
Swisscom von Eskalation der Affäre bei Tochter Fastweb überrascht (Zus)
Bern/Mailand (awp/sda) – Die Swisscom ist überrascht über die Eskalation der Affäre bei ihrer italienischen Tochter Fastweb. Beim Kauf von Fastweb wussten die Schweizer zwar, dass ein Mehrwertsteuerverfahren lief. Aber sie hatten nicht erwartet, dass sich die Angelegenheit zu einem Geldwäschereiskandal ausweiten könnte.
Die Swisscom sei beim Erwerb von Fastweb im Jahr 2007 über das laufende Verfahren wegen mutmasslicher Steuerhinterziehung in den Jahren 2003 bis 2006 informiert gewesen, teilte der grösste Schweizer Telekomkonzern am Mittwoch mit.
Nun scheint sich die Angelegenheit zu einem internationalen Geldwäschereiskandal auszuwachsen. Die italienischen Behörden hatten am Vortag Haftbefehle gegen 56 Personen erlassen. Darunter seien fünf Mitglieder des früheren Managements und Mitarbeiter von Fastweb, gab die Swisscom bekannt.
So sucht die Polizei Fastweb-Gründer Silvio Scaglia, der den Mailänder Breitbandanbieter im Jahre 2007 an die Swisscom verkaufte. Scaglia, der sich zurzeit in Südamerika aufhält, beteuerte seine Unschuld. Im Visier der Behörden befinden sich auch der derzeitige Fastweb-Geschäftsführer Stefano Parisi und hohe Manager der Telecom Italia-Tochter Sparkle.
Die Fahnder verhafteten am Dienstag zeitgleich mutmassliche Kriminelle in Italien, den USA, Grossbritannien und Luxemburg. In der Schweiz hat die Bundesanwaltschaft in den Kantonen Tessin und Genf mehrere Hausdurchsuchungen durchgeführt. Sie reagierte damit auf ein Rechtshilfeersuchen aus Rom.
Die Verdächtigen werden beschuldigt, zwischen 2003 und 2006 mit fiktiven Käufen und Verkäufen von internationalen Telekom-Dienstleistungen knapp 2 Mrd EUR in Rechnung gestellt zu haben. Damit hätten sie den Fiskus um 365 Mio EUR betrogen.
Die Swisscom erklärte nun am Mittwoch, 2007 lediglich von Ermittlungen wegen mutmasslicher Mehrwertsteuervergehen gewusst zu haben. Fastweb habe zwischen 2003 und 2006 Telekom-Dienstleistungen von italienischen Anbietern eingekauft und verkauft.
2007 gab Fastweb dann bekannt, dass die italienischen Behörden Ermittlungen aufgenommen hätten. Der Vorwurf lautete, dass die Lieferanten die Transaktionen nur eingegangen seien, um die Bezahlung der von Fastweb geleisteten Mehrwertsteuern an den Staat zu umgehen.
Als Folge der Untersuchungen seien Fastweb bis heute noch nicht sämtliche Mehrwertsteuern von etwa 38 Mio EUR zurückerstattet worden, teilte die Swisscom mit.
Der Swisscom hätten 2007 vor dem Kauf von Fastweb zwei verschiedene Gutachten von Steuerberatungsfirmen vorgelegen, nach denen die beanstandeten Transaktionen korrekt gewesen seien. Man habe auch überprüft, ob es Scheingeschäfte bei Fastweb gegeben habe, sagte Swisscom-Sprecher Sepp Huber auf Anfrage. Dass Fastweb die Mehrwertsteuern nicht zurückerhalten könnte, sei damals als Risiko im Kaufangebot berücksichtigt worden.
Angesichts der Vorgänge sollen Fastweb und Telecom Sparkle unter Zwangsverwaltung gestellt werden. Die Untersuchungsbehörde habe bei Gericht beantragt, einen Kommissar für Fastweb zu bestellen.
Diese behördliche Aufsicht würde nach heutiger Einschätzung die Weiterführung der Geschäftstätigkeit von Fastweb nicht beeinträchtigen, erwartet die Swisscom. Ein Richter werde darüber am 2. März entscheiden.
Die Swisscom will nun die Auswirkungen der Affäre bei Fastweb genau prüfen. Neben den Auswirkungen der Zwangsverwaltung aufs Geschäft von Fastweb orten Analysten laut der Nachrichtenagentur AWP die Gefahr von Wertberichtigungen auf den Goodwill in den Büchern von Swisscom.
Vom gesamten Goodwill von 6,7 Mrd CHF soll auf Fastweb ein Anteil von 2,6 Mrd CHF entfallen. An der festeren Börse gaben die Aktien von Swisscom und Fastweb nach.
Zu allfälligen finanziellen Folgen der eskalierenden Affäre für die Swisscom, machte der Konzernsprecher keine Angaben. Dafür sei es noch zu früh. An Fastweb-Chef Parisi hält die Swisscom fest: «Personelle Änderungen stehen nicht zur Diskussion», sagte Huber.
uh