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Schweizer Label für digitales Vertrauen hat globale Ambitionen

Niniane Paeffgen, Managing Director der Swiss Digital Initiative. Philippe Monnier

Die Genfer Stiftung Swiss Digital Initiative hat gerade ein Label eingeführt, das die Zuverlässigkeit digitaler Dienstleistungen zertifizieren soll. Ein erster Schritt auf dem Weg zur Gründung einer echten internationalen Organisation in Genf. Ein Gespräch mit der Geschäftsführerin Niniane Paeffgen.

Die von Digitalswitzerland gegründete und 2019 vom damaligen Bundespräsidenten Ueli Maurer lancierte Swiss Digital Initiative will die Einführung von ethischen Standards in der digitalen Welt mit konkreten Projekten fördern. Die Genfer Stiftung, die von der ehemaligen Bundesrätin Doris Leuthard präsidiert wird, verfügt für ihre ersten drei Jahre über ein Budget von rund zwei Millionen Franken.

Dieser Geldsegen kommt von Stiftungen, vom Bund und von Digitalswitzerland. Darüber hinaus erhält die Swiss Digital Initiative auch Sachleistungen von ihren Stakeholdern. Die Stiftung hat kürzlich ein digitales Vertrauenslabel mit dem Namen Digital Trust Label eingeführt. Ein Treffen mit Niniane Paeffgen, Geschäftsführerin der Swiss Digital Initiative, in Genf.

Niniane Paeffgen hat einen Master in International Affairs and Governance der Universität St. Gallen. Seit November 2019 ist sie Managing Director der Swiss Digital Initiative.

Zuvor arbeitete sie unter anderem für Digitalswitzerland, die Abteilung für Angelegenheiten des Sicherheitsrats der UNO sowie den Internationalen Gerichtshof der Internationalen Handelskammer.

swissinfo.ch: Die Ambitionen der Swiss Digital Initiative sind global. Trotzdem sind alle Ihre Geldgeber:innen und alle Mitglieder Ihres Stiftungsrats Schweizer:innen.

Niniane Paeffgen: Unser Stiftungsrat besteht in der Tat aus anerkannten Schweizer Persönlichkeiten, wie zum Beispiel Doris Leuthard, dem Bundeskanzler, dem Präsident der Universität Genf oder dem Gründer von Digitalswitzerland.

Dennoch hat der damalige Bundespräsident Ueli Maurer bei der Lancierung unserer Initiative im Jahr 2019 führende Vertreter:innen ausländischer Unternehmen wie Huawei, IBM, Microsoft oder Mozilla eingeladen. Diese multinationalen Unternehmen sind immer noch sehr an unseren Aktivitäten interessiert.

Übrigens war Mitchell Baker, Executive Chairman von Mozilla, eine der Hauptrednerinnen bei unserer Veranstaltung am Rande des letzten Weltwirtschaftsforums in Davos. Was unsere Geldgeber:innen betrifft, so sind sie in der Tat aus der Schweiz, aber wir sind natürlich auch offen für Finanzspritzen aus dem Ausland.

Was sind die Ziele des Digital Trust Label, Ihres digitalen Vertrauenssiegels, das Anfang dieses Jahres eingeführt wurde?

Das Ziel unseres Labels ist es, den Nutzer:innen zu zeigen, dass ein digitaler Dienst mit vier Dimensionen vertrauenswürdig ist. Es sind dies Sicherheit, Datenschutz, Zuverlässigkeit und faire Interaktion mit den Nutzer:innen.

Unser Siegel eignet sich besonders für digitale Anwendungen, bei denen sensible Daten gesammelt werden müssen, insbesondere wenn diese Daten in Algorithmen zur Entscheidungsfindung einfliessen. Mit anderen Worten: Unser Siegel garantiert einen gewissen Standard des digitalen Vertrauens. In diesem Sinne kann man es mit einem Bio-Label für Lebensmittel vergleichen.

Können Sie ein konkretes Beispiel machen?

Um Zugang zum Online-Konto der Credit Suisse zu erhalten, müssen die Kund:innen dieser Bank im Rahmen des Begrüssungsprozesses eine Reihe von persönlichen Daten angeben. Durch unser Label erhalten die Kund:innen dieses Dienstes eine Garantie für den Schutz und die Sicherheit ihrer persönlichen Daten.

Um durch Ihr Label digitales Vertrauen zu gewährleisten, stützen Sie sich auf 35 Kriterien. Ist das nicht zu kompliziert für die einfachen Leute?

Unser Ziel ist es, die Komplexität für die breite Öffentlichkeit so gering wie möglich zu halten. Aus diesem Grund stellen wir nur die vier oben genannten Dimensionen in den Vordergrund. Diese sind sehr leicht verständlich. Dennoch ist es wichtig, auch auf die technischen Details einzugehen.

Zu diesem Zweck beziehen wir uns auf einen Katalog von 35 Kriterien, der von einem Expert:innenausschuss unter der Leitung der École polytechnique fédérale de Lausanne EPFL erarbeitet wurde. Um unsere Erfahrungen insbesondere mit Fachleuten zu teilen, veröffentlichen wir alle diese technischen Details.

