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Diese Spuren hat Corona an den Universitäten hinterlassen

Students at the University of Basel
Studierende vor der Universität Basel. www.markniedermann.com/University of Basel

Nach zwei Jahren Unterbruch sind die Studierenden in der Schweiz diesen Herbst auf den Campus zurückgekehrt. Der Online-Unterricht, der während der Pandemie einen Aufschwung erlebte, verschmilzt zunehmend mit der Präsenzlehre.

Für die mehr als 12’000 Studierenden, die Mitte September das Herbstsemester an der Universität Basel begannen, ist die Rückkehr zur Normalität spürbar. Vorbei ist die Zeit der Masken, des Social Distancings und der Covid-Zertifikate. Die Hörsäle sind voll, die Cafeterien auch. Das soziale Leben ist wieder in vollem Gang.

Nach Aufhebung der Covid-19-Massnahmen sind viele Student:innen froh, wieder an der Universität zu sein. Doch nicht alle Spuren der Pandemie sind vom Campus verschwunden. Der Online-Unterricht, der während des Höhepunkts der Pandemie über weite Strecken das Leben an den Schweizer Universitäten prägte und für Dozierende und Studierende eine schlagartige Veränderung des Lehrens und Lernens mit sich brachte, hat sich an den meisten Universitäten des Landes durchgesetzt.

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Wie es früher war: Ein Professor der Fachhochschule Ostschweiz hält im November 2020 eine Online-Vorlesung via Computer. Keystone / Gian Ehrenzeller

“Insgesamt gibt es im Herbstsemester 22 reine Online-Kurse – das entspricht etwa einem Prozent aller Kurse”, teilt Matthias Geering, Sprecher der Universität Basel, SWI swissinfo.ch per E-Mail mit. Zum Vergleich: Vor der Pandemie, im Jahr 2019, gab es nur einen einzigen Online-Kurs.

“Blended learning”

“Wo es didaktisch sinnvoll ist, wird digitales Lernen weiterhin angeboten”, so Geering. Aber nicht als Fernstudium – also als reines Online-Studium über Zoom oder Teams – sondern als Blended Learning im Format “Flipped Classroom”. Hierbei wird Wissen online erworben, beispielsweise über Videos und Vorlesungsaufzeichnungen, und anschliessend in Gruppen auf dem Campus vertieft, angewendet und reflektiert, erklärte Geering. Auf diese Weise kann die Universität “das Beste aus beiden Welten” kombinieren.

Die Pandemie gab den Anstoss zu diesem Schritt. Eine Umfrage zur digitalen LehreExterner Link an der Universität, die im März 2021 – ein Jahr nach der Umstellung auf die digitale Lehre – veröffentlicht wurde, zeigte ebenfalls, dass die meisten Studierenden und Dozierenden die grössere Flexibilität der digitalen Formate schätzen. Dennoch sei es wichtig, dass sie auf dem Campus miteinander in Kontakt treten, so Geering, was auch durch die Pandemie noch einmal deutlich geworden sei.

Die Schweiz hob am 1. April 2022 alle Massnahmen gegen das Coronavirus auf, aber an vielen Universitäten gab es bis zum Sommer noch Einschränkungen.

Zuvor hatte es zwei Schliessungen (Frühjahr 2020 und Herbst 2021) mit Fernunterricht gegeben. Dazwischen fand der Unterricht vor Ort unter Einschränkungen statt (Masken, Social-Distancing und Covid-Bescheinigung).

Ähnlich sieht es an anderen Schweizer Universitäten aus: Die Universität Bern hat empfohlenExterner Link, nicht-interaktive Vorlesungen als Podcasts aufzuzeichnen. Die Universität Genf arbeitet an der automatischen Aufzeichnung von Vorlesungen in dafür ausgestatteten Räumen ab 2023-2024. “Aufgezeichnete Kurse sind eine Ergänzung, welche die Studierenden zusätzlich zum Präsenzunterricht nutzen können; sie sind kein Fernstudium im eigentlichen Sinne”, so die Universität. Die Universität unterstütze zwar einen echten Fernunterricht, doch müsse dieser die richtige “pädagogische Vision” widerspiegeln.

