Meine Herren, seien Sie schön und selbstbewusst!

Kosmetik ist nicht mehr nur den Frauen vorbehalten. Auch Männer geben nun dem Druck nach, unter dem ihre Partnerinnen seit Jahren stehen, und tun es ihnen gleich.
Es ist ein Triumphzug des Körperkults, der Schönheit und auch der Wellness im Gang.
Die Änderung der Männerwelt im Badezimmer passierte schleichend. Zuerst kam das Deo. Dann das Aftershave. Danach das Duschgel. Schliesslich entdeckten die Männer die Hautcreme, und jetzt fürchten sie nicht einmal mehr das Enthaaren.
Alle? Sicher nicht. Das Phänomen ist relativ neu. Laut Yves Goumaz, Partner der Société suisse Beauté Plus SA, kam es vor rund fünf Jahren auf.
Und seither ging es rasant: 2001-2002 nahm in der Schweiz der Verkauf von Schönheitsprodukten für Männer um 10,7% zu.
Bei den Gesichtscremes waren es gar 27,2%, wie den Mitteilungen des Verbands der Hersteller, Importeure und Lieferanten von Kosmetik- und Parfümerieprodukten (ASCOPA) zu entnehmen ist. Die exakten Umsatzzahlen aber bleiben vertraulich.
Bewusstseinsbildung
In den 60er- und 70er-Jahren habe sich die Beziehung zum eigenen Körper und seinem Erscheinungsbild verändert, erklärt die Soziologin Eliane Perrin. Dies gllt für Männer wie für Frauen. Das Aussehen wurde in allen gesellschaftlichen Beziehungen immer wichtiger.
Und die Frauen wurden, nach ihrer Befreiungsbewegung, anspruchsvoller gegenüber Männern. Sie finden, «schlecht riechen ist nicht unbedingt ein Beweis von Männlichkeit», so Perrin.
«Gleichzeitig», fährt sie weiter, «kam es zur Befreiungsbewegung der Homosexuellen. Und das veränderte, dank deren neuem Selbstbewusstsein, das Image des Mannes.» Es erlaube den Männern, sich adretter zu geben. Denn, so die Soziologin, ein Schwuler sei ja schliesslich auch ein Mann.
Der Sport spielte ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Beziehung zu unserem Körper. Seit gut dreissig Jahren gehört es zum guten Ton, Sport zu treiben: Man(n) muss jung aussehen, gesund bleiben und Muskeln vorweisen können.
Sport aber ist Schweiss treibend, also muss man danach duschen. Und weil viel Duschen die Haut austrocknet, muss man dieser danach wieder Feuchtigkeit zuführen.
Männliche Ästhetik
Weil die Männer keine Produkte fanden, die extra für sie hergestellt wurden, benutzten sie zunächst jene ihrer Partnerinnen.
Aber in den 90er-Jahren stellte sich die Kosmetik auf die Männer ein. Und nun entstehen immer neue Marken und Produkte.
Biotherm war die erste Firma, die eine Linie mit Pflegeprodukten für den Mann lancierte. In Frankreich ist Nickel die einzige Marke, die nur den Männermarkt anpeilt. In der Schweiz ist es Performen.
Besonders markant ist der Aufschwung bei der Gesichtspflege: Peelings, Feuchtigkeit spendende Cremen, Produkte gegen Hautglanz, gegen Falten und für die Haut um die Augen.
Zielgruppe für diese Produkte sind Männer zwischen 25 und 45 Jahren. Zuerst waren es noch die Frauen, die sie für sie kauften. Heute suchen die Männer sie selbst aus.
Verkaufsargumente
Um den Mann davon zu überzeugen, dass er Kosmetika braucht, müsse man ihm sagen, dass das Produkt für seine Bedürfnisse gemacht sei, erklärt Yves Goumaz von Beauté Plus. Dass es extra für ihn hergestellt worden sei.
Eine männliche Besonderheit: Der Konsument verlangt sofortige Wirkung – man muss die Verjüngung sehen – aber die Wirkung muss auch anhalten. Ausserdem muss die Anwendung einfach und nicht zu zeitaufwändig sein.
Auch die Verpackung ist wichtig. Natürlich darf sie nicht rosa sein. Und der Name darf nicht weiblich tönen. Nickel hat das begriffen und Namen wie «Lendemain de fête» (sozusagen: «Am Tag danach») oder «Massage canaille» («Anrüchige Massage») kreiert.
Auf der Suche nach Wellness
Eine weitere Entwicklung ist der Besuch bei der Kosmetikerin, auch wenn dies noch eher selten ist.
Laut Yves Goumaz besucht 1% der Männer solche Institute. Bei den Frauen sind es 10%. Und es sind vor allem die Männer von Frauen, die bereits Kundinnen sind. Goumaz ist überzeugt, dass sich das Phänomen schnell ausbreiten wird.
Die Männer haben zwar noch Mühe, diesen Schritt, im wörtlichen wie im übertragenen Sinn, zu tun, denn diese Institute haben meist eine gemischte Kundschaft. Und die meisten Männer wollen da lieber nicht gesehen werden. Auch wenn, so Eliane Perrin, «an solchen Orten eine sanfte Erotik herrscht. Man schaut sich um wie an einem Strand.»
Zurzeit gibt es in der Schweiz nur ein einziges Institut ausschliesslich für Männer. Das «Masculin Center» in Lausanne hat seine Tore vor drei Jahren geöffnet.
Das Alter der Kunden liegt zwischen 16 (für Hautreinigung) und 80 Jahren (für Massagen), wie Anne-Marie Cordoba, eine der vier Inhaberinnen, ausführt. Die meisten sind aber zwischen 25 und 40.
Etwas kommt immer mehr auf: Die Haarentfernung. Die Soziologin Perrin erklärt das Phänomen so: «Haare lassen an Tiere denken. Lässt man die Haare entfernen, ist das die Unterordnung der Natur.»
Und schliesslich scheint dem Mann das eigene Aussehen genau so wichtig zu sein wie der Frau. Er brauchte zwar etwas länger, um den Sirenenklängen des Marketing zu verfallen – oder vielleicht auch nur, es offen zu zeigen.
swissinfo, Chantal Nicolet
(Übertragung aus dem Französischen: Charlotte Egger)
2001-2002 nahm der Verkauf von Schönheits-Produkten für den Mann in der Schweiz um 10,7% zu.
Bei den Gesichtscremes waren es im gleichen Zeitraum 27,2% (Zahlen: ASCOPA, Genf).
Die Zielgruppe für Kosmetika sind Männer zwischen 25 und 40.
1% der Männer besucht Kosmetikinstitute.

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