Da es dort als Einwanderer allerdings schwierig war, eine Frau zu finden, kam er mit diesem Ziel zurück in die Schweiz – und traf die Schwester meines Grossvaters.

Gemeinsam wanderten sie wieder aus und seither lebt dieser Teil meiner Familie in den USA.

Die Verbindung zur Schweiz ist aber geblieben: Eine Schweizerfahne hängt draussen an der Farm und sie sprechen noch Schweizerdeutsch – allerdings so, wie hier vor 100 Jahren. Ihr Schweizerdeutsch hat sich nicht weiterentwickelt.

Wie sehen Sie die Schweiz heute in der Welt?

Die Schweiz befindet sich in einer schwierigen Situation. Wir sind eine offene Volkswirtschaft und wollen möglichst mit allen einen freien Handel.

Als neutrales Land wollen wir zudem mit allen das Gespräch suchen. Je mehr sich die Welt polarisiert, desto schwieriger wird das. Ein weiteres Problem liegt im zunehmenden Protektionismus, den einzelne Länder betreiben. Obwohl ich diese Position verstehen kann: Für ein kleines Land wie die Schweiz geht das nicht. Wir sind auf den Handel angewiesen, der uns viel Wohlstand gebracht hat.

Unsere Rolle als neutraler Vermittler, der humanitär hilft und einen Ort bietet, an dem zwei Seiten zusammenkommen können, ist meiner Meinung nach zentral. Es ist kein Zufall, dass sich China und die USA in Genf zu Gesprächen über ihren Handelsstreit getroffen haben – zumindest in der ersten Phase.

Das ist eine positive Rolle, die die Schweiz in der Welt einnehmen und mit der sie der Welt etwas geben kann. Ein Ort, wo sich alle treffen und über Frieden oder Handel verhandeln können.

Mit unserer App SWIplus erhalten Sie täglich die wichtigsten Nachrichten aus der Schweiz kompakt zusammengefasst, dazu die Top-Nachrichtensendungen von SRF wie die Tagesschau und das Echo der Zeit sowie sämtliche Berichte über die Entwicklungen in Ihrem Wunschkanton. Erfahren Sie hier mehr über die App.

Welche Erfolge konnten Sie mit Ihrem Engagement für die Schweizer:innen im Ausland erzielen?

Ich habe einige Erfolge erzielt, die für alle Schweizerinnen und Schweizer wichtig waren. Ich glaube, dass die Schweiz heute in der Welt so gut dasteht – sei es mit einer tieferen Arbeitslosigkeit, mit höherem Wohlstand oder besserer Lebensqualität als in vielen Ländern – liegt unter anderem an unserer eigenständigen und aus meiner Sicht bürgernahen Politik.

Wie profitieren Auslandschweizer:innen von dieser bürgernahen Politik?

In der Schweiz erreicht man einen Politiker viel einfacher als in den meisten Ländern. Andernorts haben Politiker teils 20 Leute um sich, als Bürger kommt man gerade einmal an den fünften Sekretär.

Wenn man mir oder irgendjemandem im Parlament eine Mail schreibt oder eine Nachricht auf den sozialen Medien, stammt die Antwort zu 99% vom Politiker selbst.  

Ich erhalte relative viele Mails, auch von Auslandschweizern. Die Themen sind sehr vielfältig. Wer eine gute Idee oder ein Problem hat, bei dem von der Schweiz aus etwas unternommen werden kann, kann sich also gern melden.

Sind die Interessen der Auslandschweizer:innen im Bundeshaus Ihrer Meinung nach genügend vertreten?   

Auslandschweizer sind Botschafter für die Schweiz in der ganzen Welt, ihre Stimme ist eine verlängerte Stimme der Schweiz. Daher ist eine gute Vertretung im Parlament wichtig.

Viele haben ein offenes Ohr für die Anliegen der Auslandschweizer. Wir sind uns bewusst, dass sie über 10% der Schweizer Bevölkerung ausmachen. Es würde sicher nicht schaden, wieder einen Auslandschweizer im Parlament zu haben. Allerdings ist es schwieriger mit den Präsenzzeiten, je weiter weg man lebt – nicht nur während den Sessionen, sondern auch für die Kommissionssitzungen.

Wenn Sie selbst auswandern würden, welches Land wählen Sie?

Ich betrieb lange eine Firma in Göteborg, daher sage ich Schweden – aber nicht unbedingt in Göteborg, dort wurde mehrmals bei uns eingebrochen.

Aber im Norden von Schweden ist es sowohl im Sommer als auch im Winter traumhaft schön, daher wäre das wohl meine Wahl.

Editiert von Balz Rigendinger

Externer Inhalt
Mit der Schweiz verbunden

Beliebte Artikel

Meistdiskutiert

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft