Schweizer Hauptstadt wählt ihr Führungsteam
Am 28. November wählt Bern eine neue Exekutive und Legislative. Rechts und Links kämpfen um das Amt des Stadtpräsidenten.
Auch um den von 7 auf 5 Mitglieder verkleinerten Gemeinderat wird heftig gerungen. Die rot-grüne Koalition dürfte dabei die Oberhand behalten.
Spannend wird der Wahlgang vom 28. November in Bern, weil der Gemeinderat, die Stadtregierung, von 7 auf 5 Mitglieder verkleinert wird. Zwangsläufig müssen dabei mindestens zwei der bisherigen Mitglieder über die Klinge springen.
«Die rot-grüne Koalition wird sicherlich die Mehrheit behalten», glaubt Werner Seitz, Verantwortlicher der Sektion «Kultur, Politik und Lebensbedingungen» im Bundesamt für Statistik (BFS).
Flaue Kampagnen
Laut dem Berner Politologen sollten die Sozialdemokraten (SP) und die Grünen, die derzeit vier Sitze in der Regierung innehaben, «fast sicher drei der fünf Sitze halten können».
In einer eher glanzlosen Kampagne wurden hauptsächlich die umstrittene Verkehrsführung um den Bahnhof und die Sicherheit rund um das alternative Zentrum Reithalle thematisiert.
Newcomer mit Chancen
Bei der Gemeinderatswahl (Exekutive) präsentiert die linke Koalition ein Viererticket. Dabei dürften die beiden Sozialdemokraten Alexander Tschäppät und Edith Olibet wiedergewählt werden.
Weniger klar sieht es bei den zwei «Newcomern» aus, den Grünen Alec von Graffenried (Berner Regierungsstatthalter) und Regula Rytz (Kantonsparlamentarierin).
«Der Ausgang des Kampfes zwischen den beiden Grünen ist offen», sagt Werner Seitz. «Rytz ist im rot-grünen Block besser integriert, während von Graffenried auch Stimmen aus der Mitte erwarten kann.»
Zwei weitere Mitglieder der gegenwärtigen rot-grünen Mehrheit im Gemeinderat werden nicht wieder kandidieren: Stadtpräsident Klaus Baumgartner (SP) und die grüne Nationalrätin Therese Frösch.
Bürgerliches Gedränge
Im bürgerlichen Lager scheint einzig der freisinnige Nationalrat Kurt Wasserfallen (FDP) gute Chancen auf eine Wiederwahl zu haben. Er kann laut Seitz dank seiner kompromisslosen Rechtspolitik auf eine treue Stammwählerschaft zählen.
Um den zweiten bürgerlichen Sitz dagegen buhlen gleich drei Kandidaten: Der bisherige Christdemokrat Adrian Guggisberg sowie die neu antretenden Beat Schori von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) und Barbara Hayoz (FDP).
Guggisberg könnten sein blasses Image und seine Zugehörigkeit zur kleinsten bürgerlichen Kraft das Amt kosten. Er wird vom rechtsbürgerlichen Schori hart bedrängt. Hayoz präsentiert sich als Brückenbauerin. Ihr räumt Seitz auf Grund ihres Bekanntheitsgrads jedoch nur Aussenseiterchancen ein.
Würze in den Wahlkampf bringt die wilde Kandidatur der bisherigen Gemeinderätin Ursula Begert, die während der Amtszeit von ihrer Partei SVP fallen gelassen wurde.
Der Fall Begert
Sie ist – nach der kürzlichen Demission des Zürcher SVP-Regierungsrats Christian Huber, der sich von seiner Partei nicht mehr verstanden fühlte – ein weiterer Fall einer «SVP-Dissidentin».
Seit 2003 Vorsteherin des Polizeidepartements der Stadt Bern, hatte sich Begert von der offiziellen Parteilinie distanziert, vor allem was Drogenfragen, Familienpolitik und das Kulturzentrum Reithalle betrifft.
«Sie hat die Unterstützung ihrer Partei verloren, weil sie zu entgegenkommend war und zu nahe der Mitte politisierte», vermutet Seitz. «Mit dem Rauswurf machte die SVP klar: Wir wollen jemand, der härter und radikaler ist.»
Nachdem sie aus der Berner Sektion geworfen wurde, startete die bisherige Gemeinderätin eine eigene Kampagne, ohne eine Partei im Rücken.
Doch ihre Erfolgschancen sind eher klein. Das Wahlsystem, das eine proportionale Aufteilung der Sitze nach Parteistärken vorsieht, gibt einer unabhängigen Kandidatin nur wenig Möglichkeiten.
Eine linke Stadt
Für die Nachfolge von «Stapi» Klaus Baumgartner stehen drei Kandidaten in den Startlöchern. Zwei aktuelle Gemeinderäte, Alexander Tschäppät und Kurt Wasserfallen, sowie der Aussenseiter Daniele Jenni, ein grüner Anwalt.
Favorit im Rennen ist der 52jährige Tschäppät, der auf eine breite Unterstützung zählen kann, die weit über die Mitte hinausgeht.
Bei der Wahl für den 80-köpfigen Stadtrat, die Legislative, rechnet Seitz mit dem Fortbestand der seit 1992 bestehenden Rot-Grün-Mitte-Mehrheit. «Die Linke und die SVP dürften zwei Sitze hinzu gewinnen, auf Kosten der Mitte-Parteien», prognostiziert er.
Diese Wahlen würden damit wohl den nationalen Trend hin zu den politischen Polen bestätigen: «Wenn wir kantonale Wahlen analysieren, wie beispielsweise in Basel, sind es immer die linken oder rechten Parteien, die dazugewinnen, während die Mitte schwächer wird», schliesst der Politologe.
swissinfo und Agenturen
Am 28. November bestimmen Stadtbernerinnen und -berner sowohl das Parlament (Stadtrat), die Exekutive (Gemeinderat) wie auch den Stadtpräsidenten.
Der Gemeinderat wird von 7 auf 5 Mitglieder verkleinert.
Für die 80 Parlamentssitze kandidieren 443 Personen auf 15 Listen.
Die Verkleinerung des Berner Gemeinderates von 7 auf 5 Mitglieder ist eine Folge der Abstimmung vom 8. Februar 2004.
Damals hatten rund 60% der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger dieser Massnahme zugestimmt.
Damit soll die Stadt Bern jährlich rund 5 Mio. Fr. einsparen.
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