Moskau jagt mutmassliche Schweizer Söldner

Ein Dutzend Schweizer Staatsangehörige fanden ihre persönlichen Daten offengelegt auf pro-russischen Websites und Telegram-Konten, die ausländische Söldner in der Ukraine aufspüren. Einer von ihnen sagt zum ersten Mal aus. In einem Interview mit RTS bestreitet er jegliche Beteiligung an den Kämpfen und sagt, er habe Massnahmen ergriffen, um seine Sicherheit zu erhöhen.
Mehrere pro-russische Websites und Telegram-Accounts, die vom Recherchedesk von RTS identifiziert wurden, veröffentlichen jeden Tag Dutzende Fotos von Kämpfern, die angeblich in der Ukraine aktiv sind.
Diese Posts sind mit persönlichen Informationen angereichert, die frei im Internet oder durch Cyberangriffe beschafft wurden, wobei in einigen Fällen Kopien von Ausweisdokumenten oder Telefonnummern geteilt wurden. Zu den gefährdeten Personen gehören viele Südamerikaner, vor allem Kolumbianer. Aber auch Briten, Amerikaner und Schweizer.
RTS hat ein Dutzend Schweizer Staatsangehörige identifiziert, deren Identität auf diesen Plattformen offengelegt wurde. Patrick Schärrer ist einer von ihnen. Der 40-jährige Zürcher, ein ausgebildeter Militärausbildner, sah Ende Januar 2025, dass seine persönlichen Daten veröffentlicht wurden.
Ein pro-russisches Telegram-Konto stellte einen Beitrag online, in dem Fotos von ihm in Tarnkleidung an nicht identifizierbaren Orten sowie Details zu seinen Wohnorten und seinem beruflichen Werdegang zu sehen waren.
«Falsche Informationen»
Der Post verweist auch auf seine Freundschaft mit dem Bruder des Bürgermeisters von Kiew, dem berühmten ukrainischen Boxer Wladimir Klitschko. Schärrer sitzt im Vorstand von dessen Stiftung. Das habe ihn nahe an die Front gebracht, erklärt er in einem Interview mit RTS.
Er bestreitet jedoch, gekämpft zu haben: «Das sind falsche Informationen. Die Fotos, die veröffentlicht wurden, sind nicht in der Ukraine aufgenommen worden oder zeigen andere Personen als mich. Ich selbst war in der Ukraine im Rahmen einer humanitären Mission tätig, die wir im Rahmen der Stiftung ins Leben gerufen haben, um Zivilisten in Kriegsgebieten in Erster Hilfe auszubilden. Uns sind mindestens zehn Fälle bekannt, in denen dadurch Leben gerettet werden konnten. Wenn jemand ein Problem mit dieser Aktivität hat, kann er mich anrufen.»
Das Thema ist heikel. In der Schweiz kann Söldnertum mit bis zu drei Jahren Gefängnis bestraft werden. Pro-russische Websites und Konten, die Söldner aufspüren, stellen Formulare zur Verfügung, um die Anzeige in den Herkunftsländern zu erleichtern.
Hat die Schweiz jemals solche Anzeigen erhalten? Die Militärjustiz wollte diese Frage von RTS nicht beantworten. Gemäss einer von der Militärjustiz im Dezember 2024 bekannt gegebenen Zählung wurden 13 Verfahren gegen Schweizer Staatsangehörige eröffnet, die im Verdacht stehen, an den Kämpfen in der Ukraine teilgenommen zu haben.
Handelt es sich dabei um die Personen, deren Identität auf pro-russischen Websites und Konten aufgedeckt wurde? Das hat die Militärjustiz nicht beantwortet.
Offengelegte Telefonnummer
RTS konnte mit einem weiteren Schweizer in Kontakt treten, dessen Name in einem Register von Söldnern auftaucht, die angeblich in der ukrainischen internationalen Legion aktiv sind. Das Dokument wurde auf einer pro-russischen Website veröffentlicht, zusammen mit den Telefonnummern der Betroffenen.
Der Angefragte bestreitet, ein Söldner zu sein. Er erklärt, dass er sich erstmals auf der Website der Legion registriert und keine weiteren Schritte unternommen habe.
Die Bekanntgabe seiner Telefonnummer habe ihm zahlreiche feindselige Nachrichten und Morddrohungen eingebracht, erklärt er und belegt dies mit Beweisen.
Patrick Schärrer ist nicht das gleiche Unglück passiert. Seine Telefonnummer wurde nicht weitergegeben. Trotzdem hat er seine Sicherheitsvorkehrungen verstärkt: «Als die Nachricht bekannt wurde, habe ich Vorkehrungen getroffen, um mich und meine Familie zu schützen. Ich habe die örtliche Polizei und die Sicherheitsdienste informiert. Ich weigere mich jedoch, mich zu verbarrikadieren. Ich betrachte das Ganze vor allem als Einschüchterung», erklärte er in der Sendung 19h30 von RTS.
Ein pro-russisches Internetportal, das RTS einsehen konnte, gibt einige Erklärungen zu seinem Vorgehen. Das Portal geht nach eigenen Angaben auf einen Vorschlag des ehemaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew ein.
In einem im September 2024 veröffentlichten Telegram-Post schlug dieser vor, eine öffentliche und offene Datenbank einzurichten, in der die Feinde Russlands mit ihren persönlichen Daten blossgestellt werden sollten. «Aus ganz praktischen Gründen», schrieb er damals in dem Post.
Der Bündner SP-Nationalrat Jon Pult reichte im September 2024 eine parlamentarische Initiative ein, die eine Amnestie für Schweizer fordert, die in der Ukraine gekämpft haben.
Dieser Text wurde jedoch in der Kommission abgelehnt und hat wenig Chancen, vom Nationalrat angenommen zu werden, der bis zum Sommer darüber abstimmen muss.
Im März 2024 gab das russische Verteidigungsministerium eine Meldung heraus, der zufolge 57 Schweizer Staatsangehörige auf dem Kriegsschauplatz in der Ukraine identifiziert worden seien. In derselben Mitteilung war von 30 Toten unter ihnen die Rede.
Auf Anfrage von RTS teilte die Botschaft der Russischen Föderation in der Schweiz mit, dass diese Angaben seither nicht mehr aktualisiert worden seien.
Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) möchte diese Daten nicht kommentieren und bestätigt, dass ein Schweizer Staatsangehöriger wahrscheinlich bei den Kämpfen im Rahmen des Kriegs in der Ukraine ums Leben gekommen ist.
Schliesslich erinnert die russische Botschaft im Falle einer Verhaftung daran, dass ausländische Söldner nicht unter das Genfer Abkommen von 1949 über die Behandlung von Kriegsgefangenen fallen.
Sie können daher in Russland für ihre Teilnahme an Feindseligkeiten strafrechtlich verfolgt und wegen Mordes verurteilt werden, falls sie Angehörige der gegnerischen Streitkräfte getötet haben.

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