
«Ich hörte täglich 1300 Aufnahmen ab», erzählt ein Apple-Whistleblower

Ein ehemaliger Mitarbeiter eines Apple-Zulieferers behauptet, 46'000 Aufnahmen des Sprachassistenten Siri abgehört zu haben. Ein Teil davon sei ohne Wissen der Apple-User aufgezeichnet worden. In Frankreich wurde auf der Grundlage seiner Aussage Klage eingereicht.
Die Liga für Menschenrechte beschuldigt Apple der Verletzung der Privatsphäre durch nicht eingewilligte Aufnahmen und der unrechtmässigen Verarbeitung personenbezogener Daten.
Sie hat letzten Monat in Frankreich eine Klage eingereicht, die sich weitgehend auf die Aussage von Thomas Le Bonniec stützt, einem ehemaligen Mitarbeiter von Global Technical Service, einem in Irland tätigen Apple-Subunternehmen.

«Meine Arbeit bestand darin, täglich 1300 Aufnahmen anzuhören und deren Transkription zu korrigieren», erklärt der Whistleblower gegenüber RTS.
Auf diesen Aufnahmen des Sprachassistenten Siri habe er «äusserst intime Dinge, sensible Daten» gehört. «Ich hörte viele Kinder, als ich an den iPads arbeitete.»
Auch medizinische und politische Informationen: «Ich habe gehört, wie jemand über seine Multiple Sklerose sprach, jemand sprach über eine Fehlgeburt. Es ging um Gewerkschaftszugehörigkeit, um politische Präferenzen.»
Nach eigenen Angaben hat er etwa 46’000 Aufnahmen angehört, die meisten davon mit einer durchschnittlichen Dauer von 15 bis 30 Sekunden.
«Mehrere Millionen Aufnahmen»
Diese Vorfälle ereigneten sich im Jahr 2019. Bevor er seine Stelle kündigte, machte Le Bonniec Screenshots, welche die von ihm heute angeprangerten Aktivitäten dokumentieren: ein gross angelegtes Abhörsystem, das er als dystopisch bezeichnet.
«Damit gibt es den Beweis, dass es sich um mehrere Millionen Aufnahmen handelt, die Nutzer in mindestens ein Dutzend Ländern betreffen.»
Apple hat seinerseits im August 2019 Änderungen in der Funktionsweise von Siri angekündigt. «Angesichts der Bedenken der Nutzer haben wir die menschliche Bewertung von Anfragen an Siri sofort ausgesetzt», schrieb das US-Unternehmen damals.
«Bevor wir unser Bewertungsprogramm einstellten, hatten wir ein Verfahren entwickelt, bei dem wir eine winzige Stichprobe von weniger als 0,2% der Audioaufnahmen von Anfragen an Siri zusammen mit ihren Transkriptionen überprüften. Dadurch konnten wir die Qualität von Siris Antworten bewerten und ihre Genauigkeit zu verbessern.»
Seitdem können Nutzer:innen wählen, ob sie «an der Verbesserung von Siri teilnehmen möchten, indem sie Siri Zugriff auf Audiobeispiele ihrer Anfragen geben».
In diesem Zusammenhang hat RTS erfahren, dass auch Schweizer Gespräche von diesen Abhöraktionen betroffen waren, da Apple Muttersprachlerinnen und -sprachler aus der Romandie und der Deutschschweiz für diese Aufgabe engagiert hatte.
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95 Millionen für eine Einigung in den USA
In den USA wurde Apple in einer Sammelklage aus dem Jahr 2019 ebenfalls vorgeworfen, Gespräche über Siri ohne Wissen der Nutzer:innen aufgezeichnet zu haben.
Die Konsument:innen warfen dem IT-Giganten ausserdem vor, diese Informationen an Dritte weitergegeben zu haben. Das Unternehmen wies diese Vorwürfe zurück, erklärte sich jedoch kürzlich bereit, 95 Millionen Dollar Entschädigung zu zahlen, um dieses Gerichtsverfahren zu beenden.
Für Le Bonniec bergen diese Vorgehensweisen über ihre eigenen Geschäftspraktiken hinaus Risiken: «Diese Unternehmen verhalten sich, als stünden sie über dem Gesetz. Und das bringt Politiker auf Ideen […], die versuchen, der Polizei zu ermöglichen, die Mobiltelefone von Personen aus der Ferne zu aktivieren, die in erster Linie in Drogengeschäfte verwickelt sind, aber das wird sich auf alle möglichen Dinge ausweiten», warnt er.
«Wenn sich private Unternehmen so verhalten, können Regierungen, einschliesslich so genannter demokratischer Regierungen, dazu verleitet werden, sich zunehmend autoritär und illiberal zu verhalten», sagt Le Bonniec.
Übertragung aus dem Französischen mit Hilfe des KI-Tools Claude: Claire Micallef

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