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E-Voting: “Die Finanzierung wird zur Hürde”

Für Auslandschweizer:innen verspricht E-Voting den Zugang zur Demokratie. Doch das Projekt weckt wiederum Skepsis – und kostet enorme Summen. 

Bei der Digitalisierung hinkt die Schweiz hinterher. Jetzt will sie aufholen. Geplant ist eine elektronische Identität sowie elektronisches Abstimmen und Wählen auf breiterer Basis. E-ID und E-Voting: Was sind die Vorteile für Sie als Auslandschweizer:in? Wird es Ihr Leben erleichtern?

Die Auslandschweizer-Organisation (ASO) unterstützt die neu aufgelegte E-ID. “Die elektronische Identität wird das Leben der Auslandschweizer erleichtern”, sagt die Direktorin der Organisation, Ariane Rustichelli, in Let’s Talk. Sie hofft, dass Auslandschweizer:innen einen besseren Zugang zu den Dienstleistungen des Bundes und allenfalls auch zu jenen der Schweizer Banken erhalten werden.

Möglich ist für Ariane Rustichelli auch, dass dadurch der elektronische Versand von Abstimmungsunterlagen wieder aufs Tapet kommt. Zu diesem sagt sie: “Das löst nicht alles, aber einen Teil des Problems.”

Martein Kristjansson, ein Bündner Lehrer in Rejkavik, hat seine Isländer E-ID immer im Einsatz, wie er in Let’s Talk per Video-Call erzählt. “Das braucht man, um zu überleben hier”, sagt der Auslandschweizer, etwa für das Bankkonto und das ganze Gesundheitswesen.

Digitalexperte Reto Vogt beschreibt die Schweiz in Bezug auf die E-ID als innovativ. “Sie hat nach dem ersten Nein des Volkes sehr schnell gelernt, wie eine E-ID umgesetzt werden muss.” Er warnt aber auch. Im schlimmsten Fall drohe Identitätsdiebstahl. “Alles, was digital ist, kann geknackt werden.” 

“Man kann Zweifel streuen”

Seit fast 20 Jahren will die Schweiz auch E-Voting einführen, lange ohne Erfolg. Denn E-Voting ist auch eine Frage des Vertrauens – und daran scheiterte es zuletzt. Der Bund aber machte weiter. Vor einem Jahr lancierte er neue Versuche. Aktuell laufen E-Voting-Versuche in fünf Kantonen. Sie funktionieren.

Reto Vogt, Chefredaktor von Inside-ITExterner Link, sieht aber eine Gefahr in der Komplexität des Systems. “Weil ein Grossteil der Bevölkerung das System nicht versteht, kann man leicht Zweifel streuen.” 

“Finanzierung wird zur Hürde”

Ariane Rustichelli mahnt, dass eher die Kosten des E-Voting-Systems für die Kantone zur Hürde werden könnten. “Das grösste Hindernis zur Einführung des E-Votings ist weniger ein Vertrauensproblem als die Finanzierung”, sagt sie. “Viele Kantone haben uns gesagt, es werde extrem viel kosten.”

Dennoch sollen zu den bereits testenden Kantonen im Jahr 2024 auch Graubünden, Genf und wahrscheinlich Bern dazustossen. Laut Reto Vogt braucht es bis 2025 zehn Kantone, damit sich der Versuch letztlich auch für die Betreiberin, die Post, lohnt.

Die Kosten-Nutzen-Frage dürfe man durchaus stellen, sagt Vogt. Für den IT-Spezialisten liegt eine Möglichkeit darin, E-Voting nur einem Teil der Bevölkerung zugänglich zu machen. “Dann ist auch die Manipulationsgefahr entsprechend geringer.”

“Was für eine Demokratie wollen wir?”

Ariane Rustichelli gibt aber zu bedenken, dass es für die Kantone aus Kostengründen wahrscheinlich nicht möglich ist, das System nur für eine so kleine Gruppe zu entwickeln. 

“Es stellt sich die Frage: Was wollen wir für eine Demokratie?”, sagt die ASO-Direktorin. “Wollen wir eine möglichst vielfältige, integrative Demokratie?” Eine moderne, bei der die Jungen mitmachen?

Auslandschweizerin Sandra Carrasco aus Spanien hat als Bürgerin von Basel bereits Erfahrung mit dem neuen E-Voting-System gemacht, mit gutem Gefühl, wie sie in Let’s Talk sagt. Sicherheitsbedenken habe sie, wenn überhaupt, auch beim Abstimmen mit der Briefpost.

Das Abstimmen ist für Sandra Carrasco ein zentraler Teil ihrer Verbindung zur Schweiz. “Auch wenn man jetzt nicht in der Schweiz leben kann, möchte man doch teilhaben”, sagt sie. 

Auslandschweizer Martein Kristjansson unterstreicht dies. Abstimmen und Wählen sind für ihn auch nach 20 Jahren in Island noch wichtig. “Es ist für mich Teil der Identität und eine Verbindung zur Heimat”, sagt er. 

Cyberangriff als “Horrorszenario”

Der Bund war 2023 mehrfach von Cyberangriffen betroffen. Auch 425’000 Adressen von Abonenent:innen der Auslandschweizer-Zeitschrift Schweizer Revue gelangten so ins Darknet. Die Hacker waren an diese Adressen gelangt, indem sie das digitale Ökosystem von CH Media angriffen, wo die Publikation gedruckt wird.

Reto Vogt vermutet dahinter einen Zufallstreffer, einen “Sechser im Lotto für die Hacker”, wie er sagt. Rustichelli spricht ihrerseits von einem “Horrorszenario”, auch wenn der Hack ausserhalb der Einfluss-Sphäre der ASO erfolgt ist.

“Das hat gezeigt, dass die Schweiz sehr vulnerabel ist”, sagt Reto Vogt.

Dass man in der Schweiz überhaupt darüber und über die Datensicherheit spricht, ist für Auslandschweizerin Sandra Carrasco nicht selbstverständlich, sondern “ein Vorteil der Schweizer Demokratie”, wie sie sagt.

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SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

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