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Stadt mit schwarzer Rauchsäule am Horizont

Heute in der Schweiz

Liebe Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer

Das heutige Briefing ist eher diplomatisch: Nach einem Bericht über die Situation in der Schweizer Botschaft im Sudan blicken wir zurück auf eine peinliche Botschaftsgeschichte aus dem Jahr 1996, bevor wir uns mit der aktuell täglichen Einschätzung der Schweizer Neutralität in der Welt befassen.

Stadt mit schwarzer Rauchsäule am Horizont
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Sudan: Schweizer Botschaft geschlossen und Personal evakuiert – Situation für Schweizer Staatsangehörige unklar.

Das Schweizer Aussenministerium hielt sich zunächst bedeckt, was die Rettungsmassnahmen aus dem konfliktreichen Khartum betrifft. Doch gestern Abend gab es endlich konkrete Nachrichten: Die Botschaft wurde geschlossen und sieben Mitarbeitende sowie fünf Begleitpersonen wurden aus der sudanesischen Hauptstadt evakuiert, zehn mit Hilfe Frankreichs und zwei mit Hilfe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz. Die Operation sei «ohne Zwischenfälle» verlaufen, schrieb das Ministerium.

Wie bei der historischen Rückführungsaktion zu Beginn der Covid-19-Pandemie hatte die Evakuierung viel mit der Hilfe diplomatischer Freunde zu tun; Aussenminister Ignazio Cassis bedankte sich in einem Tweet für die «Zusammenarbeit mit unseren Partnern, insbesondere mit Frankreich». Am Sonntag wurde auch bekannt, dass Italien geholfen hat, einige Schweizer Bürger:innen zusammen mit seinen eigenen Staatsangehörigen auszufliegen.

Es ist momentan unklar, wie viele Schweizer Staatsangehörige den Sudan verlassen haben und wie viele sich noch dort aufhalten. Letzte Woche erklärte das Aussenministerium, dass sich rund 100 Schweizer:innen im Land befänden, von denen jedoch nicht alle ausreisen wollten. Etwa dreissig von ihnen hatten nach Angaben des Aussenministeriums bis Montagnachmittag den Wunsch geäussert, auszureisen. Es rät ihnen, die Helpline zu kontaktieren (siehe unten). Viele andere Länder haben ebenfalls Flüge nach Khartum organisiert, und auch UNO-Mitarbeitende sollen versucht haben, auf dem Landweg aus Khartum in die Stadt Port Sudan am Roten Meer zu fliehen.

Silbertablett mit Weingläsern
© Keystone / Gaetan Bally

Ausländische Beziehungen: Wenn ein Schweizer Diplomat seine Kompetenzen überschreitet.

Von ungeduldigen G7-Botschafter:innen bis hin zu bedrohlichen russischen Exemplaren (siehe unten) – schwierige ausländische Diplomat:innen waren in letzter Zeit in den Schweizer Nachrichten präsent. Aber benehmen sich die Schweizer Abgesandten selbst immer perfekt? Nicht, wenn es nach einem historischen Beitrag in der heutigen Neuen Zürcher Zeitung geht, der an einen peinlichen Vorfall aus dem Jahr 1996 erinnert, als «die Welt über den Schweizer Botschafter in Rumänien lachte».

Damals hatte eine andere Schweizer Zeitung, der Sonntagsblick, die brisante Geschichte unter der Schlagzeile veröffentlicht: «Die heisse Affäre unseres Mannes in Bukarest». Der Schweizer Diplomat, so stellte sich heraus, hatte eine ziemlich öffentliche und offensichtliche Affäre mit einer 21-jährigen rumänischen «Sexbombe» (so der Sonntagsblick), die er mit Aufmerksamkeiten, Geschenken und sogar einer schicken Wohnung überschüttet hatte.

So weit, so privat. Doch die 21-jährige Journalistin hatte es nicht nur auf die Liebe des Botschafters abgesehen: Sie arbeitete auch für den rumänischen Geheimdienst, um ihrem helvetischen Liebhaber diplomatische Geheimnisse zu entlocken. Als eine Schweizer Untersuchung bestätigte, dass sie eine Spionin war, wurde der abgelenkte Botschafter als Belastung eingestuft und an einen ruhigeren Schreibtisch in Bern zurückgeschickt.

Als die Washington Post von der Geschichte erfuhr, schrieb sie, der Botschafter sei «auf einen der ältesten Tricks der Welthereingefallen». Der Botschafter selbst schrieb, nachdem er erfahren hatte, dass die Geschichte an die Öffentlichkeit gelangt war, einfach: «Scheisse, Scheisse, Scheisse.» Eine Lektion für angehende Diplomaten…

aussenminister ignazio cassis
©keystone/peter Schneider

Die Neutralität sorgt immer noch für tägliche Debatten.

Neutralität, Neutralität, Neutralität: Wenn man ein Wort oft genug sagt, kann es seine Bedeutung verlieren. Wird dies das Schicksal der Schweizer Variante sein? Nach einem Jahr des Nachdenkens über die nationale Rolle (oder vielmehr Nicht-Rolle) in einem sich wandelnden geopolitischen Kontext werden immer noch zahlreiche Meinungen zur Neutralität geäussert. Hier sind drei weitere:

Aussenminister Ignazio Cassis: Nach einem freundschaftlichen Besuch in Rom letzte Woche sagte Cassis, er sei «nicht überrascht», dass sein italienischer Amtskollege die Neutralität der Schweiz lobte. Es gebe eine diplomatische und eine medial vermittelte Realität: In ersterer «finden wir die Bestätigung, dass die Rolle der Schweiz als neutrales Land im Interesse der internationalen Gemeinschaft ist».

Die Schweizer Botschafterin bei der UNO, Pascale Baeriswyl: Der UNO-Sicherheitsrat sei nicht übermässig an Definitionen der Schweizer Neutralität interessiert, sagte Baeriswyl heute Morgen gegenüber dem öffentlichen Radio RTS. Das Ziel des Rats ist es, Konflikte in der ganzen Welt zu lösen; in diesem Zusammenhang wird das Schweizer Engagement für das Völkerrecht positiv gesehen. Europa ist dem Ukraine-Konflikt viel näher als New York – das könnte das Gerangel um die Schweizer Neutralität dort erklären.

Der ehemalige Chef der SRG SSR Roger de Weck: Die Neutralität sei eine «Mogelpackung», welche die Schweiz brauche, um ihre Identität zu stützen, sagte de Weck heute gegenüber der NZZ. «Unsere Sicherheit hängt von der NATO ab, ganz klar. Die wirtschaftliche Verflechtung mit dem Westen, ohne politische Solidarität mit Europa und den USA, ist nicht mehr akzeptabel. Wir müssen unsere Neutralität neu erfinden.»

Übertragung aus dem Englischen: Janine Gloor

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