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Hypotheken in der Schweiz: Wie das System funktioniert

Überbauung am Hang.
Immobilien in der Schweiz sind teuer – entsprechend hoch ist die Schuldenlast. Keystone / Christian Beutler

Kredite fürs Eigenheim sind in der Schweiz billig zu haben – mit Vor- und Nachteilen. Was Sie über Hypotheken im Bankenland Schweiz wissen müssen. Ein Explainer.

Hypothek. Der Begriff bedeutet im Deutschen sinnbildlich eine Last, die man mit sich trägt, und zwar auf unbestimmte Zeit. Ja, vielleicht lebenslang.

Tatsächlich aber sind Immobilienkredite in den meisten Ländern darauf angelegt, dass die Schuld irgendwann abgezahlt ist. Solche Tilgungshypotheken kennen beispielsweise Deutschland, Frankreich und die USA.

Das Gegenmodell ist eine Hypothek, bei der nur die Zinsen bezahlt werden müssen. Sie wird am Ende der Laufzeit fällig – und dann meist durch eine neue Hypothek abgelöst.

Dieses Modell war insbesondere in Grossbritannien populär. Bevor es vom Tilgungsmodell abgelöst wurde.

Die Schweiz hingegen geht einen Sonderweg. Hier ist das Prinzip der aufgeschobenen Schuld noch weit verbreitet.

Weil das Geschäft mit den Wohneigentums-Krediten für die Banken attraktiv ist, bestehen auch starke Anreize, die Bankschulden nicht ganz abzuzahlen. So können Hypothekarnehmer ihre bezahlten Schuldzinsen in vollem Umfang von den Steuern absetzen.

Wir erklären im Folgenden, wie das System funktioniert und was die Folgen sind – für Hauskäuferinnen und -käufer und für die Gesellschaft.

Muss man eine Hypothek in der Schweiz abbezahlen?

Die Antwort lautet Jein. In der Regel ist zum Erwerb einer Immobilie in der Schweiz ein Eigenkapitalanteil von 20 Prozent nötig, den Rest finanziert die Bank über eine Hypothek.

In der Schweiz wird die Hypothek in zwei Teile aufgeteilt: Der erste Teil (bis 65% des Immobilienwertes) muss nicht zwingend amortisiert werden. Der zweite Teil (zwischen 65% und 80%) unterliegt in der Regel einer Amortisationspflicht innerhalb von 15 Jahren oder bis zur Pensionierung.

Der Anteil einer Hypothek, auf den es eine Tilgungspflicht gibt, wird in der Schweiz als «zweite Hypothek» bezeichnet, auch wenn es sich de facto nicht immer um die zweite Hypothek handelt.

Wie viel Geld bekommt man in der Schweiz von der Bank?

Nebst der Auflage, 20 Prozent des Kaufpreises selbst aufzubringen, gilt das Prinzip der Tragbarkeit – es geht also darum sicherzustellen, dass sich die Käuferinnen und Käufer ein Haus oder eine Wohnung langfristig leisten können.

Bei der Berechnung der Tragbarkeit legen die Banken nicht den tatsächlich herrschenden Zinssatz zu Grunde, sondern einen kalkulatorischen von 5 Prozent, was dem historischen Durchschnitt der Hypothekarzinsen im Land entspricht.

Die Idee dahinter ist, eine Reserve einzubauen für den Fall, dass die Zinsen nach Ablauf einer Hypothek deutlich höher liegen. Zudem resultiert aus der Differenz zu den tatsächlichen Zinsen ein möglicher Sparbetrag, der später zum Abbau der Hypothekarschuld beitragen kann.

Für die vollständige Tragbarkeitsrechnung wird zu den kalkulatorischen Zinskosten von 5 Prozent noch 1 Prozent des Immobilienwertes für Nebenkosten und Unterhalt addiert. Das Ergebnis daraus darf ein Drittel des Brutto-Haushaltseinkommens nicht übersteigen.

Sonst ist die Bonität für die Hypothek nicht gegeben.

Die Finanzmarktaufsicht überwacht die Banken, damit sie diese Regeln auch einhalten. Denn zu grosszügig vergebenen Hypotheken hätten im Fall einer Immobilien- oder Zinskrise verheerende Auswirkungen auf die Volkswirtschaft.

Erst vor ein paar Tagen hat die Finanzmarktaufsicht diesbezüglich Alarm geschlagen: Jede dritte Hypothek verletze die VorgabenExterner Link.

Wie sieht ein typisches Bespiel für eine Tragbarkeitsrechnung in der Schweiz aus?

Ein durchschnittliches Einfamilienhaus in der Schweiz kostet heute rund 1,5 Millionen Franken. Bringen die Käufer das Minimum an Eigenmitteln ein, also 20 Prozent oder in diesem Fall 300’000 Franken, beläuft sich die Hypothek auf 1,2 Millionen Franken.

Davon 5 Prozent kalkulatorischer Zinssatz sind 60’000 Franken. Dazu ein Prozent für den Unterhalt und die Nebenkosten sind in diesem Fall 15’000 Franken. Das ergibt insgesamt 75’000 Franken.

Da die Tragbarkeit verlangt, dass diese Kosten maximal ein Drittel des Bruttoeinkommens ausmachen, muss das Käuferpaar mindestens 225’000 Franken pro Jahr verdienen.

Die Gesellschaft altert, führt das die Schweiz in eine Immobilienkrise. Eine These auf dem Prüfstand:

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Weil diese Summe auch in der wohlhabenden Schweiz weit über dem durchschnittlichen Haushaltseinkommen liegt, müssen viele Käufer mehr als die minimalen Eigenmittel einbringen, um eine Hypothek zu bekommen.

