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Wahlen in den Auslandschweizer-Rat: Das ist die Bilanz

Lukas Weber, Direktor der Auslandschweizer-Organisation, wendet sich an der Konferenz der ASO Deutschland an die angereisten Teilnehmer:innen.
Lukas Weber, Direktor der Auslandschweizer-Organisation, wendet sich an der Konferenz der ASO Deutschland an die angereisten Teilnehmer:innen. Swissinfo

Die Auslandschweizer:innen haben ihren Auslandschweizerrat weitgehend per Direktwahl gewählt. Die Hoffnung war: mehr Repräsentativität, mehr Verbundenheit – aber auch der Nachweis, dass das klappen kann. Wie ist der Erfolg?

Mehr Demokratie, mehr Repräsentativität: Mit elektronischen Direktwahlen will sich der Auslandschweizerrat öffnen. Also auch für jene Auslandschweizer:innen zugänglich werden, die nicht in einem Schweizer Verein mitmachen, sei es als Wähler:in oder als Kandidat:in.

In 13 Wahlkreisen konnten alle volljährigen und bei einer Schweizer Vertretung registrierten Auslandschweizer:innen diesen Frühling ihre Vertreter:innen für das sogenannte «Parlament» der Fünften Schweiz wählen.

So auch in Deutschland, wo nach Frankreich die grösste Gemeinschaft von Auslandschweizer:innen lebt. Und das ist die Bilanz: Von den 62’667 registrierten Wahlberechtigen gaben 4416 ihre Stimmen ab, was einer Wahlbeteiligung von 7% entspricht. Das klingt zunächst nach wenig, ist jedoch eine massive Steigerung gegenüber früheren Wahlen ohne Direktwahl: 2021 wählten 32 Vertreter:innen der 40 stimmberechtigten Schweizer Vereine. Ein klarer Erfolg.

Dementsprechend zeigt sich Tobias Orth, Vize-Präsident der Auslandschweizer-Organisation Deutschland und Mitglied der ASO-Arbeitsgruppe zur Wahlreform, zufrieden mit der Beteiligung.

«Mein ursprüngliches Ziel waren 2500, dann 3500. 5000 schien mir zwar noch etwas hoch, doch wir schauten, wie weit wir kommen.» Ziel sei nun, irgendwann auf 15% zu kommen, was 9400 Wählenden entsprechen würde.

Die ASO Deutschland erlebt eine kleine Zeitenwende. Lesen Sie unseren Artikel zur diesjährigen Konferenz in Kassel:

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Technische Hürden

Mit 7% liegt Deutschland im Mittelfeld der Wahlkreise mit Direktwahlen. Am eifrigsten gewählt haben in Japan und Singapur wohnhafte Schweizer:innen.

«Dies könnte mit den kleineren Schweizer Communities zusammenhängen, einer stärkeren Verbundenheit mit der Schweiz, eine stärkere Präsenz der Schweizer Clubs oder einer aktiveren Bewerbung der Wahlen», sagt Noel Frei, der wie Tobias Orth als Mitglied der ASO-Arbeitsgruppe die Wahlen begleitet hat.

In Deutschland hätten bis zum Schluss gar nicht alle gewusst, dass sie direkt wählen können, sagt Lengning. Daraus ergibt sich vielleicht eine Aufgabe für die kommende Legislatur: Man könnte die Zeit nutzen, um das neue Wahlsystem breiter bekannt zu machen, damit die Wahlen in vier Jahren zum kleinen Ereignis werden.

Es gab aber auch ein Defizit im Mailverkehr: Nicht alle Wahlberechtigten haben die E-Mail mit den Wahlinformationen erhalten. Verschickt wurden die Mails über das Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA. Wer dort jedoch keine aktuelle E-Mail-Adresse hinterlegt hatte, blieb aussen vor. Ein Vorwurf ist dem EDA also nicht zu machen.

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Da es sich um ein Massenmail handelte, wurden zudem einige Mails von Spamfiltern abgefangen. Bis zur nächsten elektronischen Direktwahl soll dies verbessert werden.

