Zehn Jahre Auslandschweizergesetz: Was es brachte – und was es noch braucht
Vor zehn Jahren trat das Auslandschweizergesetz in Kraft. Erstmals wurden damit alle Rechte und Pflichten der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland geregelt. Was hat das Gesetz bewirkt? Und welche Herausforderungen bestehen heute noch?
Als das Parlament das Auslandschweizergesetz (ASG) im September 2014 verabschiedete, schrieb Swissinfo: «Jubel in der Schweizer Auslandgemeinde».
Für die damals rund 760’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland war das Gesetz ein Meilenstein – und es war auch ein politischer Erfolg für die Auslandschweizer-Organisation (ASO), die jahrelang auf eine kohärente Rechtsgrundlage gedrängt hatte.
Das Gesetz ging zurück auf eine parlamentarische Initiative des heutigen ASO-Präsidenten Filippo LombardiExterner Link. «Ich war selbst einmal Auslandschweizer und habe früh gemerkt, wie wenig Verständnis es damals im Parlament für die Anliegen der Fünften Schweiz gab», sagt Lombardi heute.
Viele Bestimmungen, welche die «Fünfte Schweiz» betrafen, waren zuvor über unterschiedliche Verordnungen und Richtlinien verstreut. Mit dem ASG erhielten Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer erstmals einen klar definierten, einheitlichen Rechtsrahmen.
Diese Bündelung habe laut Lombardi auch den positiven Effekt gehabt, dass über ein Dutzend Gesetze, Verordnungen und Reglemente gestrichen werden konnten.
Was das Auslandschweizergesetz regelt
Das ASG definiert seit 2015 die Rechte und Pflichten aller Schweizer Bürgerinnen und Bürger, die im Ausland leben oder reisen.
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes wurden – wie das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten EDA betont – zentrale Grundprinzipien klar festgelegt: die Eigenverantwortung, das Prinzip einer zentralen Anlaufstelle, die subsidiäre staatliche Unterstützung, die Begrenzung des konsularischen Schutzes sowie die Regelung der Kosten für konsularische Dienstleistungen.
Das Gesetz setzt damit stark auf die Verantwortung der Einzelnen: Wer sich ins Ausland begibt, soll sich also gut vorbereiten, Risiken abwägen und Probleme möglichst selbst lösen, so der Grundgedanke des Gesetzestexts.
Die Zahl der konsularischen Schutzfälle nimmt zu:
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Zu den wesentlichen Bestimmungen gehört zudem die Pflicht, sich bei einer Schweizer Vertretung anzumelden, wenn man im Ausland Wohnsitz nimmt oder dort ein Kind geboren wird.
Der Eintrag in das Auslandschweizerregister hilft beim Zugang zu konsularischen Dienstleistungen und ist Voraussetzung für die Ausübung politischer Rechte sowie für eine rasche Kontaktaufnahme im Krisenfall.
Ganz nebenbei behält die Schweiz auf diese Art auch den Überblick über ihre Diaspora – ganz im Gegensatz etwa zu Deutschland, das keine solche Meldepflicht kennt.
Geregelt ist auch der Umfang der konsularischen Unterstützung: Das Gesetz legt genau fest, in welchen Situationen der Bund hilft und wo die Grenzen dieser Hilfe liegen.
Schliesslich definiert das ASG auch die Kostenregelungen, also wann konsularische Dienstleistungen kostenpflichtig sind und unter welchen Umständen Gebühren erlassen werden können.
Lombardi formulierte es damals so: «Mit diesem Text nimmt die Eidgenossenschaft die Auslandschweizer wirklich wahr, nutzt sie als Ressource, wertet sie auf, informiert sie.»
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Was hat sich im letzten Jahrzehnt verbessert?
Das EDA stellt dem Auslandschweizergesetz zehn Jahre nach seinem Inkrafttreten ein positives Zeugnis aus. «Das ASG und die Schaffung der Konsularischen Direktion im Jahr 2011 führten zu einer Optimierung der Struktur», schreibt das Departement auf Anfrage. Dadurch seien die Betreuung verbessert und die Konsularischen Dienste professionalisiert worden.
Als besonders bedeutend hebt das EDA hervor, dass das Gesetz erstmals eine umfassende Übersicht über die Rechte und Pflichten der Auslandschweizerinnen und -schweizer geschaffen habe.
Das Gesetz legt fest, was der Bund leisten kann – und wo seine Grenzen liegen. Diese rechtliche Klarheit erleichtert die tägliche Arbeit des EDA und umrahmt auch die Erwartungen der Schweizerinnen und Schweizer im Ausland.
Das Schweizer Modell ist auch Vorbild für andere Länder: «Inzwischen interessieren sich auch Partnerstaaten der Schweiz für das ASG, da dieses die Voraussetzungen und Bedingungen für eine konsularische Unterstützung im Ausland klar regelt», so das EDA.
Auch Lombardi sieht die Fortschritte klar: «Seither ist endlich lesbar definiert, welche Rechte und Pflichten Schweizerinnen und Schweizer im Ausland haben.
Die konsularischen Dienstleistungen sind klarer geregelt, die Selbstverantwortung ist verankert und die Eckpunkte sind transparent.»
Und es habe dazu beigetragen, das Verständnis der Inlandschweizer:innen gegenüber den Auslandschweizer:innen zu erhöhen.
Was weiterhin schwierig bleibt
Obwohl das ASG eigentlich Orientierung bietet, bleiben die Erwartungen der Betroffenen aber oft sehr hoch. Viele Schweizerinnen und Schweizer im Ausland gehen davon aus, dass der Staat im Ernstfall fast grenzenlos helfen könne.
Doch das Gesetz definiert klare Grenzen: «Das EDA leistet Unterstützung in Notsituationen», so das Departement, aber im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips – nicht als Ersatz für private Vorsorge.
Die Grenzen ihrer Möglichkeiten müssen die Schweizer Vertretungen im Ausland immer wieder kommunizieren, auch durch Informations- und Sensibilisierungsmassnahmen.
Ein ehemaliger Direktor der Konsularischer Direktion sagte:
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«Es gibt ein Problem mit den Erwartungen»
«Das Gesetz hat vieles verbessert, aber es löst bei weitem nicht alle Probleme», sagt Lombardi. Es brauche weiterhin eine starke Auslandschweizer-Organisation, gute Kommunikation und Politikerinnen und Politiker, die Verständnis hätten.
«Wir beobachten leider, dass Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer in den letzten Jahren wieder weniger verstanden werden. Wir müssen diese Beziehung pflegen», so der Präsident der ASO.
Wo besteht Handlungsbedarf?
Die Zahl der Auslandschweizerinnen und -schweizer steigt stetig – Ende 2024 waren es über 826’000. Parallel nehmen weltweit Krisen und Konflikte zu. «Das EDA priorisiert deshalb Massnahmen in den Bereichen Prävention, Schutz und Nothilfe», schreibt die Medienabteilung des EDA.
Lombardi sieht die Zukunft vor allem im Bereich der politischen Teilhabe: Für die Auslandschweizer:innen sei E-Voting zentral. «Die Postzustellung wird in vielen Ländern immer schwieriger. Wer politisch mitbestimmen will, muss eine sichere digitale Möglichkeit haben.»
Editiert von Balz Rigendinger
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