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Fünf-Jährige sollen Finanzkompetenz erwerben

Mit Potz Tuusig sollen die Kinder spielerisch den Umgang mit Geld erlernen. pro juventute

Kinder im Kindergartenalter und der Unterstufe erhalten ein neues Lehrmittel, das ihnen zeigen soll, wie man mit Geld umgeht und wie man Schulden vermeiden kann. Hinter dem neuen Buch "Potz Tuusig" steht die Kinder- und Jugendorganisation Pro Juventute.

«Diese nationale Kampagne hat zum Ziel, den Kleinsten in unserer Gesellschaft Finanzkompetenz zu vermitteln. Das heisst, dass wir bereits im Kindergarten damit beginnen, den Kindern den Umgang mit Geld zu lehren», sagt Stephan Oetiker, Direktor von Pro-Juventute, gegenüber swissinfo.ch

Das eben publizierte Buch «Potz Tuusig» (deutsch: Donnerwetter) richtet sich an Fünf- bis Achtjährige. Es ist das erste Lehrmittel dieser Art in der Schweiz.

Erzählt wird die Geschichte eines kleinen Mädchens, das im Supermarkt durch die Fantasie-Figur «Potz Tuusig», die es in der Spielzeugabteilung trifft, in Versuchung gerät. Dabei lernt es, was es sich leisten kann und was nicht.

Das Lehrmittel, das zur Zeit auf Deutsch vorliegt, kann kostenlos bezogen werden. Im Herbst soll es auch auf Französisch und Italienisch erscheinen.

Pro Juventute hofft, dass Lehrpersonen von Kindergärten und Unterstufe das Angebot in ihren Unterricht integrieren werden. Eltern können es zu Hause anwenden.

Laut der Kinder- und Jugendorganisation wäre es das erste Mal, dass das Thema Geld und Finanzen auf dieser Stufe gelehrt wird.

Schockierende Zahlen

Gemäss Oetiker, der das Buch an seinen eigenen Kindern getestet hat, ist es wichtig, diese Zielgruppe anzusprechen.

«Ich finde es schockierend, dass 80% aller Erwachsenen, die verschuldet sind, ihre Schulden bereits vor dem 25. Altersjahr gemacht haben.»

Gemäss einer aktuellen Studie des Bundesamts für Justiz hat einer von fünf Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren Schulden, bei den 18- bis 24-Jährigen ist es bereits jeder dritte.

In der Regel belaufen sich die Schulden auf mehrere Tausend Franken. Im Fall einer 22-jährigen Frau ist gar die Rede von über einer halben Million Franken Schulden. Es bestehe die Gefahr, dass die Summe mit zunehmendem Alter steige, so Oetiker.

Der Druck auf Kinder und junge Leute sei gross, erklärt Pro Juventute weiter. Sie seien als Zielgruppe beliebt, insbesondere für Produkte wie Mobiltelefone. Aber auch der Druck von Gleichaltrigen, den so genannten Peer-Groups, sei gewaltig, wenn es darum gehe, die neuste Jeans oder das neuste Auto zu haben.

Breite Unterstützung

Die Initiative von Pro Juventute für mehr Kompetenzen im Umgang mit Geld bei den Jungen stösst auf grosse Unterstützung.

«Wir finden es sehr positiv, dass Kinder von klein an lernen, wie man mit Geld, aber auch mit den eigenen Wünschen umgehen soll», erklärt Josiane Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz.

Das Problem sei, dass die Finanzen nicht immer mit den Wünschen der Konsumenten übereinstimmten. «Es ist wichtig, dass Kinder lernen, dass man nicht immer alles haben kann.»

Bei den Kindern handle es sich um eine sensible Gruppe, weil ihr Realitätssinn und die Fähigkeiten für gewisse Fragen noch nicht völlig entwickelt seien, so Walpen.

Vor allem beim Gebrauch von Handys sei es schwierig, die Kosten im Griff zu behalten, da das Verschicken von SMS-Nachrichten unter Kindern und Jugendlichen sehr beliebt sei.

Marion Nolde von der Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen begrüsst es, dass Pro Juventute ein Produkt entwickelt hat, welches von Lehrkräften auf einfache Weise angewendet werden kann.

Geld, Geld, Geld

«Die Kommission unterstützt natürlich Massnahmen, durch die sich Kinder möglichst früh und auf altersgerechte Art einen vernünftigen Zugang zu Geld erwerben können», erklärt Nolde.

«Der Umgang mit Geld, zum Beispiel mit Taschengeld und später auch mit «virtuellem» Geld und Krediten, wo man ausgibt, was man gar nicht hat, ist von grosser Bedeutung.»

«Potz Tuusig» ist die erste Etappe der Pro-Juventute-Kampagne. Ziel ist es, in den nächsten Jahren eine ganze Reihe von Unterrichtsmitteln zum Thema Geld für Vorschulkinder bis hin zu Teenagern anzubieten.

Die Organisation ruft die Bildungsbehörden dazu auf, das Thema Finanzkompetenz in den Lehrplan zu integrieren. Diese Massnahmen bedeuteten aber nicht, dass junge Leute keinen Spass haben dürften.

«Unsere Botschaft lautet nicht, dem Konsum einen Riegel zu schieben, sondern zu lernen, wie man mit seinem Geld umgehen soll», betont Oetiker.

Isobel Leybold-Johnson, swissinfo.ch
(Übertragung aus dem Englischen: Gaby Ochsenbein)

Pro Juventute ist die grösste Kinder- und Jugend-Organisation in der Schweiz.

Sie ist eine private, politisch unabhängige, konfessions-neutrale und schweizweit tätige Stiftung.

Sie setzt sich für die Bedürfnisse der Kinder und die Umsetzung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in der Schweiz ein.

Sie bietet Beratungsdienste an, lanciert Kampagnen, so etwa im Zusammenhang mit Jugendgewalt.

2012 feiert sie ihr 100-jähriges Bestehen.

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