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Spannung steigt zwischen Kultur und Politik

Bereit zur Verteidigung der künstlerischen Freiheit: Pro-Helvetia-Präsidentin Yvette Jaggi. Keystone Archive

Wenn Pro-Helvetia-Präsidentin Yvette Jaggi zurücktrete, solle das Budget der Kulturstiftung wieder aufgestockt werden, fordert die CVP.

Aus Zorn über eine angeblich beleidigende Ausstellung in Paris hatte der Ständerat am Dienstag das Budget der Pro-Helvetia um eine Million gekürzt.

Kopf gegen Geld: Mit dieser Formel will die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) offenbar politischen Profit aus dem Hick-Hack um die in rechtskonservativen Politkreisen umstrittene Ausstellung des Schweizer Künstlers Thomas Hirschhorn in Paris zu schlagen (siehe unsere bisherigen Artikel zum Thema).

Die Ausstellung findet gegenwärtig im Centre Culturel Suisse de Paris statt, einer Aussenstelle der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia. Der Anlass, zu dem auch die Aufführung eines Theaterstücks gehört, stösst beim Publikum in der französischen Metropole auf sehr grosses Interesse.

«Nicht gegen Künstler»

Die als «Entgleisung» kritisierten Elemente der Hirschhorn-Ausstellung in Paris sei nicht auf künstlerische, sondern auf Führungsverantwortung innerhalb der Kulturstiftung Pro Helvetia zurückzuführen, bestätigte CVP-Generalsekretär Reto Nause am Donnerstag einen Bericht in der Boulevard-Zeitung «Blick».

Von einer «erpresserischen Haltung» der CVP, wie es im Zeitungsbericht hiess, mochte Fraktionschef Jean-Michel Cina nicht reden. Der Artikel reflektiere aber die allgemeine Stimmungslage in der Fraktion.

Die vom Ständerat auf Antrag des Zuger CVP-Vertreters Peter Bieri am letzten Dienstag beschlossene Kürzung des Pro Helvetia-Kredits von 34 auf 33 Mio. Franken richte sich nicht allgemein gegen Künstlerinnen und Künstler, so Cina. Sie sei ein Wink an die Führung der Stiftung, öffentliche Gelder nicht für Projekte einzusetzen, die den Anstand verletzten.

«Der ehemaligen DDR würdig»

Gegenüber der Westschweizer Zeitung «Le Temps» bezeichnete Jaggi am Donnerstag den Entscheid des Ständerates als «der ehemaligen DDR würdig».

Es sei paradox: Gerade jene, die sich immer vehement gegen subventionierte Kunst ausgesprochen hätten, betrieben nun eine «ultradirigistische Kulturpolitik».

Mit diesem Verhalten bestärkten sie die von Thomas Hirschhorn geäusserte Kritik. Sie selbst habe die Rolle des Staates in der Kulturförderung immer so verstanden, dass die Unabhängigkeit der Kunstschaffenden respektiert werde und sich die Behörden darauf beschränkten, günstige Bedingungen für Projekte zu schaffen.

Der Sensationspresse gefolgt

Dass der völlig unverständliche Entscheid auf Grund von Berichten der Sensationspresse gefällt wurde, erscheine ihr etwas leichtfertig, kritisierte Jaggi.

Man müsse sich fragen, was die in der Verfassung verankerte künstlerische Freiheit unter diesem Umstand bedeute. Schliesslich stelle der Beschluss die gesetzlich verankerte Autonomie der Pro Helvetia in Frage.

Am Mittwoch hatte sich auch der Schweizer Autorenverband (AdS) in die Diskussion eingeschaltet: In einem offenen Brief forderte er den Nationalrat auf, den Entscheid des Ständerats zu korrigieren.

Appell an Nationalrat

Dass der Ständerat sich vom schlichten Disziplinierungsmotto «Wer zahlt, befiehlt» zur Kürzung des Budgets der Kulturstiftung Pro Helvetia habe verleiten lassen, empfinden die Schweizer Autoren als «befremdlich».

Es sei eine «Geste der Machtdemonstration und der kollektiven Bestrafung aller Kunstschaffenden», wenn die Pro Helvetia dafür bestraft werde, dass sie die provozierende Pariser Ausstellung von Thomas Hirschhorn mitfinanziert habe, schrieb der Verband weiter.

swissinfo und Agenturen

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