Ein fester Online-Tag

Die Pädagogische Hochschule Schwyz geht noch einen Schritt weiterExterner Link. Sie hat diesen Herbst einen festen Tag pro Woche für den Online-Unterricht auf Bachelor-Stufe eingeführt. Sprecherin Ulrike Seifart betont, dass mit diesem Schritt, der im Juni 2023 evaluiert wird, “unsere positiven Erfahrungen mit dem Fernstudium [aus der Pandemiezeit] umgesetzt” werden sollen.

Einige Studieninhalte eigneten sich gut für die digitale Vermittlung, erklärte sie. Viele Studierende schätzten zudem die grössere Flexibilität, um beispielsweise das Studium mit Familie, Beruf oder Spitzensport zu vereinbaren, fügte sie hinzu. Soweit Seifart weiss, ist die Pädagogische Hochschule Schwyz die einzige Pädagogische Hochschule in der Schweiz, die einen festen Online-Tag hat.

Dennoch ist es an der Hochschule erwünscht, dass die Studierenden auf den Campus kommen, denn Interaktion ist wichtig. “Der Lehrerberuf ist und bleibt ein sozialer Beruf, und soziale Kompetenzen kann man nicht digital aufbauen. Ausserdem gibt es Ausbildungsinhalte, die nicht digital vermittelt werden können”, so Seifart.

Studierende froh über Rückkehr

Die Student:innen freuen sich im Allgemeinen über die Rückkehr zum Campusleben, wie Seraina Campell, Co-Präsidentin beim Verband der Schweizer Studierendenschaften (VSS), gegenüber SWI swissinfo.ch erklärt.

“Eine Rückkehr zum reinen Fernstudium kommt aus unserer Sicht nicht in Frage. Der soziale Austausch hat [während der Pandemie] gelitten, die psychische Belastung war hoch und es war vor allem für die Studienanfängerinnen und -anfänger schwierig, den Anschluss an den Universitätsalltag zu finden”, sagte sie per E-Mail.

Trotzdem schätzen es die Studierenden, bestimmte Vorlesungen oder andere Formate online zu verfolgen oder später noch einmal anhören zu können. “Die meisten Studierenden arbeiten neben dem Studium, manche müssen Betreuungsaufgaben übernehmen oder sind aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, jeden Tag in die Uni zu gehen und alles vor Ort zu erledigen”, so Campell.

Die Zukunft des Studierens

Auch die Schweizer Nachbarländer DeutschlandExterner Link und FrankreichExterner Link sind zur Präsenzlehre zurückgekehrt. Anzeichen dafür, dass das digitale Lernen auch hier die Studierenden geprägt hat, gibt es viele. Eine im Januar dieses Jahres veröffentlichte UmfrageExterner Link unter deutschen Studierenden ergab, dass sich vier von fünf Studierenden langfristig eine Mischung aus Präsenz- und Online-Unterricht wünschen.

Eine amerikanische Studie, über die im Oktober in der New York Times berichtet wurdeExterner Link, legt nahe, dass die Online-Hochschulbildung möglicherweise besser funktioniert, als die Forschung vor der Pandemie erwartet hatte – und dass sie sich “entscheidend” in Richtung Blended Learning entwickelt.

“Ich glaube nicht, dass wir uns die Lehre an den Universitäten ohne digitale Formate vorstellen können”, so Campell. Für sie ist es wichtig, dass die Studierenden in die nächsten Entwicklungen im Bereich des digitalen Lernens einbezogen und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden.

Insgesamt bleibe “abzuwarten, wie die verschiedenen Möglichkeiten in Zukunft funktionieren werden und wie wir digitale Formate bestmöglich nutzen können, ohne die Vorteile der Präsenzlehre zu verlieren”.

Editiert von Virginie Mangin, adaptiert aus dem Englischen von Michael Heger.

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