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Brasilianischer Aussenminister besucht Solothurner Heimat

Mauro Vieira und Ignazio Cassis.
Mauro Vieira und Ignazio Cassis trafen sich in Solothurn, wo sie die Kathedrale Saint-Ours-et-Saint-Victor besuchten. Keystone/ Anthony Anex

Mauro Vieira war in der Stadt Solothurn zu Besuch. Die Ur-Ur-Urgrossmutter des Politikers war nach Brasilien ausgewandert.

Der Aussenminister des fünftgrössten Landes der Welt besuchte im April die Stadt Solothurn. Mauro Vieira traf seinen Amtskollegen Ignazio Cassis zu einem Arbeitsbesuch. Thema waren die bilateralen Beziehungen der beiden Länder und die aktuelle Weltlage.

Der Ort des Treffens ist nicht zufällig: Vieira hat solothurnische Wurzeln. Seine Vorfahren stammen aus Erschwil im Schwarzbubenland. Von dort wanderten sie vor 200 Jahren nach Brasilien aus.

Vieiras Ur-Ur-Urgrossmutter Agatha Jeker machte sich 1819 als Kind auf den langen Weg. Sie stammte aus einer Familie, die nebenberuflich Leinen wob. «Daneben hatten sie eine Kuh oder ein paar Ziegen», erzählt der Erschwiler Dorfhistoriker Simon Lutz.

Schwarz-Weiss-Portrait.
Agatha Lacaz, geborene Jeker, auf einer Fotografie aus dem Jahr 1889. Die Vorfahrin des brasilianischen Aussenministers Mauro Vieira stammte aus Erschwil. SRF/Mario Gutknecht

Viele Auswanderer suchten in dieser Zeit in der Ferne nach einem besseren Leben. Und sie hofften auch auf genügend Essen, erklärt Lutz. Europa und andere Erdteile litten unter Missernten und Hungersnöten – die Folgen eines Vulkanausbruchs in Indonesien.

Auf ins Land, wo Milch und Honig fliessen

Die Reise von Agatha Jeker führte aus Erschwil zuerst nach Holland, zusammen mit 118 anderen Solothurnerinnen und Solothurnern. Dort wollte eine Gruppe von rund 2000 Personen aus der Schweiz auf Segelschiffe steigen.

Einige Reisende starben aber bereits in Holland an der dort herrschenden Malaria. Andere starben bei der anstrengenden Überfahrt auf dem Meer.

Nach 69 Tagen kam das Schiff mit den Erschwiler Auswanderern in Brasilien an. Viele dieser Menschen seien von der Reise derart geschwächt gewesen, dass erneut zahlreiche starben, so der Dorfhistoriker. Das belegen Dokumente im Solothurner Staatsarchiv.

Kirchenopfer für die Solothurner Auswanderer und Auswanderinnen

In ihrer neuen Heimat, der Stadt Nova Friburgo bei Rio de Janeiro, erhofften sich die Neuankömmlinge das versprochene Land, «wo Milch und Honig fliessen».

Diese Erwartungen wurden aber nicht erfüllt. Grundstücke zum Bewirtschaften erhielten sie zwar, das Land dem Urwald abzutrotzen, war aber mühsam.

Zusammentreffen der zwei Männer, im Beisein von Ignazio Cassis.
In Solothurn traf der brasilianische Aussenminister auf Martin Nicoulin. Der Historiker hat über die Geschichte der Schweizer Auswanderung nach Brasilien und die Gründung der Stadt Nova Friburgo geforscht. Keystone/Anthony Anex

Die Solothurner Auswandererkolonie meldete sich darum in der Schweiz und bat um Hilfe. «Die Solothurner Regierung reagierte verhalten. Sie wies die Kirchen an, das Kirchenopfer des nächsten Sonntags der Solothurner Kolonisten zu spenden. Und die Pfarrer sollten für die Kolonie eine Predigt halten», berichtet Tobias Berger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Solothurner Staatsarchivs, aus archivierten Dokumenten.

Später habe der Kanton Geld geschickt. Laut Berger ist aber unklar, ob es in Brasilien am richtigen Ort ankam.

Was bekannt ist: Agatha Jeker aus Erschwil blieb in Brasilien. Der Familienname Jeker wurde dort zu Iecker. Der brasilianische Aussenminister, mit vollem Namen Mauro Luiz Iecker Vieira, sagte in Solothurn, es sei bewegend, die Herkunftsregion seiner Familie zu besuchen.

Der Beitrag der Sendung Schweiz Aktuell über den Besuch:

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