Ein weiteres Malheur ereignete sich bei den weltweit versandten individuellen Codes, die zur Verifizierung der Stimmabgabe dienten. Wer gleich am ersten Tag die Stimme abgeben wollte, wurde für den Enthusiasmus bestraft. Im Code fehlte ein Buchstabe. «Als die Wahl am Sonntagmorgen begann, erhielten wir viele Meldungen, dass nicht abgestimmt werden konnte», sagt Orth.

Ein paar Schweissausbrüche später war das Problem behoben, am Nachmittag desselben Tages konnten die ersten Auslandschweizer:innen ihr politisches Recht ausüben. Es gab also Kinderkrankheiten. Sie führten zu Lerneffekten, alles im Grünen.

Ein Sitz im Bundesparlament?

Schweizer und deutsches Wappen auf einem Pin und Sticker
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Ziel ist, dass 2029 alle Länder, die in den Wahlkreisen der Auslandschweizer-Organisation zusammengefasst sind, ihre Vertreter:innen im Auslandschweizerrat per Direktwahl bestimmen. Tobias Orth ist überzeugt, dass dies gelingen wird. «Global betrachtet waren die Wahlen ein Erfolg.» Zudem soll die Durchführung dann nicht mehr bei einer internen Arbeitsgruppe liegen, sondern direkt bei der Auslandschweizer-Organisation ASO. Nach dem Pilot also eine Professionalisierung, das ist Projektmanagement wie aus dem Lehrbuch.  

«Die wohl grösste Herausforderung liegt auf lokaler Ebene, dass die Länder und ihre Auslandschweizergemeinschaften den Mehrwert in diesem Systemwechsel sehen und sich aktiv einbringen», sagt Frei. Hinzu komme die Frage ums Geld, da die nachhaltige Finanzierung des Projekts noch geklärt werden müsse.

Lesen Sie dazu unseren Artikel zum Beschluss des Auslandschweizerrats, das Projekt für direktere Wahlen durchzuführen:

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«Die Hoffnung ist, dass jetzt mehr angepackt wird», sagt Lengning. Denn schliesslich entspricht die breitere Abstützung der Vertreter:innen im Auslandschweizerrat einem politischen Wunsch.

Ein langfristiges Ziel dieser Öffnung zu demokratischeren Wahlen ist eine parlamentarische Vertretung im National- bzw. im Ständerat. «Wenn alle Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben können, ist die Forderung nach einer Vertretung legitimer, als wenn zum Beispiel nur 40 Personen in einem Land gewählt haben», sagt Orth.

Braucht es eine Mitgliedschaft?

Damit geht es für die Arbeitsgruppe von ASO International in die Evaluationsphase: Probleme werden ausgewertet, Rückmeldungen der Wahlkoordinator:innen der verschiedenen Länder, von Wählenden und Vereinen zusammengetragen.

Von Seiten einiger Schweizer Clubs und Vereine wurde noch vor einem Jahr Besorgnis um allfällige Manipulationen geäussert, es gab auch Angst vor Machtverlust. Die Skepsis scheint sich gelegt zu haben. Kritikpunkte, beispielsweise dass Kandidierende für den Auslandschweizerrat keinem Verein mehr angehören müssen, behalten bei vielen jedoch ihre Gültigkeit.

In Gesprächen sollen nun Lösungen gefunden werden. «Man muss auf jeden Fall nochmals gemeinsam über die Statuten», sagt Lengning zur Zusammenarbeit mit den Schweizer Vereinen in Deutschland. Besonders in Bezug auf die Frage, ob Kandidierende Mitglied eines Vereins oder Direktmitglied bei der ASO sein müssen, gibt es Klärungsbedarf.

«Ob Kandidierende Direktmitglied bei der ASO sind, Mitglied in einem Verein oder keines von beidem, sollte keine Rolle spielen», sagt Orth. Entscheidend sei die Substanz des Engagements. Sonja Lengning sieht das anders: «Es geht nicht, dass sich jemand aufstellen lässt, sich aber ohne eine Mitgliedschaft in einem Verein oder bei der ASO nicht an den Kosten beteiligt.»

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