Bis Mai 2022 wurde Ihr Label bereits an fünf Schweizer Unternehmen vergeben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich auch 14 weitere Organisationen verpflichtet, das digitale Vertrauenssiegel einzuführen. Welche Fortschritte wurden seither erzielt?

Zunächst einmal sind die fünf Pionier:innen des digitalen Vertrauens – Swisscom, Credit Suisse, Swiss Re, PeopleWeek und Credit Exchange – sehr zufrieden mit unserem Label. Derzeit konzentrieren wir uns darauf, unser Label auch für die anderen 14 Organisationen einzuführen. Der anfängliche Zertifizierungsprozess dauert zwischen drei und sechs Monaten, je nach Komplexität der zu zertifizierenden Prozesse, und kostet einen fünfstelligen Betrag.

Brauchen sehr bekannte Unternehmen wie etwa die Swisscom und Credit Suisse wirklich Ihr Siegel, um online Vertrauen aufzubauen?

Auf jeden Fall. Unsere Studien haben gezeigt, dass Offline-Vertrauen zu einem grossen Teil nicht automatisch in die digitale Welt übertragen wird. Das bedeutet, dass unser Label selbst für diese Unternehmen einen wichtigen Beitrag zur Vertrauensbildung in ihre Online-Anwendungen leistet.

“Offline-Vertrauen wird nicht automatisch in die digitale Welt übertragen.”

Wie werden Sie den Erfolg Ihres Labels messen?

Unsere Ziele werden erreicht, wenn die Nutzer:innen von digitalen Anwendungen tatsächlich die Möglichkeit haben, in voller Kenntnis der Sachlage Entscheidungen zu treffen. Ausserdem ist unser Beitrag zur Festlegung internationaler Standards – in unserem Bereich – ein weiteres Kriterium für den Erfolg.

Um sich zu etablieren, ist es wichtig, dass Ihr digitales Vertrauenssiegel bekannt und anerkannt ist. Die Gründung eines Labels oder einer Weltmarke ist jedoch äusserst kostspielig.

Wir wissen, dass unsere Aufgabe schwierig und langwierig sein wird. Da das Digital Trust Label noch sehr neu ist, stehen wir vor der Huhn-Ei-Frage: Wir brauchen eine kritische Masse an Unternehmenskund:innen, aber auch an Nutzer:innen. Glücklicherweise haben wir bereits eine Reihe von Massnahmen ergriffen, wie etwa unsere bunte Einführung inmitten des internationalen Genfs. Und auch unsere Veranstaltung am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos im Mai 2022 fand vor einer handverlesenen internationalen Zuhörerschaft statt.

Die meisten der ersten 20 Organisationen, die sich für Ihr Label interessieren, kommen aus der Schweiz. Warum ist das so?

Unser Ansatz ist es, in der Schweiz zu beginnen und dann ins Ausland zu expandieren. Zu unseren ersten Kund:innen gehört übrigens Wefox, ein junges deutsches Unternehmen, das sich auf Online-Versicherungen spezialisiert hat. UNICEF in der Schweiz und Liechtenstein wird bald die erste Non-Profit-Organisation sein, die unsere Zertifizierung für ihren Online-Spendenprozess in Anspruch nimmt.

Wer sind Ihre Konkurrent:innen?

Wir haben rund 60 Initiativen identifiziert, die ähnliche Ziele verfolgen wie wir. In unserem Bereich sind wir jedoch die einzige Organisation, die die Internetnutzenden in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig die akademische Welt, die Wirtschaft und die Zivilgesellschaft einbezieht.

Ausserdem ist unser Ansatz mit unseren vier Dimensionen und 35 Kriterien viel breiter als die Betrachtung eines einzigen Kriteriums – zum Beispiel des Datenschutzes. Um die Seriosität unserer Arbeit zu gewährleisten, wird die Zertifizierung schliesslich von einem externen Unternehmen durchgeführt, in diesem Fall von der Genfer Firma SGS, dem weltweit führenden Unternehmen für Inspektion, Kontrolle, Analyse und Zertifizierung.

Wie wichtig ist es, in Genf ansässig zu sein?

Es ist einer unserer grössten Trümpfe, weil wir in dieser Stadt von einer Vielzahl internationaler Organisationen umgeben sind. Dank der natürlichen Vorteile der Schweiz und Genfs strahlen Organisationen wie das Internationale Komitee des Roten Kreuz und das WEF in die ganze Welt aus.

Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Labels und der Swiss Digital Initiative?

Unser Ziel ist es, dass unser Label zu einer weltweiten Referenz in unserem Bereich wird. Wir möchten auch eine echte internationale Organisation werden und dazu ein globales Netzwerk rund um das digitale Vertrauen aufbauen.

(Übertragung aus dem Französischen: Melanie Eichenberger)

Melanie Eichenberger

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