Oft stammt ein Teil des Geldes dafür aus einem Erbvorbezug, wenn also Eltern ihren Kindern einen Teil ihres Vermögens zu Lebzeiten übertragen.

Aber auch die Altersvorsorge, konkret die Pensionskasse (2. Säule) und die 3. Säule (private Vorsorgegelder), wird von vielen für den Immobilienerwerb verwendet, was in der Schweiz rechtlich zulässig ist.

Im obigen Rechenbeispiel: Finanziert das Käuferpaar 700’000 Franken des Kaufpreises aus Eigenmitteln, beträgt die Hypothek noch 800’000 Franken. Dafür muss es noch 165’000 Franken jährlich brutto verdienen, um die Tragbarkeitskriterien zu erfüllen.

Warum sind die Zinsen in der Schweiz so tief?

Hypotheken sind in der Schweiz im internationalen Vergleich extrem günstig – und das schon seit Jahren. Eine günstige Festhypothek mit einer Laufzeit von zehn Jahren gibt es aktuell, also im Mai 2025, bereits für rund 1,4 ProzentExterner Link, Hypotheken mit dreijähriger Laufzeit sogar schon für unter 1 Prozent.

Zum Vergleich: In den USA, wo die übliche Laufzeit 30 Jahre beträgt und die Zinskurve gerade nach oben zeigt, liegt der Durchschnitt der Hypothekarzinssätze noch knapp unter 7 ProzentExterner Link. In Deutschland gibt es zehnjährige Festhypotheken derzeit ab etwa 3,2 Prozent. In Grossbritannien liegen die günstigsten zehnjährigen Hypotheken bei etwas über 4,4 Prozent.

Der wichtigste Grund für die tiefen Hypothekarzinsen in der Schweiz ist die Geldpolitik der Nationalbank. Der Schweizer Franken, der traditionell eine globale Fluchtwährung ist, hat sich in den letzten Jahrzehnten gegenüber allen wichtigen Weltwährungen aufgewertet.

Die Nationalbank versucht mit einer expansiven Geldpolitik diese Aufwertung zu drosseln, um die Exportwirtschaft der Schweiz am Laufen zu halten. Zudem will sie mit tiefen Zinsen Investoren vom Anlegen in den Franken abhalten.

Möglich ist das vor allem, weil die Schweiz eine vergleichsweise geringe Inflation aufweist. In der Folge der Covid19-Pandemie war die Inflation auch in der Schweiz kurzfristig über das Ziel von maximal 2 Prozent pro Jahr gestiegen – und damit stiegen die Zinsen. Das Kapitel gilt aber als abgeschlossen, sogar eine Rückkehr zu sogenannten Negativzinsen – wie vor der Pandemie – hält ein Teil der Ökonomen für wahrscheinlich.

Was sind die Vorteile des Schweizer Hypotheken-System?

Die tiefen Kapitalkosten führen dazu, dass die tatsächliche Tragbarkeit von Häuser und Wohnungen besser aussieht als die hypothetische Rechnung der Banken. Das entlastet das Budget und trägt potenziell zur Amortisation bei.

Der umkämpfte Markt mit vielen Anbietern verbessert zudem die Situation für die Kreditnehmenden. Weil der Schweizer Immobilienmarkt sehr stabil ist und sich die Immobilien seit Jahren konstant aufwerten, ist die Rechnung für die meisten Besitzerinnen und Besitzer von Wohneigentum in den letzten Jahren aufgegangen.

Was sind die Risiken des Schweizer Hypotheken-Systems?

Das billige Geld heizt die Preise für Wohneigentum in der Schweiz weiter an. Häuser und Wohnungen haben sich allein in den letzten acht Jahren um über 30 Prozent verteuert.

Das Resultat ist, dass sich schweizweit nur noch rund 20 Prozent der Bevölkerung Wohneigentum leisten können. Im Kanton Zürich liegt dieser Wert bereits unter 10 Prozent.

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In Kombination mit dem Griff ins angesparte Vorsorgekapital erhöhen die Preise das Risiko, dass die Tragbarkeit im Pensionsalter nicht mehr gegeben ist.

So zeigt eine kürzlich publizierte Studie des Vergleichsportals MoneyparkExterner Link, dass schon heute 29 Prozent ihre Immobilie im Alter nicht mehr halten können und verkaufen müssen. Bei den 50- bis 65-Jährigen haben laut der Studie sogar 85 Prozent im Alter ein Tragbarkeitsproblem.

Brechen die Immobilienpreise einmal ein, wäre mit noch viel weitreichenderen Kosten zu rechnen. Konkret droht angesichts der exorbitanten Schuldenlast der Fall in die Altersarmut.

Und es droht eine Bankenkrise. Denn die Schweiz hat – wegen der Hypotheken – die mit Abstand höchste Pro-Kopf-Verschuldung der WeltExterner Link.

Die meisten Prognosen allerdings gehen von weiter steigenden Immobilienpreisen aus, weil das Angebot knapp ist und die Bevölkerung jedes Jahr signifikant weiterwächst.

Die Schweiz dürfte also mittelfristig auch bei den Immobilienvermögen pro Kopf den ersten Platz weltweit halten.

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Debatte
Gastgeber/Gastgeberin Marc Leutenegger

Welche Erfahrungen haben Sie mit Wohnungsnot und steigenden Immobilienpreisen gemacht?

Die Schweiz schlittert kopfüber in eine Wohnungskrise. Wie lässt sich das noch verhindern? Ihre Ideen sind gefragt.

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Editiert von Balz Rigendinger

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