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Ein 260-Meter-Wolkenkratzer in Zermatt?

Lina Peak
So soll dereinst der Lina Peak Tower auf 800 m Höhe aussehen. DR Heinz Julen

Ein Hotelier, Designer und Künstler aus Zermatt träumt davon, bis 2034 einen 62-stöckigen Wohnturm mit Blick auf das Matterhorn im Walliser Ferienort zu errichten. Visionär oder übertrieben? Das Projekt mit dem Namen Lina Peak wurde kürzlich der Öffentlichkeit vorgestellt und spaltet die Gemüter.

Ein gigantisches Hochhausprojekt in Zermatt sorgt für Gesprächsstoff. Mitte November stellte sein Promoter, der 61-jährige Heinz JulenExterner Link, das Projekt zum ersten Mal der Bevölkerung vor. Der Saal war voll besetzt, das Publikum jung und Neuem gegenüber eher aufgeschlossen.

Heinz Julen, Architekt und Enfant terrible des berühmten Oberwalliser Ferienorts, kann sich rühmen, ein kühner Kreativer zu sein.

Ein Hotel mit Druckkabine auf dem Gipfel des Klein Matterhorns, das die symbolische Grenze von 4000 Metern Höhe erreicht, überzeugte die Alpenwelt nicht.

Ein Hotel mit Betten und Badewanne auf einer Drehscheibe und einem Whirlpool, der aus einem Schiebedach herausragt, um über Zermatt zu baden, war dagegen erfolgreicher – und wurde schliesslich umgebaut, um herkömmlicheren Standards zu entsprechen.

Dreissig Stockwerke für Saisonarbeitskräfte

Heinz Julen
Der in Zermatt geborene Künstler, Architekt und Designer Heinz Julen hat mehrere Hotelprojekte auf seinem Konto. DR Heinz Julen

«Ich habe lange darüber nachgedacht und viel Zeit und Geld investiert», sagte Heinz Julen nach der Präsentation seines neuen Projekts namens Lina PeakExterner Link

Der Bauplatz für den Turm befindet sich auf 800 Meter Höhe im unteren Teil des Orts auf vier Parzellen mit wenig wertvollem Ackerland.

Das Hochhaus würde einen atemberaubenden Blick auf das Matterhorn und seine 4478 Meter aus Schnee und Felsen bieten. 

Der Turm würde zwei Kategorien von Wohnungen umfassen, die über einem 40 x 40 Meter grossen Sockel gebaut würden, der 1000 Parkplätze, einen Konzertsaal mit 2500 Plätzen, Restaurants, eine Kindertagesstätte, ein öffentliches Schwimmbad, ein Sportzentrum, Geschäfte und eine Dachterrasse, die mit schnellen Aufzügen erreichbar wäre, umfassen würde.

Die Stockwerke 2 bis 32 wären der örtlichen Wohnbevölkerung vorbehalten, einschliesslich der Hunderten saisonalen Arbeitskräften, die in den Hotels, Restaurants und Taxiunternehmen des Ferienorts beschäftigt sind.

Aufgrund der hohen Grundstückpreise ist es für ihre Arbeitgebenden sehr schwierig, für sie eine erschwingliche Saisonunterkunft zu finden – die Leerstandrate liegt bei fast 0%. Der Turm würde daher relativ günstige Wohnungen für sie bereithalten.

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Die oberen Stockwerke für die reiche ausländische Kundschaft

Im oberen Teil des Turms, vom 33. bis zum 62. Stockwerk, sollen Luxuswohnungen mit grossen Fenstern entstehen. Die Preise für diese Immobilien würden dem Standort entsprechen, der zu den teuersten in der Schweiz gehört, wo die Preise seit der Covid-Pandemie ständig gestiegen sind.

Lina Peak
Es wird vorgeschlagen, den Turm auf vier kleinen Parzellen landwirtschaftlichen Lands im unteren Teil der Stadt Zermatt zu bauen. Heinz Julen DR

Laut Heinz Julen dürften die Luxusresidenzen vor allem für ausländische Kundinnen und Kunden interessant sein. Diese müssten jedoch ihre Papiere vorher in Zermatt hinterlegen, da die Gesetze in Zermatt den Kauf von Immobilien durch Nichtansässige verbieten.

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«Es ist nicht zu gewinnen!»

Was denken die über 5800 ständigen Einwohnerinnen und Einwohner von Zermatt? Die Meinungen schwanken zwischen Empörung und Begeisterung.

Heinz Julen hat es jedoch nicht leicht: «Zuerst müssen 600 Unterschriften gesammelt werden, um die Umzonung der Landwirtschaftszone in eine Bauzone zu fordern. Danach würde es zu einer Volksabstimmung kommen», sagt der Hotelier.

Er sieht eine Aufteilung der Anteile von 7% an die politische Gemeinde, 7% an die Bürgergemeinde (eine Walliser Besonderheit, welche die zehn historischen Familien des Orts umfasst), 7% an die Bergbahnen und 7% an die lokale Eisenbahngesellschaft vor.

Der Projektentwickler würde sich 45% der Anteile an Lina Peak sichern. Die restlichen Anteile würden an Aktionärinnen und Aktionäre gehen, die von dem Projekt überzeugt sind. Die Fertigstellung des Projekts könnte fünf bis zehn Jahre dauern und eine halbe Milliarde Franken kosten.

Es muss auch an die Erreichbarkeit des Orts auf der Strasse gedacht werden, die bislang den Besitzerinnen und Besitzern von Wohnhäusern im Ort vorbehalten war.

Mit seinen Tausenden von Bewohnenden würde das neue «vertikale Dorf» die Zufahrtstrasse möglicherweise noch mehr verstopfen.

Die Bauherren planen daher ein Besucherzentrum, um den Zustrom zu regulieren, sowie den Bau einer neuen Gondelbahn, um die Skipisten zu erreichen, ohne durch den Ort fahren zu müssen.

Lina Peak
Der Bau eines solchen Turms würde fünf bis zehn Jahre dauern und etwa eine halbe Milliarde Franken kosten. Heinz Julen DR

Noch nie dagewesen

Ein Projekt dieser Grössenordnung wurde noch nie zuvor in einem Schweizer Wintersportort durchgeführt. Es weckt daher Ängste: Zu oft haben Hochhausbauten die Orte nur verschandelt, wie der Tour Europe in Montreux oder die Aminona-Türme in Crans-Montana.

Ausserdem lauert das Gespenst des Massentourismus in Zermatt, wo im vergangenen Jahr erstmals die Marke von 900’000 Besuchenden auf dem 3882 Meter hohen Gipfel des Klein Matterhorns überschritten wurde.

Lohnt es sich noch, dass Schweiz Tourismus viel Geld investiert, um Touristinnen und Touristen aus der ganzen Welt an den Fuss des Matterhorns zu locken, wenn der Ort bereits überfüllt ist?

Ob Wolkenkratzer oder nicht, diese Frage sowie die Frage der Unterkünfte für Feriengäste und Einheimische werden in den kommenden Jahren in Zermatt weiterhin heiss diskutiert werden.

In der Vergangenheit wurden in der Schweiz bereits andere Projekte für riesige Hochhäuser in Bergdörfern geplant, aber keines davon wurde verwirklicht.

In Vals (Graubünden) sorgte die Idee eines 381 Meter hohen Hotelturms mehrere Jahre lang für Kontroversen.

Die berühmten Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron wollten einst einen 105 Meter hohen Turm in Davos bauen.

Editiert von Pauline Turuban und Samuel Jaberg, Übertragung aus dem Französischen: Giannis Mavris

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