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Schweizerdeutsch in Kosovo: Mundart lernte er mit seinen Cousins

Schweizerdeutsch zu lernen, bringt einem im Ausland praktisch nichts. Der Kosovare Fatmir Pervorfi hat es trotzdem getan. Die Mundart hat sein ganzes Leben geprägt.

Fatmir Pervorfi lebt praktisch schon sein ganzes Leben lang in einem kleinen Bergland ohne Meeranschluss – 1000 Kilometer südöstlich der Schweiz. Und trotzdem spricht er perfekt Schweizerdeutsch.

Pervorfi hat keine Schweizer Wurzeln, aber seine Familie eine Schweizer Zukunft.

Die Schweizer Cousins in den Sommerferien

Wie Zehntausende andere Kosovo-Albaner:innen sind die Pervorfis im Kosovo-Krieg 1998/1999 in die Schweiz geflüchtet. Pervorfi war ein Kleinkind. Die meisten Verwandten sind in der Schweiz geblieben, aber Fatmir Pervorfi, sein Bruder und seine Eltern sind zurück – noch bevor er sprechen konnte.

Fatmir Pervorfi ist im Südwesten des Kosovo aufgewachsen. Sein Familienstrang in der Schweiz, seine Cousins, sind in den Sommerferien zu Besuch gekommen. Verständigung war möglich: Dem deutschen Kabelfernsehen sei Dank sprach Fatmir Pervorfi passabel Hochdeutsch.

Pervorfi schildert den Umgang in seiner Familie als herzlich. Doch trotzdem blieb da eine Distanz, eine sprachliche Distanz.

Die Diglossie in der Schweiz

Das könnte mit der Diglossie zusammenhängen. Schweizerdeutsch hat eine spezielle Position in der Schweizer Gesellschaft: Hochdeutsch ist hier die Sprache für alles Formale, für den Austausch mit den Behörden.

Bei fast allem informellen Kontakt in der Deutschschweiz sprechen die Menschen in Schweizerdeutschen Dialekten: Auf dem Pausenplatz, in der Familie, draussen beim Spielen sprechen die meisten Kinder in der Schweiz Dialekt. Auch die Cousins von Fatmir Pervorfi, die im Schweizer Mittelland aufgewachsen sind.

Sie brachten Fatmir, in einer Mischung aus Spiel und Unterricht, Schweizerdeutsch bei.

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Von Solothurner- bis St. Gallerdeutsch

Erst lehrten ihn seine Cousins den Solothurner Dialekt; später als Jugendlicher telefonierte Fatmir Pervorfi oft mit einem bestimmten Cousin in Zürich. Seine Mundart wurde zürcherischer. Heute hat Pervorfis Mundart eine St. Galler-Färbung: Seit vier Jahren ist er mit seiner Partnerin aus St. Gallen zusammen.

Die beiden führen eine moderne Fernbeziehung. Sie ist fokussiert auf ihre Ausbildung und Karriere. Auch Fatmir Pervorfi arbeitet viel.

Seinen ersten Karriereschritt verdankte er ebenfalls seinen Sprachkenntnissen: Bereits als 18-Jähriger übernahm Fatmir Pervorfi die Verantwortung für das Schweiz-Geschäft einer kosovarischen Marketingfirma. Heute hat er, der in diesen Tagen 25 Jahre alt wird, eine neue Funktion in einem neuen Unternehmen. Doch seine Karriere hat den Bezug zur Schweiz stets bewahrt.

Keine Schweizerdeutsch-Schulen im Ausland

Ausserhalb der Schweizer Landesgrenzen gibt es kaum eine Möglichkeit Schweizerdeutsch zu lernen. Es gibt international wohl keine einzige Sprachschule, die Schweizerdeutsch anbietet. Viele Ausländer:innen, die Karriere in der Schweiz machen wollen, kommen problemlos durch mit Hochdeutsch.

Die einzige Motivation Schweizerdeutsch zu lernen, ist Verbundenheit. Und Verbundenheit – familiäre Verbundenheit – war auch für Fatmir Pervorfi als Junge im Kosovo Motivation genug, Schweizerdeutsch zu lernen.

Editiert von David Eugster

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