Unruhe in der Heroin-Szene
Heroin ist in der Schweizer Drogenszene knapper und teurer geworden. Fachleute sehen den Krieg in Afghanistan und stärkere Repression als Gründe dafür.
Die Händler strecken offenbar den Stoff vermehrt mit Sandstein oder Strychnin, wie eine Umfrage der Nachrichtenagentur AP bei Fachleuten weiter ergab. Dadurch steigen auch die Risiken für Konsumenten und Konsumentinnen der Droge.
Mehr Aggression
«Die Szene ist unruhiger und aggressiver geworden», erklärte Daniel Meili, Chefarzt der Arbeitsgemeinschaft für risikoarmen Umgang mit Drogen (ARUD) in Zürich. Denn die Verknappung des Angebots wirkt sich auf die Preise und die Qualität des Stoffes aus, wie er Medienberichte bestätigte.
In Bern sei das Gramm Heroin doppelt so teuer wie noch im September, erklärte der Stadtberner Polizeisprecher Beat Gross. Und für fünf Gramm müssten statt 300 Franken plötzlich 450 Franken hingeblättert werden.
Strychnin und Sandstein
Das Bundesamt für Polizei (BAP) stellte nach Angaben von BAP-Sprecherin Danièle Bersier auch in Zürich und St. Gallen einen starken Preisanstieg fest. Zugleich habe sich der Reinheitsgehalt des Stoffes um die Hälfte verringert, sagte ARUD-Fachmann Meili weiter.
Häufig werde das Heroin mit Strychnin gestreckt. In Bern werde dazu vermehrt auch Sandstein verwendet. «Die Händler kratzen den Sandstein mit den Fingernägeln von den Fassaden ab und füllen ihn in die Säckchen», sagte Polizeisprecher Gross. Dies erhöhe das Gesundheitsrisiko für die Konsumenten.
Methadon und Rohypnol
Die Preiserhöhung dürfte gemäss Meili auch auf die Beschaffungs-Kriminalität durchschlagen, da die Fixer ihren Stoff nicht mehr bezahlen können.
Um die angespannte Marktlage zu überbrücken, stiegen auch viele Süchtige vorübergehend in Methadon-Programme ein. Andere Abhängige behelfen sich mit Alkohol oder Beruhigungsmitteln wie beispielsweise Rohypnol, was Meili als sehr ungünstige Entwicklung bezeichnete.
Krieg in Afghanistan
Über die Gründe der Verknappung gibt es verschiedene Mutmassungen. Dass der Krieg in Afghanistan die Produktion geschmälert und das Angebot verknappt hat, sei nicht von der Hand zu weisen, sagte Meili.
Der Krieg dürfte jedoch nicht der einzige Grund sein. Meili nannte auch die Stärkung der rechtsstaatlichen Strukturen in den Balkanstaaten – wichtige Transitländer für Drogenkuriere – als mögliche Erklärung.
Weniger Heroin beschlagnahmt
Diese These wurde auch vom Verantwortlichen für Betäubungsmittel in der Oberzolldirektion gestützt, die an den Schweizer Grenzen letztes Jahr mit 50 Kilogramm Heroin nur halb so viel der Droge wie im Vorjahr sicherstellte.
Andere erklären sich die Verknappung mit der verstärkten Repression. Die Berner Stadtpolizei etwa verwies auf die Zunahme der Beschlagnahmungen. «In Basel haben die Händler wegen des hohen Risikos zunehmend Mühe, Drogenkuriere zu finden», sagte BAP-Sprecherin Danièle Bersier. Auch die künstliche Preistreiberei der Händler wurde als Hypothese genannt.
swissinfo und Agenturen
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